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„EU-Konvent droht sich in die Luft zu sprengen“

Das deutsche Konventsmitglied Elmar Brok wirft dem Präsidium vor, die sechs großen Länder bestimmten die Linie, während die kleinen Länder übergangen werden.

Im Europäische Konvent, der bis Mitte Juni einen Entwurf für eine neue EU-Verfassung vorlegen soll, ist ein heftiger Streit zwischen den Mitgliedern und dem Präsidium entbrannt. Das deutsche Konventsmitglied Elmar Brok wirft dem Präsidium vor, einseitig die Interessen der sechs großen Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen zu vertreten und die Konventsmehrheit zu übergehen. „Der Konvent könnte in der Verfassungsgeschichte das erster demokratische Gremium werden, dass sich selbst in die Luft sprengt“, meinte der EU-Parlamentarier am Dienstag vor Journalisten.

Stein des Anstoßes ist der neueste Verfassungsentwurf des Präsidiums, der in Teilen am Montag vorgelegt wurde und kommenden Freitag und Samstag im Konvent diskutiert werden soll. Brok kritisiert, dass das Präsidium unter der Führung von Valery Giscard d’Estaing sich als „eine kleine Regierungskonferenz in sich selbst“ entpuppt und nicht als Umsetzer des Willens im Konvent, meint Brok, der „große Schwierigkeiten“ sieht, wie die Arbeit im Konvent zu Ende geführt werden kann.

Der Europaparlamentarier spricht von teilweise „regelrechten Absurditäten“. Wesentliche Errungenschaften der Union aus den vergangenen 50 Jahren seien unter dem Einfluss großer Länder einfach vom Präsidium aus der Verfassung herausgestrichen worden, obwohl es dazu keinen Änderungsantrag aus dem Konvent gegeben habe. So sei etwa die Wirtschafts- und Währungsunion aus der Verfassung entfernt worden, weder der Euro als Gemeinschaftswährung, noch die Frage der Preisstabilität kämen im Entwurf vor, meint Brok.

„Völlig hilflos“ sei das Präsidium in der Frage der Neuordnung der Institutionen (EU-Kommission, -Parlament und -Rat). Trotz insgesamt 1.500 Änderungsanträgen sei dieser Teil unverändert eingebracht worden. Das Präsidium spricht sich dabei für einen fixen EU-Ratspräsidenten gewählt auf zweieinhalb Jahre und für eine Verringerung der Zahl der Kommissare aus. Eine Vielzahl der Konventsmitglieder und die kleineren EU-Staaten, auch Österreich, lehnen dies ab.

Nach Meinung des Deutschen Brok bedeutet der derzeitige Entwurf „die völlige Aufgabe der Position der kleinen Länder“ und damit „den Anfang vom Ende der Union“. Er könne sich nicht vorstellen, dass „die kleineren Länder sich mit diesem Vorschlag abfinden“. Die Mehrheitsverhältnisse in dieser Frage seien daher klar.

Das Gleiche gelte für den EU-Kongress, einer Zusammenkunft von Vertretern nationaler Parlamente, der nach wie vor im Vorschlag enthalten sei, obwohl außer Giscard niemand den Kongress fordere und die Mehrheit im Konvent dies ablehne. „Man glaubt man läuft gegen eine Nebelwand und wenn man sich umdreht, bekommt man einen Tritt in den Hintern“, meint Brok.

Aus Sicht des Europaparlamentariers ist jetzt „der Zeitpunkt (für die Konventsmitglieder, Anm.) da, um den Kampf aufzunehmen“. Möglicherweise, meint Brok, sei jetzt „die Zeit der politischen Familien“ gekommen. Am Donnerstagabend sollen Vertreter aller Parlamentsfraktionen zusammentreffen. Nachdem das Präsidium „als Makler versagt“ habe, wolle man nun auf dieser Ebene versuchen, zu einer Einigung zu kommen.

Brok zieht dabei hoffnungsvoll Parallelen zum derzeit laufenden Kinofilm „Matrix“: Dort sei der Lauf der Geschichte bereits niedergeschrieben und eine Gruppe von Menschen glaube, sie könne noch etwas daran ändern. „Diese Menschen könnten möglicherweise die Mitglieder des Konvents sein, die die Hoffnung nicht aufgeben, aus der Wirklichkeit ausbrechen zu können“, meint Brok.

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