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20-Jähriger im Wiener Jugendgefängnis misshandelt: 16 Monate Haft

In Wien stand am Donnerstag ein 20-Jähriger wegen Misshandlungsvorwürfen vor Gericht.
In Wien stand am Donnerstag ein 20-Jähriger wegen Misshandlungsvorwürfen vor Gericht. ©dpa (Symbolbild)
Ein 20-Jähriger hatte einen gleichaltrigen, körperlich deutlich unterlegenen Mithäftling in der Jugendabteilung des Wiener Landesgerichtlichen Gefangenenhauses über Wochen hinweg misshandelt. Am Donnerstag musste er sich dafür vor Gericht verantworten und ist nicht rechtskräftig zu 16 Monaten unbedingter Haft verurteilt worden. Ihm wurde zudem eine "derart gravierenden Persönlichkeitsstörung" bescheinigt, dass ohne eine entsprechende Behandlung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher neuerlich Straftaten mit schweren Folgen zu erwarten wären. Selbst im Gerichtssaal tobte und schrie er.

Der 20-Jährige hatte sich den gleichaltrigen, aber mindestens einen Kopf kleineren, um geschätzte 15 Kilo leichteren und äußerlich fast noch kindlich wirkenden Burschen in der mit insgesamt fünf Personen belegten Zelle “als schwächstes Glied in der Kette herausgepickt”, wie der Staatsanwalt ausführte. Indem er ihm ein Messer an den Hals setzte, zwang er den Schwächeren, an sich geschlechtliche Handlungen vorzunehmen. Einmal tauchte er dessen Kopf in ein Becken, in das er zuvor uriniert hatte. Mehrfach drückte er ihm solange die Halsschlagader zu, bis er das Bewusstsein verlor – ein im Wiener Jugendgefängnis offenbar gängiger Zeitvertreib, der sich “Pilotenspiel” nennt. Es kam auch zu Misshandlungen mit einem Besenstiel. “Er ist körperlich viel stärker. Ich konnte nichts machen”, stammelte der Betroffene im Zeugenstand. Richter Norbert Gerstberger, seit geraumer Zeit auf Jugendstrafsachen spezialisiert, bezeichnete ihn nach der Befragung als “geborenes Opfer in einer Haftanstalt”.

Misshandlungen in Wiener Gefängnis

Prozessbeobachter fragten sich allerdings, weshalb der Bursch ausgerechnet mit dem Angeklagten über einen längeren Zeitraum in einen Haftraum gegeben wurde, legte doch die Verhandlung nahe, dass selbst für einen Laien nach sehr kurzer Zeit die erhebliche psychische Beeinträchtigung sowie die Gewaltbereitschaft des 20-Jährigen erkennbar sind. Vor den Zeugeneinvernahmen kündigte der zu sämtlichen Anklagepunkten nicht geständige junge Mann an, er werde “eventuell die Beherrschung verlieren”. Tatsächlich machte er dann Anstalten, auf die Zeugen loszugehen, die gegen ihn aussagten. Der Richter ließ ihn zur Abkühlung aus dem Saal bringen, um sich danach zu erkundigen: “Haben Sie das Gefühl, dass Sie wieder explodieren?” “Vielleicht”, bellte der 20-Jährige zurück. Man möge daher “die Handschellen oben lassen. Wär besser”.

Den Rest der Hauptverhandlung verfolgte der Angeklagte in gefesseltem Zustand. Sicherheitshalber nahm ein zweiter Justizwachebeamter neben ihm auf der Anklagebank Platz.

Psychiater: Täter psychisch krank

Ein weiterer, von Übergriffen nicht persönlich betroffener ehemaliger Mithäftling bezeichnete den 20-Jährigen als “total aggressiv und unberechenbar. Er tickt nicht richtig”. Der 20-Jährige sei “öfters ausgezuckt” und habe sich “den Kleinen als Opfer genommen”, der sich aus Angst die Vorfälle nicht zu melden getraut habe: “Ich hab’ das dann dem Beamten gesagt. Es ist so nicht mehr weiter gegangen.” “Dieser Mensch ist krank”, stellte der Psychiater Karl Dantendorfer in seinem Gutachten fest. Er könne “medizinisch nur empfehlen, diesen Menschen vor sich selbst zu schützen”, sprach er sich im Fall eines Schuldspruchs für eine zeitlich unbefristete Unterbringung des Angeklagten im Maßnahmenvollzug aus. Die Zukunftsprognose sei “extrem negativ. Mit ein paar Tabletten und einem halben Jahr Therapie ist es nicht getan”. Es werde längere Zeit brauchen, die Impulse des 20-Jährigen unter Kontrolle zu bringen, meinte der Sachverständige.

“Was Sie hier sagen, ist mir scheißegal. Ich sag’s Ihnen ein letztes Mal, ich hab’s nicht gemacht”, unterbrach ihn der Angeklagte. Das Urteil nahm er später gefasst zur Kenntnis. Auf die Frage, ob er es verstanden habe, bemerkte er dann nur: “Ist mir scheißegal.” (APA)

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