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Weitere internationale Pressestimmen zur BP-Wahl: "Aufstand gegen die Eliten"

Die Zeitungen schreiben am Dienstag zum Erfolg der FPÖ bei der BP-Wahl
Die Zeitungen schreiben am Dienstag zum Erfolg der FPÖ bei der BP-Wahl ©BilderBox.com (Sujet)
Auch am Dienstag thematisierten internationale Zeitungen weiterhin den Erfolg der FPÖ bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich.
Wahlschlappe für ÖVP & SPÖ
Erste internationale Stimmen

“Dagens Nyheter”: (Stockholm):

“Der Erfolg des Rechtspopulisten Norbert Hofer in der Präsidentenwahl in Österreich würfelt das Land und die ganze EU durcheinander. Dahinter liegen die gleichen politischen Strömungen, die schon Ungarn und Polen verändert haben. (…) Die Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik der Regierung wird für das Resultat als von Bedeutung angesehen, aber viele Forderungen der FPÖ wurden bereits umgesetzt. Im Herbst 2015 standen Österreich, Deutschland und Schweden im Streit um die Flüchtlingspolitik in der EU noch auf der gleichen Seite. Aber diese Front hielt nur so lange die Flüchtlinge das Land ungehindert durchqueren und nach Norden weiterreisen konnten.”

Presestimmen aus Skandinavien

“Helsingin Sanomat” (Helsinki):

“Von den früheren Präsidenten Österreichs am stärksten in Erinnerung ist Kurt Waldheim, der während seiner sechsjährigen Amtsperiode wegen seiner Aktivitäten im nationalsozialistischen System einem breiten internationalen Boykott ausgesetzt war. Sein Hintergrund löste zum Glück eine Debatte über die jüngste Geschichte des Landes aus. (…) Das zweite Mal, als Österreich Ziel eines Boykotts wurde, war im Jahr 2000, als die einwanderungsfeindliche und ultrarechte Freiheitliche Partei nach dem Wahlerfolg an die Regierung kam. In der ersten Runde der Präsidentenwahlen am Sonntag spielte die Partei nun erneut die Hauptrolle.”

“Aftenposten” (Oslo):

“Die FPÖ hat – wenig überraschend – den Widerstand gegen die Einwanderung als eines ihrer Hauptanliegen. Darin hat die Partei auch die derzeitige Regierung, eine Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen, beeinflusst. Österreich hat sich zum Beispiel durch die Sabotage einer gemeinsamen Haltung der EU in der Bewältigung der Flüchtlingswelle aus Syrien mit den meisten seiner Partner angelegt.”

Das schreiben die Zeitungen in Budapest, Prag und Warschau

“Magyar Idök” (Budapest):

“Die Österreicher wurden nicht von einem Tag auf den anderen zu Fremdenhassern, sondern sie wollen ein verschlissenes politisches System loswerden. Sie wollen jene zwei Parteien verabschieden, die sich in den letzten 70 Jahren an der Macht und in den wirtschaftlichen und sozialen Strukturen einbetoniert haben. Diese Parteien pfuschten in der Flüchtlingskrise herum, scheiterten bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise, verdoppelten innerhalb eines Jahres die Arbeitslosigkeit und verstrickten sich in Korruptionsskandale. Die FPÖ verkörpert deshalb einerseits den Protest, andererseits die Erneuerung.”

“Lidove noviny” (Prag):

“Norbert Hofers Triumph ist ein weiteres Steinchen im Mosaik, das sich Aufstand gegen die Eliten nennt. Das belegt der zweite Platz für Alexander Van der Bellen, denn auch er ist weder ein Repräsentant der etablierten Sozialisten noch der Konservativen. (…) Das ständige Regieren in großen Koalitionen hat in Österreich keine Chance mehr. Es sollte ursprünglich ein Regieren ohne Extremisten und Populisten ermöglichen. Dass die Vertreter der etablierten Parteien am Sonntag bereits in der ersten Runde versagt haben, ist ein klarer Beweis, dass dieser Weg in die Hölle führt. Das Wahlergebnis ist keine unmittelbare Reaktion auf die Migrationskrise. Österreich hat sich bereits im vorigen Jahr von der sogenannten Willkommenskultur losgesagt. Das reicht den dortigen Wählern zwar nicht, aber sie meutern in erster Linie gegen die Eliten, die sich den Staat untereinander aufgeteilt haben.”

“Gazeta Wyborcza” (Warschau):

“Österreich wird gewiss das erste Land der EU sein, an dessen Spitze ein Präsident einer äußerst rechten Partei sein wird. Doch das ist erst der Anfang, wenn die FPÖ im Jahr 2018 die Wahlen gewinnt und den Kanzler stellt. Heute kann sie in Umfragen auf jede dritte Stimme zählen. (…) Die Erfolge der FPÖ sind für Europa jedoch eine schlechte Nachricht. Nicht nur, weil (FPÖ Präsidentschaftskandidat Norbert) Hofer mit dem Motto ‘Österreich zuerst’ bei den Wahlen antritt und so seine Einstellung zu EU-Prinzipien demonstriert. Sein Sieg kann der Anfang einer Lawine sein. Die Liste der Länder, die von extrem rechten Parteien übernommen werden, könnte sich noch bedeutend verlängern.”

Rom, Zürich und Chemnitz zur BP-Wahl

“La Repubblica” (Rom):

“Der Erfolg des Kandidaten der extremen Rechten kam selbst für die Buchmacher unerwartet (…). Wer nach den tieferen Gründen für die österreichische Wende sucht, der braucht sich nur den Slogan der Liberalen zum brennendsten Thema anzuschauen. ‘Null-Zuwanderung’: Das ist die Lösung, die Strache und die Seinen vorschlagen. Jörg Haider, der Parteigründer, würde grinsen, wenn er noch am Leben wäre. (…)

Die Flüchtlingskrise bringt ein fast unaussprechliches Unbehagen ans Tageslicht, ob es sich nun gegen die afrikanischen Drogenhändler in der Thaliastraße oder um die Marokkaner am Praterstern richtet. Es ist wie immer: Mehr als an die wahren wirtschaftlichen oder logistischen Probleme wird an das Bauchgefühl appelliert und dabei das Unbehagen ausgenutzt, das der Massenzustrom der Anderen auslöst.”

“Neuen Zürcher Zeitung”:

“Auch etwa in Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland, Schweden oder Großbritannien befinden sich die jahrzehntelang das Staatswesen dominierenden traditionellen Volksparteien auf dem Rückzug. Sie werden bedrängt durch aufstrebende Protestparteien am rechten Rand, erst recht derzeit im aufgeheizten Kontext der Flüchtlingskrise: Schwedendemokraten, Front National, Alternative für Deutschland, United Kingdom Independence Party. Doch die Ursache dafür den sogenannten Rechtspopulisten in die Schuhe zu schieben, wäre zu einfach. Die Flüchtlingskrise ist nur ein Faktor dieser Entwicklung und nicht der wichtigste.

Zentral ist der von Globalisierung, technischem Wandel in der Arbeitswelt und dem Bedeutungsverlust konfessioneller Bindungen getriebene Auflösungsprozess sozialer Milieus, aus denen die Volksparteien schöpften. Die Gesellschaft ist in allen europäischen Staaten vielfältiger, vielschichtiger und wandelbarer geworden. Das spiegelt sich in einer entsprechenden Parteienlandschaft. Hinzu kommt das Misstrauen gegenüber den führenden Volksparteien, das nach durchlittener Finanz-, Euro- und Flüchtlingskrise durch Gefühle von Ohnmacht, Enttäuschung und mangelnder Fairness genährt wird.”

“Freie Presse” (Chemnitz):

“Haiders Populismus war unumstritten, wie seine Verbindungen zur extremen Rechten. Auch der heutige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache steht in dem Ruf einschlägiger Kontakte. Wenn allerdings der rechtsextreme Stallgeruch den Kern dieser Partei hinreichend erklären würde, hätte sie wohl kaum das Potenzial gehabt, das politische Österreich aus den Angeln zu heben. Mindestens ebenso wichtig war die Tristesse der Wiener Koalition aus ÖVP und SPÖ, den österreichischen Pendants von CDU und SPD, die in bewegten Zeiten (Stichwort Flüchtlingskrise) einen kopf- und planlosen Eindruck machte. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat sich binnen weniger Wochen vom Merkel-Befürworter zum -Gegner gemausert, offenbar wenig glaubhaft für die Österreicher. Es ist eine alte Lehre: Wer die Rechten kopiert, hilft dem Original.”

“Les Dernières Nouvelles d’Alsace” (DNA) (Straßburg):

“Mit seinem Gesicht des idealen Schwiegersohns, mit seinem zivilisierten Stil, der weit entfernt ist von den Exzessen anderer Parteikader, hat Norbert Hofer die Aufmerksamkeit der Wähler für sich gewinnen können. Wie alle Populisten hat er den Schwerpunkt auf die Angst vor Migrationswellen gesetzt und mit dem Gefühl des Aufgegebenseins einer Bevölkerung voller Selbstzweifel gespielt. Nach Ungarn, Polen, ganz zu schweigen von Serbien, ist jetzt auch Österreich den Sirenen der extremen Rechten verfallen. Das ist nicht mehr nur eine Warnung. Es ist ein Alarmsignal, das längst nicht mehr auf den Osten Europas beschränkt ist.”

>>Weitere Meldungen zur BP-Wahl 2016

(apa/red)

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