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10.000 gedenken der Opfer von Srebrenica

Zum achten Jahrestag des Massakers von Srebrenica wurden 282 identifizierte Opfer beigesetzt. Erstmals war auch der bosnische Serben-Premier dabei.

Anlässlich des achten Jahrestags des Massakers von Srebrenica haben mehr als zehntausend Moslems in der ostbosnischen Stadt der über 7000 Opfer gedacht. Hunderte weitere Menschen strömten am Freitag zum Gedenkfriedhof in Potocari vor den Toren Srebrenicas, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Am Nachmittag sollten dort 282 identifizierte Leichen beigesetzt werden, die aus Massengräbern exhumiert worden waren. Das von bosnischen Serben angerichtete Massaker in der früheren UNO-Schutzzone Srebrenica gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die Veranstalter zählten in Potocari 12.000 Teilnehmer. In glühender Hitze lauschten die Moslems dem traditionellen Mittagsgebet eines Imams. Vor der Beisetzung der 282 identifizierten Opfer wurden deren in grüne Leichentücher eingehüllten sterblichen Überreste vor frisch ausgehobenen Gräbern aufgebahrt. Im März waren in Potocari die ersten 600 identifizierten Opfer bestattet worden. Insgesamt wurden am 11. Juli 1995 nach dem Fall der UNO-Schutzzone Srebrenica mehr als 7.000 Moslems unter den Augen von niederländischen UNO-Blauhelmen getötet und in Massengräbern verscharrt. Mehr als 5.000 Leichen müssen noch identifiziert werden. Der vom UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagte General Ratko Mladic, unter dessen Kommando die serbischen Truppen standen, ist immer noch flüchtig.

Rund 2.000 Polizisten sorgten nach Angaben der bosnisch-serbischen Polizei während der Gedenkveranstaltung für die Sicherheit. Die Teilnehmer waren mit rund 150 Bussen nach Srebrenica gebracht worden; erstmals war auch die Anreise mit eigenen Autos erlaubt. Die meisten Teilnehmer reisten aus der moslemisch-kroatischen Föderation an. Erstmals nahm mit Dragan Mikerevic auch der Ministerpräsident der Republika Srpska an der Gedenkveranstaltung teil. Vor Journalisten sagte er, sein Anwesenheit sei eine Geste der Versöhnung im Sinne einer „besseren Zukunft“.

Unter den Trauergästen war auch die 60-jährige Ajka Hasanovic. Sieben Mitglieder ihrer Familie wurden am Nachmittag beigesetzt. Die Leichte ihres Mannes wurde noch nicht gefunden. „Wozu leben, wenn man alles verloren hat, wofür man lebte?“, fragte sie unter Tränen. „Ich werde keinen Frieden finden, bis ich neben ihnen liege.“

Srebrenica liegt in der bosnischen Serbenrepublik. Die Gründung des Vielvölkerstaats geht auf den Friedensvertrag von Dayton aus dem Jahr 1995 zurück. Nur wenige Überlebende der 27.000 Moslems, die vor dem Krieg in Srebrenica gelebt hatten, kehrten nach dem Krieg zurück. „Ich würde niemals nach Srebrenica zurückkehren“, sagte die 31-jährige Raza Atic in Potocari. „Ich könnte es nicht ertragen, meinen serbischen Nachbarn in die Augen zu blicken.“ Die aus Srebrenica stammende Frau verlor durch das Massaker mehrere Angehörige. Atic reiste nach Potocari, um ihren Großvater beizusetzen. Im März hatte sie dort bereits ihren ermordeten Ehemann beerdigt.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sprach sich anlässlich des achten Jahrestags des Massakers dafür aus, nach Srebrenica zurückkehrenden Moslems eine „unbürokratische Überlebenshilfe“ zu gewähren. Die internationale Gemeinschaft unternehme zu wenig, um „das trostlose Elend der in die Ruinen ihrer Häuser zurückkehrenden Überlebenden“ zu lindern, kritisierte die Organisation. Meist seien nur geringe Summen für eine Starthilfe erforderlich, erklärte GfbV-Präsident Tilman Zülch in Göttingen. Als Beispiele nannte er die Bereitstellung von Geld für Viehfutter oder die Reparatur von Häusern.

Der Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) erinnerte zum Jahrestag an die Vertreibung der Volksdeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese habe nach wissenschaftlichen Angaben zwei Millionen Menschen das Leben gekostet, stellt der VLÖ am heutigen Freitag in einer Aussendung Meldungen in Frage, wonach Srebrenica das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg gewesen sei. Der VLÖ wolle damit das Leiden Srebrenica-Opfer keineswegs relativieren, „sondern zeigen, welche Auswirkungen das weltweite Schweigen über die Tragödie der vertriebenen Volksdeutschen für andere Volksgruppen haben kann“.

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