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1,1 Mio. Euro veruntreut? Prozess gegen Spitzenbeamte

Bis jetzt wurde noch kein Urteil gefällt.
Bis jetzt wurde noch kein Urteil gefällt. ©APA
Drei Sektionschefs des Innenministeriums standen heute wegen Untreue vor dem Wiener Schöffensenat. 1,1 Millionen Euro sollen nach Lust und Laune vergeben worden sein, aut den Spitzenbeamten hätten sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, .

Am Wiener Landesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen die ehemaligen Entscheidungsträger des im Innenministerium angesiedelten Wiener Stadterweiterungsfonds eröffnet worden. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kreidet den vier Angeklagten - neben dem früheren Leiter des Beirats drei Sektionschefs des Innenministeriums - Untreue mit einem Schaden von 1,1 Mio. Euro an.

Sie sollen das Fondsvermögen widmungswidrig für Spendentätigkeiten verwendet haben, wobei davon Institutionen - etwa die Erzdiözese Wien, die Israelitische Kultusgemeinde, das St. Anna Kinderspital oder der Jubiläumsfonds der Gendarmerie - bzw. Personen profitierten, zu denen die Angeklagten einen beruflichen oder persönlichen Bezug hatten oder die ihnen sympathisch waren, wie Oberstaatsanwalt Stephan Schmidmayer eingangs darlegte. "Sie haben den Fondszweck brachial und ohne jegliche Logik so ausgelegt, wie sie wollten", meinte Schmidmayer. Die Angeklagten hätten sich zwar nicht persönlich bereichert, doch die Mittel des Fonds seien "öffentliches Vermögen, nicht das des Innenministeriums", so der Oberstaatsanwalt.

Asyl-Zentrum im Burgenland finanziert

2009 trug die damalige Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) an den Stadterweiterungsfonds den Wunsch heran, dieser möge eine Liegenschaft in Eberau im Burgenland zum Bau eines Asyl-Erstaufnahmezentrums finanzieren. Der Kuratoriumsvorsitzende habe den Wunsch "mit geringer Begeisterung entgegengenommen", berichtete der langjährige Leiter des Stadterweiterungsfonds dem Schöffensenat (Vorsitz: Claudia Moravec-Loidolt). Um Fekters Wunsch umsetzen zu können, wurde eigens eine Satzungsänderung vorgenommen. Der Fonds konnte fortan auch Mittel "zum Wohle der Gesellschaft und des sozialen Friedens" vergeben.

Die Beschuldigten bekannten sich zum Vorwurf, ihnen anvertrautes Vermögen widmungswidrig verwendet zu haben, "nicht schuldig". Sie hätten vielmehr "in vollkommenem Einklang mit der Satzung agiert" und mit Billigung des jeweiligen Ressortchefs "geradezu vorbildlich gehandelt", bescheinigten ihnen ihre Rechtsvertreter. Bis zum 2. Juli sind in dem Verfahren noch fünf Verhandlungstage ausgeschrieben, die teilweise prominenten Zeugen - neben Ex-Ministerin Fekter ist auch Kardinal Christoph Schönborn geladen - sind für kommende Woche geladen.

Prokop wollte "Gutes tun"

Die Angeklagten behaupten, die Ende 2006 verstorbene frühere Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) habe im Herbst 2005 den Stadterweiterungsfonds als "Anachronismus" bezeichnet und dessen Auflösung insofern betrieben, indem sie die Realisierung seiner Vermögenswerte - vor allem eine Liegenschaft Am Heumarkt - verlangte. Mit den Erlösen habe Prokop in breiter Streuung "Gutes tun" wollen. Diesen Wunsch habe man umgesetzt.

Allerdings gibt es kein Schriftstück, das Prokops Ansinnen belegt. Wie überhaupt die Mittelverwendung des Wiener Stadterweiterungsfonds, der erst 2017 aufgelöst wurde, kaum dokumentiert ist. "Es war ein Freibrief, um nach allen Richtungen zu spenden", hielt die vorsitzende Richterin fest. Die Spenden seien "nach Vorschlägen von Kuratoriumsmitgliedern" vergeben wurden, wobei jeweils "ein gemeinschaftliches Brainstorming" stattgefunden habe, gab der langjährige Leiter darauf in seiner Beschuldigteneinvernahme zu Protokoll.

Mitarbeiterin erhielt 15.000 Euro

Eine in eine Notlage geratene "besonders wertvolle Mitarbeiterin des Innenministeriums" erhielt demnach 15.000 Euro. Vollwaisen, deren Eltern binnen weniger Wochen verstorben waren, wurden zur Bestreitung der Begräbniskosten unterstützt. Auf den richterlichen Hinweis, dass in der ursprünglichen Satzung der Fonds nach dem Zweiten Weltkrieg primär der Regulierung und Verschönerung der Inneren Stadt dienen hätte sollen, meinte dessen langjähriger Leiter, es habe auch "eigene Projekte" gegeben, wobei man dabei stets die Rückendeckung des Ministerkabinetts gehabt hätte.

Mit Abstand am Meisten - nämlich 250.000 Euro - bekam die Erzdiözese Wien zum Bau einer Kirche in Wien-Aspern. "Schönborn hat mir das Projekt vorgeschlagen", verriet der angeklagte Ex-Leiter des Stadterweiterungsfonds dem Gericht. Auf die Höhe der Spende angesprochen, entgegnete er: "Eine Kirche zu bauen kostet sehr viel Geld."

Auch zu diesem Vorgang gebe es keine schriftliche Dokumentation, bemängelte die Richterin. Und überhaupt sei die geplante Stadterweiterungskirche ja nie gebaut worden, weswegen die Mittelverwendung von Interesse sei. Man habe "nicht die Ressourcen, das zu prüfen", erwiderte der Angeklagte.

"Wir haben beste Absichten gehabt"

Er sei "tief enttäuscht, dass es in diese Richtung geht" und er sich nun vor Gericht verantworten muss, sagte einer der drei Sektionschef, denen die Anklage im Zusammenhang mit Spendenvergaben durch den Wiener Stadterweiterungsfonds Untreue vorwirft. "Wir haben beste Absichten gehabt. Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, dass wir Unrechtes tun", sagte der nun pensionierte Spitzenbeamte am Donnerstag.

Die Richterin wollte darauf hin wissen, inwieweit ein finanzielles Unter-die Arme-Greifen zugunsten rumänischer Straßenkinder Wien betreffe. Der Angeklagte entgegnete darauf sinngemäß, diese wären in ihrer Heimat geblieben und nicht zum Betteln nach Wien gekommen.

Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren drohen

Die Unterstellung, er habe vor den Augen der Öffentlichkeit über Jahre hinweg Unrechtes getan, gehe ins Leere, bekräftigte der Beamte. Er und die weiteren Mitglieder des Beirats hätten in ihrem jeweiligen Wirkungskreis "gesucht, wo es Spendenmöglichkeiten gibt". Dass Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) 2009 Fondsvermögen zur Errichtung eines Asyl-Erstaufnahmezentrums in Eberau heranziehen wollte, habe ihn "nicht glücklich" gemacht, räumte der Sektionschef im Ruhestand ein: "Aber ein Ministerwunsch ist ein Auftrag."

Die Verhandlung wird am Freitag mit ergänzenden Fragen an den pensionierten Spitzenbeamten fortgesetzt. Anschließend werden die zwei aktiv im Dienst stehenden mitangeklagten Spitzenbeamten des Innenressorts vernommen. Im Fall von Schuldsprüchen stehen Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren und der Amtsverlust sowie das Verwirken sämtlicher Ruhegenussansprüche im Raum.

(APA/red)

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