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Vorweihnachtliche Kindermädchen-Romanze: Hartliebs "Ein Winter in Wien"

Eine Buchhandlung, ein berühmter Dichter ein verliebtes Kindermädchen: "Ein Winter in Wien" von Petra Hartlieb
Eine Buchhandlung, ein berühmter Dichter ein verliebtes Kindermädchen: "Ein Winter in Wien" von Petra Hartlieb ©Kindler / APA/HERBERT NEUBAUER
Wenn eine bekannte Wiener Buchhändlerin die Uhr zurückdreht und in ein romantisches Weihnachtsmärchen rund um ein Kindermädchen entführt, das im Haushalt des Dichters Arthur Schnitzler tätig ist: "Ein Winter in Wien" von Petra Hartlieb ist unser Buch-Tipp der Woche.

Die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb hat bereits in “Meine wundervolle Buchhandlung” eingehend beschrieben, wie schön und anstrengend es ist, eine Buchhandlung zu führen. In ihrem neuen Buch begegnet man erneut ihrem in der Währinger Straße gelegenen Geschäft. “Ein Winter in Wien” dreht die Uhr allerdings über 100 Jahre zurück. Die Protagonistin ist Kindermädchen in einem prominenten Dichterhaushalt.

Ein typisches Frauenschicksal im Jahr 1911 – bei Schnitzlers

Der nur mehr als Schriftsteller tätige Arzt Arthur Schnitzler tritt dem Leser dieser längeren Erzählung in etwa so entgegen, wie man ihn auf dem berühmten Familienfoto aus dem Atelier von Madame d’Ora kennt: als saturierter, stattlicher Herr, Gatte einer um 20 Jahre jüngeren Frau (Olga Schnitzler) und Vater zweier Kinder, Heinrich (1902-1982) und Lili (1909-1928). Wir schreiben das Jahr 1911, die Kinder sind neun und zwei Jahre alt und werden von Marie Haidinger gehütet, einer schüchternen Bauerntochter, die von ihrer meist missgelaunten Dienstherrin schon mal “Landpomeranze” genannt wird.

Das Leben Maries, wie es Hartlieb schildert, ist über weite Strecken ein typisches Frauenschicksal jener Zeit: Vor einem bitteren Los als ökonomisch und sexuell ausgebeutete Magd in die Stadt geflohen, fristet sie in der kaiserlichen Residenzstadt eine Armutsexistenz. Doch sie hat Glück und kommt schließlich bei Schnitzlers in einem noblen Haus im Cottageviertel nahe des Türkenschanzparks unter, wo sie schon bald die ihr anvertrauten Kinder lieb gewinnt und sich fast wie im Schloss fühlt.

“Ein Winter in Wien”: Zarte Liebesbande zu einem Buchhändler

Hartlieb verzichtet auf das Naheliegende, dass nämlich der Hausherr, als Liebhaber “süßer Mädln” nicht nur literaturnotorisch, ein Auge auf das junge, hübsche Kindermädchen wirft. Stattdessen lässt sie eine zartes Liebespflänzchen zwischen Marie und dem in der Buchhandlung Friedrich Stock (einem der Vorgänger von Hartlieb) arbeitenden jungen Buchhändler Oskar gedeihen.

Zwischen dem großbürgerlichen Dichter-Haushalt, dem kleinen Angestellten-Leben und dem von ständiger Existenzangst geprägten Kindermädchen-Dasein entwickelt Petra Hartlieb ihre Romanze, garniert mit ein wenig Schmalz, etwas Sozialkritik und ganz viel Schnee, der sich wie Puderzucker über das vorweihnachtliche Wien legt.

Petra Hartlieb liefert Weihnachtsmärchen – ideales Buch-Geschenk

Den verliebten Oskar lässt sie gehörig unter dem Weihnachtsstress stöhnen. Die Weihnachtszeit ist für den Buchhandel die mit Abstand umsatzträchtigste Zeit des Jahres. Hartlieb hat dies in “Meine wundervolle Buchhandlung” eindrucksvoll geschildert. Nun hat sie selbst ein ideal als Geschenk geeignetes Weihnachtsmärchen vorgelegt. Man mag das allzu wohlkalkuliert nennen. Doch “Ein Winter in Wien” ist ganz und gar harmlos und wird niemandem wehtun – außer dem Rücken der Autorin selbst, wenn sie wieder einen neuen Stapel ihrer Bücher auf ihren Ladentisch wuchten muss. Sie wird es wohl gerne verschmerzen.

“Ein Winter in Wien” von Petra Hartlieb, Kindler Verlag, 174 S., 17,40 Euro

Lesung am 27. Oktober 2016 in der Dombuchhandlung, Wien 1, Stephansplatz 5

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(apa/red)

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