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12-Stunden-Tag: Hofer wenig Verständnis für ÖBB-Betriebsversammlungen

Norbert Hofer hat wenig Verständnis.
Norbert Hofer hat wenig Verständnis. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) hat für die heutigen Betriebsversammlungen bei den ÖBB "nur bedingt Verständnis". Vielmehr habe er den Eindruck, dass die große Mehrheit der Mitarbeiter bei der 12-Stunden-Regelung bleiben wolle.
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Bei den Österreichischen Bundesbahnen gebe es in vielen Bereichen bereits seit Jahren Betriebsvereinbarungen über 12-Stunden-Dienste. Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Arbeitszeitflexibilisierung sehe vor, dass sich an diesen Vereinbarungen auch nichts ändere. Sollte es aber innerhalb der Belegschaft den Wunsch geben, auf einen Dreischichtbetrieb zu je 8 Stunden umsteigen zu wollen, dann stehe es dem Betriebsrat frei, entsprechende Vereinbarungen mit dem Management zu treffen.

ÖBB soll für 12-Stunden-Tag bleiben wollen

Laut ersten Schätzungen seien am Montag rund 250 der täglich 5.000 fahrende Züge ausgefallen bzw. verspätet gewesen, verweist Hofer auf Angaben der ÖBB. Keine Beeinträchtigungen habe es in Tirol, Vorarlberg und Kärnten sowie im internationalen Fernverkehr gegeben.

Aus Oberösterreich sagte der dortige regionale ÖBB-Pressesprecher Karl Leitner im Ö1-“Morgenjournal” des ORF-Radio, es habe “Ausfälle so gut wie im gesamten Streckennetz in Oberösterreich” gegeben “mit Ausnahme der Salzkammergutbahn, der Almtalbahn und der Donauuferbahn”. Im Frühverkehr gebe es normalerweise 160 Züge – ungefähr 30 bis 35 seien ausgefallen, für die Hälfte davon gebe es einen Ersatzverkehr. Im Fernverkehr seien bisher fünf Railjets ausgefallen, vier von Salzburg nach Wien und einer von Wien nach Salzburg.

Neues Gesetz kaum Änderungen für ÖBB

Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ist man über die aktuellen Betriebsversammlungen und Zugausfälle nicht glücklich. Die Konzerngeschäftsführung hält das Vorgehen von Gewerkschaft und Betriebsrat für nicht notwendig, weil die neuen Arbeitszeitgesetze die ÖBB de facto kaum berühren würden. Offiziell gibt es zwar keine Aussagen dazu, ein internes ÖBB-Papier deutet aber in diese Richtung.

“12 Stunden sind im Betriebsdienst der ÖBB bereits jetzt möglich und werden von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmerseite mitgetragen. Jedenfalls für diesen Bereich wird das neue Arbeitszeitrecht unmittelbar kaum Änderungen bringen”, heißt es in dem an ÖBB-Mitarbeiter versandten Informationspapier zum Arbeitsgesetz Neu, das der APA vorliegt und auflistet, was die vorgeschlagenen Änderungen für die ÖBB bedeuten. “Um die neuen Spielräume für den Arbeitgeber zu nützen, braucht es überwiegend Konsens mit Gewerkschaft und Betriebsrat”, betont die ÖBB-Konzernführung darin.

Der 12-Stunden-Tag ist demnach bei den ÖBB schon jetzt im Rahmen des Betriebsdienstes und dort möglich, wo Schichtdienst erforderlich ist. Der 12-Stunden-Tag sei durch Kollektivvertrag mit der Gewerkschaft für Berufe wie Lokführer, Fahrdienstleiter etc. klar geregelt. Mit der geplanten Änderung des Arbeitszeitgesetzes sollen künftig mehr Überstunden pro Tag und Woche möglich sein. Die Grenze von durchschnittlich 48 Stunden in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen bleibe aufrecht. Um die neuen Spielräume im Arbeitszeitgesetz zu nützen, sei überwiegend Konsens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Voraussetzung, zum Beispiel bei Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarungen. Für die ÖBB werde das neue Gesetz im Betriebsdienst unmittelbar kaum Änderungen bringen, schreibt die Konzernführung weiter.

20 Überstunden für ÖBB-Mitarbeiter

Durch die Änderung der Höchstarbeitszeit von täglich 10 auf 12 und wöchentlich 50 auf 60 Stunden würden bei den ÖBB künftig 20 statt bisher 10 Überstunden pro Woche möglich. Das Überstundenkontingent steige von 320 auf 416 Überstunden pro Jahr. Der wöchentliche Durchschnitt von 48 Stunden in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen bleibe aber aufrecht. Zur Ausschöpfung des neuen Überstundenkontingents sei laut ÖBB-Führung eine Änderung im ÖBB-Arbeitszeit-Kollektivvertrag erforderlich, die nur im Einvernehmen mit der Gewerkschaft möglich ist. Unter Umständen müssten auch Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat neu verhandelt werden.

Auch Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe, die laut neuem Arbeitszeitgesetz viermal im Jahr möglich sein sollen, müssten bei den ÖBB durch eine Betriebsvereinbarung gedeckt werden, schreibt die Konzernspitze. Angepasst werden müssten die ÖBB-internen Gleitzeit-Betriebsvereinbarungen, für die Nutzung der Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben brauche es ein Anpassung im bestehenden Kollektivvertrag.

Rund 250 Zugausfälle

Die Betriebsversammlungen bei den ÖBB haben am Montag im Frühverkehr zu beträchtlichen Einschränkungen für Reisende geführt. Insgesamt sind in Österreich 250 von täglich rund 5.000 Zügen ausgefallen, berichtete ein Konzernsprecher. Betroffen waren vor allem Linz, Graz und die Schnellbahn in und rund um Wien. Wie sehr die Fahrgäste die zwischen 6.00 und 9.00 Uhr angesetzten Versammlungen merken würden, war im Vorfeld unklar gewesen.

Nun zogen die ÖBB eine erste Bilanz. Ergebnis: “Es ist doch zu massiven Ausfällen gekommen.” Auswirkungen zeigten sich vor allem in Linz und Graz, wobei es dort auch bei den Verkehrsbetrieben Einschränkungen gab. In Wien sind laut ÖBB zahlreiche S-Bahn-Passagiere auf die Wiener Linien ausgewichen: “Das hat gut funktioniert.”

Wiener Linien statt ÖBB

Auch im überregionalen Verkehr wurden laut den Bundesbahnen einige Ausfälle verzeichnet. Der internationale Verkehr sei hingegen kaum beeinträchtigt gewesen, betonte der Sprecher. Auch in den Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Kärnten lief der Betrieb ohne Einschränkungen weiter. Der Bahnverkehr soll sich bis zum frühen Nachmittag normalisieren, wobei es noch zu kleineren Verspätungen kommen kann, wie es hieß. Am späteren Nachmittag bzw. am Abend können Pendler dann wieder regulären Betrieb erwarten.

ÖBB-Vorstandschef Andreas Matthä entschuldigte sich mittels Aussendung bei den Kunden für die “entstandenen Unannehmlichkeiten”: “Mein Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, die trotz Betriebsversammlung den Betrieb aufrechterhalten und unsere Fahrgäste sicher ans Ziel gebracht haben. Wir werden uns in den kommenden Wochen um weitere Gespräche mit dem Betriebsrat bemühen.” Denn man habe in gelebter Sozialpartnerschaft immer eine gute Lösung für die Mitarbeiter gefunden: “Diesen konstruktiven Dialog im Unternehmen wollen wir auch in Zukunft fortsetzen.”

10.000 “empörte” Eisenbahner

Die Arbeitszeitpläne der Regierung haben mindestens 10.000 Eisenbahner zur Teilnahme an Betriebsversammlungen bewogen. “Der Zulauf und die Empörung unter den Beschäftigten war bzw. ist groß”, sagte ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit. Ein Papier der ÖBB-Geschäftsleitung, wonach Auswirkungen der geplanten Arbeitszeitregelung auf Eisenbahner gering seien, ließ Hebenstreit so nicht gelten. Die Betriebsversammlungen bei den ÖBB haben am Montag im Frühverkehr zu beträchtlichen Einschränkungen für Reisende geführt. Insgesamt seien in Österreich 250 von täglich rund 5.000 Zügen ausgefallen, berichtete ein Konzernsprecher der APA. Betroffen waren vor allem Linz, Graz und die Schnellbahn in und rund um Wien.

“Immer mehr Menschen, auch bei den Eisenbahnen, wird bewusst, wie weit die Auswirkungen an Grauslichkeiten sind, die bei Umsetzung des geplanten Arbeitszeitgesetzes auf sie zukommen”, kritisierte Hebenstreit, der auch Chef der Gewerkschaft vida ist. Durch das geplante höhere Überstundenpotenzial würden die pro Jahr möglichen Überstunden für Eisenbahner um mehr als 100 Stunden von 316 Stunden auf 420 Stunden ansteigen, sagte Hebenstreit im Gespräch mit der APA auch zum Inhalt des Papiers der ÖBB-Chefetage.

“Und das obwohl wir jetzt schon am Anschlag fahren. Im Eisenbahnbereich werden derzeit jährlich 5 Millionen Überstunden pro Jahr geleistet. Und das bei einem Anteil von 50 Prozent Schichtbediensteten und einem Durchschnittsalter von 46 Jahren”, sagte Hebenstreit. Zudem würde ein “Nein” zu einer höheren Überstundenleistung durch Bedienstete “erschwert – oft wird man nicht Nein sagen können; es ist doch nur eine Pseudofreiwilligkeit”.

Höheres Überstundenpotenzial

Die Bediensteten fürchteten etwa, dass sie durch ein höheres Überstundenpotenzial entweder direkt getroffen werden oder zumindest die Familie insgesamt. Müsse man selbst nicht länger arbeiten, dann womöglich die Ehefrau oder der Ehemann – oder womöglich beide Partner. “Das kann ja niemand sagen, dass die Pläne der Regierung keine Auswirkungen auf das Privat-, Familien-, Vereins- oder Sozialleben haben”, kritisierte Hebenstreit.

Streng genommen sind die Betriebsversammlungen lediglich unterbrochen, wenn auch de facto freilich beendet. Unterbrochen sind bei den Schienenbetrieben auch die Kollektivvertragsverhandlungen. “Das ist ein offenes Thema für den Herbst”, sagte Hebenstreit. Grund für die Unterbrechung sind die Arbeitszeitpläne der Regierung. Nun werde einmal abgewartet, was die Regierung tut und wie sich die Sozialpartner verhalten wollen. “Die Bereitschaft in der Belegschaft ist groß, sich das nicht gefallen zu lassen.” Das heiße aber noch nichts Konkretes, so der Gewerkschafter.

Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beim Gesetz nicht nachverhandeln will und es “gut” nennt, kommentiert Hebenstreit so: “Wenn das Gesetz gut ist, warum wurde es dann über die Hintertür eingeführt? Warum waren zahlreiche Korrekturen und Erläuterungen notwendig? Warum deutet dann die Wirtschaftsministerin an, man mache das Gesetz, aber es solle in der Anwendung nicht ausgereizt werden?”.

Hofer wenig Verständnis

“Kein Verständnis” für die Betriebsversammlungen zeigte die Bundessparte Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) am Montag. “Es handelt sich um Maßnahmen ohne Betroffenheit, die noch dazu am Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden. Aus diesem Grund fragen wir uns, was das eigentlich soll”, so Bundesspartenobmann Alexander Klacska.

Der neue Generalsekretär der WKÖ, ÖVP-Nationalratsabgeordneter Karlheinz Kopf, äußerte in einer Aussendung einen Wunsch: “Mein derzeit dringlichstes Anliegen ist es, dass wir bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren und Fakten sprechen lassen”, forderte der ehemalige Nationalratspräsident.

Die Betriebsräte und die Gewerkschaft vida baten am Montag nochmals alle Fahrgäste, denen durch die Betriebsversammlungen Unannehmlichkeiten durch Verspätungen und Zugausfälle entstanden sind, um Entschuldigung und ersuchten um Verständnis.

Verständnis äußerte die Liste Pilz. Die geplante Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages und der 60-Stunden-Arbeitswoche werde von der Bundesregierung unter dem irreführenden Titel “Arbeitszeitflexibilisierung” als “Husch-Pfusch-Gesetz” durchgeboxt, so Arbeits- und Sozialsprecherin Daniela Holzinger.

Rechtliche Bedenken bei ÖBB

Der Arbeits- und Sozialrechtsexperte Franz Marhold äußert rechtliche Bedenken gegen die Betriebsversammlungen bei den Österreichischen Bundesbahnen. “Ich sehe es kritisch. Die Belegschaftsvertretung befindet sich damit nicht hundertprozentig auf dem Boden des Gesetzes”, sagte Marhold im Gespräch.

Das Betriebsverfassungsrecht und die gesetzlich geregelte Personalvertretung bei den ÖBB setze eine Betroffenheit des Unternehmens voraus. Die ist laut ÖBB-Konzernführung aber nicht gegeben, weil das von der Regierung geplante neue Arbeitszeitgesetz für die ÖBB kaum Änderungen bringe. 12 Stunden tägliche Höchstarbeitszeit sind dort jetzt schon möglich, und um die neuen Spielräume des Gesetzes zu nutzen, braucht es laut ÖBB-Spitze überwiegend Konsens mit Gewerkschaft und Betriebsrat.

APA/red

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