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"Weshalb die Herren Seesterne tragen": Die Suche nach Sinn und Glück

Zweiter Roman "Weshalb die Herren Seesterne tragen" als filigrane Suche nach Sinn und Glück
Zweiter Roman "Weshalb die Herren Seesterne tragen" als filigrane Suche nach Sinn und Glück ©Matthes & Seitz / dpa
Jungautorin Anna Weidenholzers zweiter Roman hat es zwar nicht auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft, ist aber dennoch ein großer Wurf. "Weshalb die Herren Seesterne tragen" ist unser Buch-Tipp der Woche.

Auf knapp 200 Seiten entspinnt die 1984 in Linz geborene Autorin Anna Weidenholzer, deren Erstling “Der Winter tut den Fischen gut” 2013 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, eine filigrane Suche nach Sinn und Glück.

Innere Dialoge mit zurückgelassener Ehefrau

“Wer unsere Gesellschaft verstehen will, muss Fragen stellen, das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl an Menschen, du weißt”, sinniert der pensionierte Lehrer Karl in einem seiner unzähligen inneren Dialoge mit seiner Frau Margit. Sie hat er Hals über Kopf verlassen, um an einem namenlosen Ort das Glück der dort lebenden Menschen zu erforschen. In zahlreichen Mailbox-Nachrichten berichtet er ihr von seinen Fort- und Rückschritten, in seinem Kopf begleitet sie sein Unterfangen mit guten Ratschlägen.

Dass das Glück nicht so einfach fassbar ist, auch nicht mit einem adaptierten Fragebogen zum “Bruttonationalglück” in Bhutan, muss Karl, der in einem Skiort ohne Schnee gelandet ist, bald bemerken. Mit einem Bus ist er bis zur Endstation gefahren, in dem kleinen Ort in den Bergen im leeren Hotel “Post” abgestiegen, dessen Wirtin ein strenges Regiment führt und die Hoheit über die Zimmertemperatur und den Wasserverbrauch behalten will. Als Interviewpartnerin ist sie ebenso unzugänglich wie auch M1, M2 oder F4 – die anderen anonymen Gesprächspartner dieses Orts, in dem man auf die ausbleibenden Touristen wartet.

Skurrilitäten des Alltags in Anna Weidenholzers Roman

Den Fragebogen abzuarbeiten, misslingt Karl Mal für Mal, schweifen doch nicht nur seine Gegenüber bald ab, sondern auch er selbst. In Erinnerungen und Erzählungen, die sich um Skurrilitäten des Alltags drehen oder um die bisher unbewusste Vereinsamung. All das erzählt Weidenholzer in Form eines Rückblicks, als Karl sich längst auf dem Heimweg befindet und in einem trostlosen Autobahnhotel abgestiegen ist und sich ein baldiges Wiedersehen mit seiner Frau Margit herbeiträumt. Doch auch innerhalb dieser Rückschau blendet Weidenholzer ansatzlos vor- und zurück, Szenen und Dialoge verschwimmen miteinander, was dem Leser höchste Konzentration abverlangt, um sich nicht im schlingernden Erzählstrom zu verlieren.

Kunstvoll: “Weshalb die Herren Seesterne tragen”

Weidenholzer schildert Bewegung und Stillstand, Hoffnung und Trostlosigkeit, ohne mit Höhepunkten oder Tiefschlägen um sich zu werfen. Der Zauber dieser Geschichte liegt zwischen den Zeilen, in den Leerstellen, die sich zwischen den Fragen nach dem Glück (die oft nur Fragen nach dem Tagesablauf sind) auftun. “Im Nachbarhaus werden die Rollläden geschlossen, und F4 fährt mit dem Zeigefinger den Rand der Kaffeetasse nach. 35. Wie oft hatten Sie in den vergangenen Wochen Angstgefühle? Dazu gäbe es viel zu sagen.” Viel gesagt wird dann doch nicht. Und das sagt mehr über Glück und Unglück aus, als man glauben mag.

Anna Weidenholzer: “Weshalb die Herren Seesterne tragen”, Matthes & Seitz Berlin, 190 Seiten, 20,60 Euro. Buchpräsentation am 28. September, 19 Uhr, im Literaturhaus Wien.

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(apa/red)

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