Mordprozess in Wien: 17-Jähriger trat in Favoriten Frühpensionisten tot

Im Wiener Straflandesgericht ein 17-jähriger Bursch einem Schwurgericht (Vorsitz: Norbert Gerstberger) erklärt, weshalb er in der Nacht auf den 25. Mai 2012 einem 48 Jahre alten Frühpensionisten einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und dem am Boden Liegenden drei wuchtige Fußtritte versetzte.
“Er hat plötzlich zu schimpfen begonnen, das hat mich wütend gemacht”, so der Angeklagte. Der Mann erlag am folgenden Tag im AKH seinen schweren Kopfverletzungen.
Die Bluttat in Favoriten
Der beschäftigungslose Angeklagte hatte mit dem späteren Opfer und einem gemeinsamen Freund den Abend verbracht, indem man gemeinsam Musik hörte, Bier und Wein trank und rauchte. “Nachschub” besorgte sich das Trio in einer Tankstelle und danach in einem Kaffeehaus in Wien-Favoriten. Am Heimweg soll der 48-Jährige dann zu stänkern begonnen haben. “Es hat immer Auseinandersetzungen gegeben, wenn er alkoholisiert war. Er ist ungut geworden”, berichtete der Angeklagte.
Seine Stimmung schlug um (“Bis dahin war der Tag super”), als der Bekannte gegen seine Mutter loszog. Der 17-Jährige versetzte dem Mann darauf in der Rotenhofgasse einen derart wuchtigen Schlag, dass dieser durch eine geschlossene Haustür aus Glas stürzte: “Ich bin ihm leider Gottes nachgegangen und hab’ mit meinem Fuß zwei bis drei Mal auf seinen Kopf geschlagen. Ich wollte einfach, dass er aufhört zu schimpfen.”
“War kein Mord”
“Ich halte ihn für keinen Mörder. Ich bestreite, dass er töten wollte. Es fehlt alles, was zu einem Mord dazu gehört: Motiv, Tatplan, eine Waffe. Es war ein spontaner Aggressionsausbruch des Burschen”, deponierte Verteidiger Christian Werner.
Die Tritte fielen allerdings derart heftig aus, dass sich auf dem malträtierten Kopf noch die Schuhabdrücke des Täters abzeichneten und die Polizei anhand des Profils jene Schuhe beschlagnahmen konnte, die der Bursch zum Tatzeitpunkt getragen hatte.
“Ich werd einfach aggressiv”
“In dem Moment hab’ ich nicht nachgedacht. Ich werd’ einfach aggressiv, wenn ich was trinke”, gab der Jugendliche zu bedenken, der laut einem psychiatrischen Gutachten deshalb Freundschaften zu wesentlich älteren Männern pflegt, weil er in diesen “Vaterfiguren” sieht. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er drei Jahre alt war. Er wuchs bei seiner Mutter auf und bekam den leiblichen Vater dann kaum mehr zu sehen.
Das Opfer ließen der 17-Jährige und sein 29 Jahre alter Begleiter (“Er ist mein bester Freund”) einfach liegen. “Ich habe nicht gedacht, dass die Verletzungen so groß sind”, sagte der Angeklagte.
Frühpensionist zufällig gefunden
Der 17-jährige musste allerdings einräumen, die Brieftasche des Röchelnden an sich genommen und Banknoten eingesteckt zu haben. Er habe “gehofft, dass er aufsteht und heimgeht. Wo die Polizei gekommen ist, war die Hoffnung weg”.
Der Frühpensionist war eine bis zwei Stunden nach der Tat von einer Hauspartei zufällig entdeckt worden. Zunächst war vermutet worden, der Mann habe sich bei einem Sturz ohne Fremdverschulden die lebensgefährlichen Kopfverletzungen zugezogen.
Der Begleiter des 17-Jährigen, der die gewalttätigen Szenen mitbekommen und nicht eingegriffen hatte, bekommt demnächst ein eigenes Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung.
“Habe mich falsch verhalten”
“Ich habe mich falsch verhalten”, sah der 17-Jährige nach Schluss des Beweisverfahrens ein. Auf die Beschimpfungen des Frühpensionisten hin hätte er nicht hinschlagen sollen: “Ich hätte mich umdrehen und weggehen sollen.”
Wien. Während die Staatsanwältin die Geschworenen um einen Schuldspruch wegen Mordes und eine tat- und schulangemessene Bestrafung ersuchte, plädierte Verteidiger Christian Werner in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge: “Mord war das meiner Meinung nach niemals einer.” Die Anklage sei “überzogen”.
Mit dem Urteil um den Todesfall in Favoriten war nicht vor 18.00 Uhr zu rechnen.
(apa/red)