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„Putins Macht ist fast unbegrenzt“

Für Nikolai Petrow, Analyst am Moskauer Carnegie-Institut, hat die zweite Amtszeit des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin bereits im vergangenen Jahr begonnen.

Die Verhaftung und Anklage des Ölmagnaten Michail Chodorkowski wegen Betrugs und Steuerhinterziehung im Oktober 2003 und die Neubesetzung des Ministerpräsidenten mit dem loyalen Technokraten Michail Fradkow hätten gezeigt, dass Putin nunmehr „weder von Institutionen noch von einer starken Gesellschaft“ in seiner Macht begrenzt ist.

„Von seinem (Putins) Standpunkt aus, erscheint die Entwicklung von Jelzin zu Putin und von Putins erster Amtszeit zu seiner zweiten vernünftig und natürlich“, ortet Petrow eine Kontinuität in der postkommunistischen Zeit Russlands. Auch bei einer wissenschaftlichen Analyse könne man eher von einer „beschleunigten Evolution“ als von einer „Revolution“ sprechen, sagte Petrow bei einem vom Österreichischen Institut für Internationale Politik in Wien organisiertem Symposium.

Laut dem Politologen kontrolliert der russische Staat jetzt fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Die Großunternehmer („Oligarchen“) seien durch staatliche Einmischung geschwächt. Ebenso aber auch die Demokratie: „Politische Parteien sind beinahe verschwunden“. Die Kreml-Partei „Geeintes Russland“ – eine „administrative, keine ideologische Partei“ – habe zahlreiche unabhängige Abgeordnete des russischen Parlaments (Staatsduma) hinter sich gebracht. Nun halte sie faktisch die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit.

Petrow siedelt das Regime Putins zwischen der „chaotischen Demokratie“ unter dessen Vorgänger Boris Jelzin und einem autoritären System an. Leute aus dem Sicherheitsapparat, aus dem Putin stammt, sowie dem Militär würden mit der Mentalität, die sie verbreiten, die Staatsautorität dominieren.

„Die politische Maschine Jelzins war wie ein Auto, das alles hatte. Das Problem war, es bewegte sich überhaupt nicht. Putin hat versucht, das zu verbessern, indem er Teile entfernt hat. Jetzt bewegt sich das Auto – es ist nur zu vereinfacht“, verglich Petrow die beiden Regimes.

In der zweiten Amtszeit Putins kommen Petrow zufolge auf Russland Reformen in den Bereichen Bildung, Bankwesen und Regionenpolitik zu. Für die Tschetschenien-Politk sagte er einen Wechsel voraus. Die umstrittene Wahl des früheren Rebellen, dann Kreml-treuen Verwaltungschefs Achmat Kadyrow zum tschetschenischen Präsidenten sei wie ein Potemkin’sches Dorf. Sie habe keine stabile, wirkliche Lösung des Konflikts gebracht. Gleich nach der Wiederwahl Putins sei mit „militärischen Maßnahmen“ in der Kaukasus-Republik zu rechnen.

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