Die Regierung in Haiti geht davon aus, dass bis zu 200.000 Menschen bei dem Beben ums Leben gekommen sind. Die Suche nach Überlebenden wurde inzwischen eingestellt.
In der Hauptstadt Port-au-Prince wurde am Samstag der Erzbischof von Haiti, Joseph Serge Miot, beigesetzt. An der Trauerfeier nahm auch Präsident Rene Preval teil, der seit dem Beben vor elf Tagen kaum in der Öffentlichkeit erschienen war. Zugleich fand in Haiti ein Bußtag nach der Katastrophe am 12. Jänner statt, die viele Menschen für eine Strafe Gottes halten.
Insgesamt konnten die Rettungskräfte 132 Menschen lebend aus zerstörten Gebäuden bergen. Alle Menschen, die eine Möglichkeit hätten, die zerstörte Hauptstadt Port-au-Prince zu verlassen, wurden aufgefordert, das möglichst bald zu tun. Die Vereinten Nationen schätzten, dass etwa eine Million Überlebende aufs Land fliehen werden.
Unterdessen gab es in Lateinamerika weitere, kräftige Erdbeben: Bolivien wurde am Samstag innerhalb von einer Stunde von zwei Beben der Stärken 5,3 und 5,2 erschüttert, Costa Rica gleich von vier Erdstößen der Stärken 5,2, 4,7, 4,9 und 4,8. Berichte über Opfer oder Schäden gab es zunächst nicht.
Dank der internationalen Hilfsaktionen und der unermüdlichen Arbeit tausender Helfer konnte das Leiden der bis zu drei Millionen Überlebenden etwas gelindert werden. Erstmals machten auch wieder Geldtransfer-Firmen und Banken sowie Restaurants oder ein scharf bewachter Supermarkt auf. Laut UNO-Büro zur Koordinierung von Humanitären Angelegenheiten (OCHA) sind auch 30 Prozent der Tankstellen in Haiti wieder in Betrieb.
Unterdessen sollen US-Vertreter Journalisten zum Verlassen des Flughafengeländes aufgefordert haben, um die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten. Das berichtete das Internetportal Publico.es unter Berufung auf Angaben der Sprecherin der spanischen Entwicklungs-Agentur AECI, Virginia Castrejana.
Tausende müssen noch immer auf der Straße schlafen. Die deutsche Nothilfe-Koordinatorin Anja Wolz berichtete von den Problemen der medizinischen Versorgung in bezug auf Folgeoperationen und Nachbetreuung. Fast jedes Erdbebenopfer, das sie gesehen habe, sei traumatisiert gewesen, sagte Wolz.
Über die Koordination der Hilfe wollen am Sonntag und Montag mehr als 20 Länder im kanadischen Montreal diskutieren. Zu der Krisenkonferenz reist US-Außenministerin Hillary Clinton an, auch ihr französischer Kollege Bernard Kouchner will kommen. Um eine Konferenz der Geberländer, die möglicherweise im März stattfinden soll, vorzubereiten, werden auch Vertreter der Vereinten Nationen, internationaler Finanzinstitutionen sowie von 21 weiteren Staaten erwartet.
Mit einer großen Spendengala haben Stars vor allem aus den USA mehrere Millionen Dollar für die Opfer des Erdbebens gesammelt. Die TV-Show, die weltweit und selbst in den USA gleich auf mehreren Kanälen übertragen wurde, kam live aus Los Angeles, New York und London. Moderiert von George Clooney und dem aus Haiti stammende Musiker Wyclef Jean, sangen Musiker für die Überlebenden der Naturkatastrophe.
Papst Benedikt XVI. schrieb in dem Brief, den der Vatikan am Samstag veröffentlichte, an Präsident Preval, er bete darum, dass “Solidarität in die Herzen einzieht” und “wieder Ruhe auf den Straßen einkehrt”, damit die Hilfe bei denjenigen ankomme, die sie am nötigsten hätten.