12-Stunden-Schichten und unfaire Löhne: Massive Missstände in der Sicherheitsbranche aufgedeckt

Die Arbeitsbedingungen in der Sicherheitsbranche stehen in der Kritik. Laut einer Analyse der Arbeiterkammer (AK) Wien und der Gewerkschaft vida sind die Beschäftigten im Bewachungsgewerbe häufig langen Arbeitszeiten, fehlerhaften Lohnabrechnungen und unsicheren Arbeitsverhältnissen ausgesetzt.
"Mit der Sicherheit für die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, ist es nicht weit her", sagt Gernot Kopp, Fachbereichsvorsitzender für Gebäudemanagement bei der vida. Besonders problematisch sei, dass Wachpersonal bis zu fünf Tage hintereinander jeweils zwölf Stunden im Dienst stehe – eine Praxis, die als "höchst riskant" eingestuft wird.
Fehlende Ausbildung und problematische Dienstpläne in Sicherheitsbranche
AK und vida fordern daher zertifizierte Ausbildungen sowie ein Ende von Alleindiensten. "Sicherheit kann es nicht zum Nulltarif geben", betont Bianca Schrittwieser, Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht der AK Wien. Der Sektor sei bereits seit Jahren von zahlreichen Missständen geprägt. Eine Fallanalyse der AK ergab, dass ein Großteil der geprüften Lohnabrechnungen fehlerhaft war. Häufig würden Überstunden und Zuschläge nicht korrekt verrechnet oder gar nicht bezahlt. Zudem seien rechtswidrig angeordnete Minusstunden und kurzfristige Dienstverschiebungen gängige Praxis.
Die Gewerkschaft sieht den starken Preisdruck in der Branche als eine der Hauptursachen für die schlechten Bedingungen. Arbeitgeber würden Kosten sparen, indem sie Personal unter schwierigen Bedingungen einsetzen und an Ausbildung sowie Personalplanung kürzen.
Markt von wenigen Unternehmen dominiert
Mehr als die Hälfte des österreichischen Bewachungsmarktes entfällt auf die vier großen Anbieter G4S, Securitas, Siwacht und ÖWD. Alle vier verfügen über einen Betriebsrat, wodurch arbeitsrechtliche Konflikte häufig außergerichtlich gelöst werden. Laut AK und vida zeigen Studien, dass Unternehmen mit Betriebsrat wirtschaftlich stabiler und besser durch Krisen kommen.
Überstunden nicht bezahlt, Kündigung bei Krankenstand
Österreichweit arbeiten jährlich rund 12.700 Menschen im Bewachungsgewerbe, bei Großveranstaltungen steigt die Zahl auf bis zu 16.000. Etwa 40 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, und ein Drittel der in Wien tätigen Sicherheitskräfte hat keine österreichische Staatsbürgerschaft.
Eine Analyse der AK Wien von 400 Fällen aus dem Zeitraum Jänner 2023 bis November 2024 zeigt alarmierende Tendenzen:
- 36 Prozent der Fälle betrafen nicht oder fehlerhaft bezahlte Überstunden – in Einzelfällen wurden bis zu 300 Überstunden unterschlagen.
- 62 Prozent der Beschäftigten bleiben weniger als ein Jahr in einem Betrieb.
- Der Frauenanteil bei den gemeldeten Fällen lag nur bei 20 Prozent, obwohl die Branche insgesamt zu 40 Prozent weiblich ist.
Besonders besorgniserregend sei der Umgang mit Krankenständen: Bereits beim zweiten Krankenstand droht Beschäftigten oft die Kündigung – vielfach auf informellem Weg, etwa per WhatsApp.
Kritik an Zuverlässigkeitsprüfung und Subunternehmen
Ein weiteres Problem ist die uneinheitliche Zuverlässigkeitsprüfung für Sicherheitspersonal, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich lange dauert. In manchen Fällen habe bereits eine einfache Verkehrsstrafe zum Verlust der Zuverlässigkeit geführt.
Besonders in der Festivalsaison sei zudem der Einsatz von Subunternehmen problematisch. Oft sei nicht mehr nachvollziehbar, für welches Unternehmen Sicherheitskräfte tatsächlich arbeiten. AK und vida fordern daher härtere Strafen für Lohndumping und eine stärkere Regulierung von Subunternehmerketten.
WKÖ weist Kritik zurück
Die Wirtschaftskammer reagierte befremdet auf die Kritik der Arbeitnehmervertreter. "Die Bewachungsbranche leistet seit Jahren wertvollen Beitrag zum hohen Sicherheitsstandard Österreichs", wurde betont. Die Bewachungsunternehmen haben "in den letzten Jahren den Wandel zu modernen Sicherheitsdienstleistern vollzogen".
Die Unternehmensvertreter stellten in einer Aussendung klar: "Es gibt rechtliche Vorgaben, die von allen Bewachungsunternehmen einzuhalten sind. Wenn Marktteilnehmer sich nicht an rechtliche Vorgaben halten und die Branche in Misskredit bringen, sind alle seriös und verantwortungsbewusst agierenden Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz klar die Geschädigten", so Hans-Georg Chwoyka, Bundesvorsitzender des Bewachungsgewerbes in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
KV zwischen 2.122 und 2.787 Euro brutto
Er plädiert für eine Versachlichung der Diskussion: Die Höhe des KV-Mindestlohns betrage im Bewachungsgewerbe aktuell je nach Verwendungsgruppe zwischen 2.122 und 2.787 Euro brutto. "Die branchenübergreifende ÖGB-Forderung nach einem KV-Mindestlohn von 2.000 Euro wurde in der Bewachungsbranche somit schon deutlich überschritten", erklärte Chwoyka in einer Reaktion auf die Kritik von AK und vida. Aktuell beträgt die Wochenarbeitszeit in der Branche 40 Wochenstunden bzw. in Bereichen mit Arbeitsbereitschaftszeiten 48 Stunden.
(APA/Red)