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„Wenn keiner grüßt“ - Mobbing am Arbeitsplatz

Eigentlich war Herr S. rundum glücklich: Aus seinem Aushilfsvertrag war eine Festanstellung geworden und die Arbeit in der neuen Abteilung machte Spaß. Wenige Monate später empfand der Angestellte seinen Büroalltag als „die Hölle“.

Vom Chef mit Anweisungen im Befehlston schikaniert und von Kollegen gemieden, kämpfte er sich durch die Arbeitsstunden. Einige Wochen ging die Tortur gut: „Dann bin ich körperlich umgekippt“, sagt der inzwischen Arbeitslose.

Die Schilderung des anonymen Angestellten prangt in der neuen Sonderschau der Deutschen Arbeitsschutzausstellung (DASA) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund an einer Infotafel – stellvertretend für das Schicksal von einer Million Deutschen. Mobbing am Arbeitsplatz ist vom 19. Juni bis 18. September das Thema der Ausstellung „Wenn keiner grüßt und alle schweigen“. Für die DASA-Expertin Beate Beermann ist Mobbing vor allem ein Problem der Unternehmenskultur: „Wo Hochglanzbroschüren echte Werte ersetzen, steigt das Risiko, ausgegrenzt und gedemütigt zu werden.“

Der Rundgang schockt die Besucher direkt am Eingang mit dem ungeschönten Blick in den kargen Flur eines typischen Bürotraktes:
Die weiß-getünchte Decke und der schwarze Teppich bilden einen kalten Kontrast, alle Türen sind geschlossen. Per Beamer an die gekalkte Wand projiziert sieht man, wie zwei Arbeitskollegen hinter einer Glastür konspirativ die Köpfe zusammenstecken. Geflüsterte Drohungen und gedämpftes Getuschel werden vom Tonband abgespielt und lösen Beklemmung aus. „Mobbing ist ein unsichtbares Phänomen mit sichtbaren Folgen“, sagt Beermann.

„Mobbing kann jeden treffen“

Gerüchte, Schikanen, Psychoterror: Die Erscheinungsformen von Mobbing sind vielfältig und oft schwer zu fassen. Für Beermann ist die systematische Drangsalierung weder selten noch ein Kavaliersdelikt: „Mobbing kann jeden treffen“.

Der typische Mobber ist ein männlicher Vorgesetzter im Alter von 34 bis 54 Jahren, der bereits längere Zeit in einem Betrieb beschäftigt ist: In 40 Prozent aller Fälle ist der Täter gemäß DASA-Mobbing-Report ein Vorgesetzter, in 60 Prozent männlich und in 70 Prozent aus der genannten Altersgruppe. Motive sind häufig Angst, Neid, Frust und falsch verstandener Ehrgeiz. Zeitnot und Erfolgsdruck schließen den Teufelskreis der Anonymität am Arbeitsplatz: „Das gemeinsame Bierchen nach Feierabend gibt es doch kaum noch.“

Enorme Kosten durch Mobbing

Mobbing verursacht nicht nur persönliches Leid, sondern enorme gesellschaftliche Kosten: Nach Schätzungen der DASA pro Jahr 11,2 Milliarden Euro für Medikamente, Kuren und Psychotherapien und 13,4 Milliarden Euro für Qualitätsdefizite und Produktionsausfälle. „Gemobbte Beschäftigte sind häufiger krank, weniger motiviert und damit auch weniger produktiv“, erklärt Beermann.

Die Opfer leiden unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Niedergeschlagenheit. Viele werden depressiv. Sozialarbeiter, Bankangestellte und Verkäufer sind nach einer DASA-Studie besonders häufig betroffen – ihr Mobbing-Risiko ist doppelt so groß wie das eines Beschäftigten in der Landwirtschaft. Für den Ernstfall rät Beermann, im Angriff die Verteidigung zu suchen: Offene Gespräche seien der beste Weg aus der Mobbing-Misere. Vor allem Führungskräfte stünden dabei in der Verantwortung.

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