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Roland Düringers Verzicht-Experiment: "Leb wohl, Schlaraffenland"

Nicht nur optisch verändert: Roland Düringer - damals und heute
Nicht nur optisch verändert: Roland Düringer - damals und heute ©APA
Leben wie in den Siebzigerjahren, in denen der bekannte Kabarettist und Schauspieler aufgewachsen ist - das praktiziert Roland Düringer heute wieder. In seinem Buch "Leb wohl, Schlaraffenland. Die Kunst des Weglassens" erzählt er von seinem Experiment wider den Überfluss, die Wohlstands- und Konsumgesellschaft. VIENNA.AT hat das Buch für Sie gelesen.
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Düringers Verzicht-Experiment
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Ohne Handy, ohne Internet, ohne Supermärkte, ohne Fernsehen … Wäre die Welt wieder langsam und überschaubar wie in den Siebzigerjahren, wären wir dann wirklich glücklicher? Roland Düringer wollte es wissen.

Weglassen, was man eigentlich nicht braucht

1963 geboren, lebt der Kabarettist seit einem Jahr wieder mit den – diesmal selbst gewählten – Rahmenbedingungen seiner Kindheit. Jetzt legt er seinen Bericht darüber vor – in Form des Buches “Leb wohl, Schlaraffenland. Die Kunst des Weglassens”.

Düringer führt darin einen Dialog mit dem Autor Clemens G. Arvay über die großen philosophischen Fragen des Lebens.

Das Verzicht-Experiment des Roland Düringer

Seit dem 2. Jänner 2013 läuft Düringers Selbstversuch des Verzichtens auf moderne Annehmlichkeiten,wie Handy, Internet und Fernseher bzw. moderne Medien, die ihm zufolge ein zweischneidiges Schwert sind. Ebenso lang führt der 50-Jährige bereits sein digitales Tagebuch, in dem er seine Erfahrungen und Schritte auf diesem Weg festgehalten hat.

Am Anfang stand der Entschluss

dueringerbuchWie er in dem Buch rekapituliert, feierte Düringer in den Neunzigerjahren als Kabarettist und Schauspieler einen Erfolg nach dem anderen, realisierte dann aber, dass ihm dies auf persönlicher Ebene und für sein Selbstbild nicht gut tat. Sein erster Schritt, mit dem er die Erwartungen der Zuseher ganz bewusst unterlief, war das Programm “Die Viertelliterklasse”.

Damit entschied er sich ganz bewusst gegen seinen unter anderem durch das Programm “Die Benzinbrüder” erlangten Erfolg und stieß so manchen Fan vor den Kopf. Dadurch war der Grundstein gelegt für Düringers kritischere Auseinandersetzung mit dem Thema Eigenverantwortung und freie Entscheidungen, die jeder von uns hat.

Ein Wutbürger mit Holzkugeln im Bart

Ein weiterer Meilenstein des neuen, anderen Düringer war seine “Wutbürger”-Rede, die große mediale Aufmerksamkeit erregte. Darin ging es um die Missstände der Lohnarbeit, die breite, arbeitende Masse und so manches, was in unserem System schiefläuft.

Seither hat sich Düringer unter anderem optisch stark verändert. Sein Aussehen mutet inzwischen etwas Hippie-mäßig an – Holzkugeln im Bart inklusive, womit er nach seinen eigenen Erzählungen mehr aneckte, als man vielleicht glauben mag.

Von Bedürfnissen, die künstlich kreiert sind

Was Düringer nun wichtig ist und auch als “Stempel” auf dem Cover seines Buches prangt, ist das Bewusstsein: “Du bist eine gültige Stimme”. Wofür man sich entscheidet, hat einen Einfluss – zunächst vielleicht nur in seinem eigenen kleinen Lebensumfeld, auf längere Sicht aber auf die Welt. Das beginnt laut Düringer beim täglichen Einkaufen bzw. Konsumieren.

Dem Kabarettisten zufolge sollte man sich bei jedem Akt des Konsums die Frage stellen: “Brauche ich das wirklich – oder will ich das nur haben?”

Düringer nimmt sich selbst gar nicht aus, wenn es um die künstliche Konstruktion von Bedürfnissen und die Lust am Kaufen geht – hat man das Gewünschte dann, wird es rasch uninteressant, und man möchte wieder etwas anderes haben. Dieses Suchtverhalten betrifft die meisten von uns in der einen oder anderen Form. Aus diesem System wollte Düringer aussteigen bzw. hat es mit seinem Experiment erfolgreich getan.

Vom Auto-Narr zum Öffi-Fahrer

Der Auto- und Motorrad-Narr erzählt im Buch von einer Phase seines Lebens, in der er nicht genug Sportwagen in seiner Garage ansammeln konnte. Um den Nutzen der Fahrzeuge ging es dabei schon lange nicht mehr – nur um das “Haben-Wollen”. Heute sind seine Prioritäten ganz klar andere.

Auf das Motorrad-Fahren, seine große Leidenschaft, will der Kabarettist und Schauspieler zwar nicht verzichten, doch für seine privaten Wege wählt er nun, wo immer möglich, die Öffis – und berichtet begeistert davon, was er erlebt, wenn er nicht vom Rest der Welt abgeschottet in seinem “Blechkübel” unterwegs ist.

Visionen einer düsteren Zukunft

Düringer unterscheidet “Schlaraffenland” ganz klar von “Paradies”. Ersteres ist der Zustand, in dem wir leben: in einer Überflussgesellschaft des “Größer – schneller – weiter – mehr”, konfrontiert mit Millionen Möglichkeiten, die uns im Grunde stressen und überfordern. Zu schätzen weiß man dabei immer weniger.

Wie Düringer ausführt, hat das “moderne”, “bequeme” Leben, wie wir es kennen, ein Ablaufdatum. Die Natur wird zurückschlagen, das System sich selbst ad absurdum führen bzw. vernichten, unkt er. Dann werden alte Werte wieder mehr Gewicht gewinnen. Das ideale Modell des Zusammenlebens ist für Düringer das Dorf. Menschen, die einen kennen, einem helfen, mit denen man in einer Gemeinschaft des Miteinanders lebt.

Düringer liefert Denkanstöße

Dass er privilegiert ist, so leben zu können, wie er es tut, und nicht wie der große Rest der Bevölkerung auf “Lohnarbeit” zum Überleben angewiesen zu sein, ist dem Kabarettisten durchaus bewusst. Dass derlei Experimente nur machen kann, wer die Chance hat, es sich auszusuchen, auch. Dennoch will Düringer mit seinem Buch zum Umdenken anregen.

Fazit: “Leb wohl, Schlaraffenland. Die Kunst des Weglassens” liefert spannende Denkanstöße und Ideen, wie man vielleicht auch – und möglicherweise wesentlich besser – leben könnte. Wagen muss das Experiment jedoch letztlich jeder selbst.

(DHE)

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