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So werden die Ziesel von Floridsdorf erforscht

Erwischt! Mit ein wenig Erdnussbutter lassen sich die scheuen Ziesel von Floridsdorf in die Falle locken.
Erwischt! Mit ein wenig Erdnussbutter lassen sich die scheuen Ziesel von Floridsdorf in die Falle locken. ©vienna.at/Paul Frühauf
Die Ziesel von Floridsdorf sind unter dem wissenschaftlichen Mikroskop angelangt. Ilse Hoffmann von der Uni Wien ist Wiens gefragteste Expertin für Ziesel und Feldhamster, auf deren Heimatwiese im 21. Bezirk Wohnhäuser erbaut werden sollen.
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Gegen die geplanten Bauten läuft ja, wie berichtet, eine Bürgerinitiative Sturm. Naturgemäß gibt es bei jeder Geschichte mehrere Seiten, daher haben wir uns auch mit Zieselexpertin Ilse Hoffmann unterhalten. Dafür haben wir die Forscherin vor Ort im 21. Bezirk bei der Arbeit beobachtet. Mit dabei: Eine Repräsentantin des Bauträgers, der dort bauen möchte.

Ziesel von Floridsdorf: Gefangen, markiert, freigelassen

Grundsätzlich passiert den Tierchen gar nichts. Kein Wunder, sie stehen immerhin an erster Stelle auf der Liste der gefährdeten Arten. Doch warum eigentlich? Nagetiere sind eigentlich dafür bekannt, sich rasend schnell fortzupflanzen? Ziesel-Expertin Ilse Hoffmann: “Bei Zieseln ist das ein wenig anders, sie halten nämlich Winterschlaf und zwar je nach Geschlecht mindestens ein halbes Jahr lang. Im März wachen dann zuerst die Männchen auf und beginnen zu fressen. Wenn die Weibchen etwas später aufwachen, ist Paarungssaison. Eine Zieseldame bekommt nur ein Mal pro Jahr Nachwuchs und ein Wurf hat rund zwei bis zehn Junge.”

Was passiert jetzt weiter?

Nach diesem kleinen Ausflug in die Sexwelt der Ziesel von Floridsdorf kommen wir auf das eigentliche Anliegen zurück: Was genau passiert eigentlich hier und welches Ziel wird verfolgt?

“Mein Auftrag ist festzustellen, wie viele Tiere es eigentlich hier gibt und wie sie sich bewegen.” Dafür ist für die Forscherin, die ihr improvisiertes Labor am Rande der Ziesel-Wiese aufgebaut hat, vor allem eins wichtig: sehr viel Geduld. Denn die Erdhörnchen sind scheu. Näher als auf Fernglasdistanz kann man ihnen erst kommen, nachdem sie in den Drahtfallen gefangen sind.

Gehen die Ziesel über die Brücke?

Die Kapitalfrage ist: Wechseln die Tiere über eine Brücke, die den Marchfeldkanal überspannt? Das würde laut Ilse Hoffmann bedeuten, dass jenseits des Marchfeldkanals ein adäquates Ausweichquartier möglich wäre. Denn das, was im Bebauungsplan als Fläche Nummer drei verzeichnet ist, wird definitiv nicht ausreichen. Die Frage, die sich Ilse Hoffmann jetzt stellt ist: Sind die Tiere bereit, ‘ihre’ Wiese zu verlassen und auch über den Marchfeldkanal zu marschieren?

Wie die Tierchen verfolgt werden, ist gleichzeitig einfach und aufwändig. Zuerst werden Fallen ausgestellt, kleine Goodies locken sie hinein. Dann werden sie vermessen (die Ziesel von Floridsdorf sind tendenziell etwas klein und mager), mittels einer brutal aussehenden aber schmerzfreien Spritze mit einem Chip versehen und dank Haarfarbe mit ‘Turbostreifen’ versehen, die sie auch auf die Entfernung erkennbar machen.

Nach dieser Behandlung, die rund zehn Minuten dauert, werden sie wieder bei ihrem Loch ausgesetzt und verschwinden blitzartig darin.

Von den geschätzten 800 Tieren in und um das Areal des Heeresspitals wurde bei unserem Besuch gerade das siebte markiert. 80 sollen es bis September noch werden. Die Studie läuft auch 2013 weiter.

Keine Agenda mit den Zieseln von Floridsdorf

Den Vorwürfe der Bürgerinitiative, auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten, entgegnet die Zieselexpertin: “Ich nehme ausschließlich den Ist-Zustand auf und arbeite nicht auf ein bestimmtes Ergebnis hin.” Und die freundliche PR-Dame, die über unser Gespräch wacht, wirft ein: “Es handelt sich um einen gemeinnützigen Bauträger, der nicht auf Gewinn aus ist. Die Vorwürfe der Bürgerinitiative sind haltlos.”

Hoffnung für Ziesel und Anrainer

Sollte dieser Ist-Zustand ergeben, dass die Ziesel nicht wandern und auch die Ausweichfläche nicht ausreichend ist, dann ist das Bauprojekt wohl gestorben, da es umweltrechtlich nicht möglich ist, den Lebensraum einer derart gefährdeten Art zu verbauen. Gehen sie jedoch über die Brücke, wird man noch genauer hinschauen müssen. Denn dann haben die Ziesel von Floridsdorf eine Chance, eine schöne neue Heimat zu finden – und gleichzeitig Platz für viele Wohnungen zu machen.

(PFR)

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