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1 Million Euro in acht Minuten

Bild: APA
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"So wie in diesen Filmen, wo sich jemand zufällig am Kopf kratzt und plötzlich ein Bild um fünf Millionen ersteigert hat, ist es in der Realität natürlich nicht".

Das bekräftigte Dorotheum-Geschäftsführer Martin Böhm vor wenigen Tagen anlässlich des 300-Jahre-Jubiläums des Hauses. „Dennoch glauben das viele Menschen. Wir hoffen, dass wir in den kommenden Tagen mit diesen Vorurteilen aufräumen können.“ Dass es trotzdem Schlag auf Schlag gehen kann, dass so manches Werk innerhalb weniger Minuten zu Schwindel erregenden Preisen ersteigert wird, ohne dass man als Betrachter mithalten kann, bewies die Jubiläumsauktion „Alte Meister“ gestern, Dienstag.

Mehr als 30 Jahre hat im prunkvollen Franz Joseph Saal des Wiener Dorotheums keine Auktion mehr stattgefunden. Anlässlich des Jubiläums wurde der Saal im ersten Stock wieder geöffnet, dicht drängen sich rund 150 Bieter und Schaulustige kurz vor Beginn der Auktion um 17 Uhr inmitten zahlreicher Gemälde der „Alten Meister“. Pünktlich beginnt das Spektakel, für kurze Zeit ist es ganz still. Dann erscheint Guido Cagnaccis Gemälde „Lucrezia“ auf der Leinwand, der Auktionator ruft den Startpreis von 50.000 Euro aus. Schlagartig beginnt es im Saal unruhig zu werden, in den Reihen der 25 Telefonbieter wird es laut.

Zuerst in Fünf-, dann in Zehntausenderschritten klettert der Wert des Werks unter lauten Rufen auf 110.000 Euro. Dann wird ein anonymer Bieter am Telefon nervös: “200.000 Euro!“, ruft der Auktionator. Sofort kommen weitere Gebote aus dem Saal, wer von den 150 Gästen die Hand gehoben hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Fünf Minuten später steht die „Lucrezia“ auf einer halben Million Euro. Nun geht es in Hunderttausenderschritten weiter. Plötzlich wird es still. Ein Telefonbieter hat 1,15 Millionen Euro geboten. Mit ausgestreckter Hand blickt der Auktionator ins Publikum, sieht allen Beteiligten in die Augen. „Eine Million einhundertfünfzig Tausend am Telefon zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“. Die traditionelle Klingel ertönt, das Publikum spendet Szeneapplaus.

Gleich mit dem ersten Los hat das Dorotheum zwei Rekorde eingefahren. Noch nie erzielte ein Gemälde Cagnaccis einen annähernd hohen Preis. Auch das Dorotheum freut sich über einen neuen Rekord. Inklusive aller Gebühren fand das Bild um 1,4 Millionen Euro einen neuen Besitzer. Ein Waldmüller-Werk hatte zuletzt 1,3 Millionen Euro erzielt. Doch es bleibt keine Zeit, sich zu freuen, schließlich müssen heute 100 Werke versteigert werden. 50.000 Euro soll Bernardino Licinios „Kurtisane einen Spiegel haltend“ Wert sein. Doch keiner rührt sich. Auch Bartolomeo Schedonis „Heiliger Johannes der Täufer“ findet keinen Interessenten.

Von nun an geht die Auktion gemächlicher voran. Immer wieder heben Bieter im Saal sichtbar ihre Bieternummern, der Wirbel bei den Telefonbietern hat sich gelegt. Ruhiger als zuvor heben die Mitarbeiter des Dorotheums, die auf Deutsch, Englisch und Italienisch mit ihren Kunden sprechen, die Arme. Der Auktionator blickt gewissenhaft durch den Saal, bevor jemand den Zuschlag bekommt. Viele Gemälde erreichen stolze Preise, die sich zwischen 40.000 und 150.000 Euro einpendeln. Immer noch ein paar Jahresgehälter so mancher Zuseher. Es sind größtenteils unscheinbare, ältere Damen und Herren, die in ihren Katalogen blättern und scheinbar gelassen bieten.

Spannend wird es beim Titellos des Katalogs, Melchior de Hondecoeters „Vogelkonzert“. Vom Ausrufpreis von 50.000 Euro klettert das Gemälde innerhalb von fünf Minuten auf eine halbe Million Euro, Telefonbieter und Käufer im Saal überbieten einander im Sekundentakt. Für 670.000 Euro geht das Bild schlussendlich an einen Bieter im Saal. Wer das Rennen gemacht hat, ist nicht zu sehen. Seelenruhig sitzen alle auf ihren Plätzen. Eine Stunde später ist die Auktion beendet. Während die Besucher langsam ins Freie strömen, hängt „Lucrezia“, deren Wert sich innerhalb weniger Minuten verzehnfacht hat, unbeachtet an der Wand.

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