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Kolumbianischer Rock-Musiker erstach Ehefrau: Mordprozess in Wien beginnt

Vor Gericht: Der 44-jährige Juan A., der seine Ehefrau mit 13 Messerstichen in Gegenwart ihrer 4-jährigen Tochter getötet haben soll
Vor Gericht: Der 44-jährige Juan A., der seine Ehefrau mit 13 Messerstichen in Gegenwart ihrer 4-jährigen Tochter getötet haben soll ©APA (Sujet)
Ein Streit zwischen dem Rockmusiker Juan A. aus Kolumbien und seiner Frau eskalierte im Juli 2012 derart, dass Charlotte B. am Ende mit 19 Messerstichen getötet in ihrer Wohnung im dritten Stock lag. Die noch nicht ganz vierjährige Tochter der beiden erlebte die Schreckenstat mit, nach der der Musiker aus dem Fenster sprang. Nun findet der Prozess in Wien statt.
Beim Prozess in Wien
Verdächtiger im Tiefschlaf
Paar hatte sich getrennt
Tödliches Beziehungsdrama
Bilder vom Tatort

Es waren schreckliche Szenen in der Nacht auf den 7. Juli 2012 in der Darwingasse in Wien-Leopoldstadt. Der kolumbianische Musiker Juan A. griff bei einem eskalierten Streit der Anklage zufolge zum Messer und tötete seine Ehefrau mit 19 Messerstichen. Der 44-Jährige hatte sich kurz danach aus dem Schlafzimmerfenster gestürzt und war zwölf Meter tiefer auf dem Gehsteig aufgeschlagen. Die gemeinsame noch nicht vierjährige Tochter musste die Bluttat mitansehen.

Mordprozess nach Bluttat in Leopoldstadt

Am Mittwoch musste sich Juan A., der seinen Sturz knapp überlebt hatte, wegen Mordes vor einem Schwursenat im Wiener Landesgericht (Vorsitz Martina Krainz) verantworten. Auf Krücken erschien der Angeklagte vor Gericht. In den bisherigen Einvernahmen konnte er sich nicht an die Tat erinnern, was Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel in ihrem Eröffnungsplädoyer durchaus für möglich hielt. Er sei lange im Koma gewesen.

“Ein Geschehen, das wir nicht wahrhaben wollen, spalten wir ab. Wir können uns nicht erinnern, wirklich nicht”, nannte die Anklägerin als einen der möglichen Gründe für seine Gedächtnislücken. Es sei aber möglich, dass die Erinnerung mit zunehmender Distanz zurückkehre. So war es auch bei dem Musiker.

Beziehung war erst harmonisch

Die Beziehung zu seiner 15 Jahre jüngeren Frau sei anfangs harmonisch gewesen. Juan A. war Mitglied einer in Lateinamerika offenbar sehr bekannten panamaischen Metal-Formation, und in dem mittelamerikanischen Staat lernte er auch seine spätere Frau kennen. Das Paar ging nicht zuletzt wegen der schlechten Gesundheit seiner Mutter in seine Heimatstadt Bogota zurück, wo auch die gemeinsame Tochter im Jahr 2008 geboren wurde. Letztlich wollte das spätere Opfer nach Österreich zurück. Man zog nach Stegersbach.

Musiker konnte sich schwer integrieren

Während Charlotte B. sich in eine Ausbildung im pflegerischen Bereich und in die Arbeit stürzte, fiel ihrem Mann die Integration nicht so leicht. Neben einen Deutsch-Kurs kümmerte er sich um Kind und Haushalt, holte seine Frau von der Arbeit ab, versuchte seine Musik-CDs zu vertreiben und arbeitete zu Hause als Grafik-Designer. “Ich war für alles zuständig”, sagte Juan A. Eine Freundin von Charlotte B. hatte hingegen angegeben, dass die Frau sich um alles gekümmert habe.

Das war einer der Punkte für immer häufiger werdende Auseinandersetzungen. Auch der Umzug nach Wien in die Darwingasse brachte keine Besserung in der Beziehung. Zwei Wochen vor der Bluttat kam es schließlich auf Initiative von Charlotte B. zur Trennung. Sie dürfte dabei auch ein Auge auf einen Freund von Juan A. geworfen haben. Der Angeklagte war jedoch weder mit der Trennung noch mit seinem potenziellen Nachfolger an der Seite seiner Frau einverstanden. Dennoch half er nach seinen Angaben seiner Frau weiter bei der Betreuung der Tochter und auch im Haushalt.

Streit eskalierte schließlich

In der Nacht auf den 7. Juli eskalierte die Situation endgültig: Charlotte B. wollte eigentlich mit einer Freundin ihre Beziehungsprobleme diskutieren, diese sollte auch bei ihr schlafen. Doch als die Freundin in die Wohnung kam, saß auch Juan A. dort und diskutierte mit seiner Frau. Die beiden Frauen brachten ihn jedoch dazu, dass er das Appartement verließ.

Charlotte B. begleitete den Angeklagten hinunter. Er wollte sie überreden, auf die Prater Hauptallee mitzukommen, um weiterzudiskutieren. Charlotte B. lehnte dies nach Rücksprache mit ihrer Freundin aber ab. Es folgten mehrere Telefonanrufe von ihm, bis sich die Freundin mit ausgesprochen schlechtem Gefühl entschloss, die Wohnung zu verlassen.

Juan A. griff zum Messer

Kurze Zeit später kam Juan A. zurück. Laut Anklage kam es zu einem weiteren Streit. Es ging laut Juan A. um seine todkranke Mutter, die er in Bogota besuchen wollte, gegen den Willen von Charlotte B., die um die weitere Betreuung der Tochter fürchtete. Das Kind schlief zunächst in seinem Zimmer. “Charlotte war sehr temperamentvoll, sie hat mich geschlagen und mit Gegenständen beworfen”, schilderte der Rockmusiker. Auf einer Kommode im Schlafzimmer lag ein Messer, das das Opfer dem 44-Jährigen zufolge für Töpferarbeiten benutzte. “Ich habe das Messer genommen und gesagt: Nicht weiter. Es hätte genauso gut sein können, dass sie das Messer nimmt.”

Schließlich habe Charlotte B. ihn angegriffen, “ich habe mich gewehrt”, schilderte Juan A. “Ja, ich kann mich erinnern, dass ich hingestochen habe. Das letzte Mal war in der Herzgegend.” Laut Anklage waren es 19 Stiche, die beim Opfer die Herzkammer eröffneten. Die Frau verblutete wenig später innerlich im Krankenhaus.

“Der Papa hat die Mama tot gemacht”

Durch den Streit und die Schreie seiner Mutter war das kleine Mädchen aufgewacht. Nachbarn stürmten ebenfalls in den dritten Stock. Das Kind konnte die Tür zur Wohnung nicht öffnen, schilderte den Hausbewohnern aber: “Der Papa hat die Mama tot gemacht, und der Papa ist auch tot.” Die Nachbarn traten die Tür ein und brachten das Mädchen aus der Wohnung. Kurze Zeit später war auch die Polizei schon eingetroffen.

Für Juan A. war es hingegen undenkbar, dass sich seine Tochter einer derartigen Diktion bediente. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass das Kind die Bluttat als solche wahrgenommen habe. “Sie hat geglaubt, dass wir spielen so wie früher, aber ohne Messer”, meinte er vor Gericht. Die Vierjährige befindet sich mittlerweile in einer Pflegefamilie.

“Ich verfolge euch aus der Hölle”

Eine relativ große Rolle für das Motiv des Angeklagten Juan A. dürfte die Zuwendung seiner Frau zu einem Freund von ihm gespielt haben. Vor Gericht kam auch ein Brief zur Sprache, den er Charlotte B. kurz vor der Bluttat zukommen ließ. Darin beschimpfte er seinen Freund als “den ersten Zwerg, der dir über den Weg läuft, er ist ein Hurensohn”.

An Charlotte B. direkt gerichtet, meinte er: “Verdammt sei der Tag, an dem ich dich geheiratet habe. (…) Ich verfolge euch aus der Hölle (…).” Und Charlotte B. werde “ihre Betrügereien teuer bezahlen”. Von der Vorsitzenden Richterin Martina Krainz dazu befragt, meinte er: “Ich wollte das einfach ganz klar ausdrücken.”

Angeklagter kann sich schwer erinnern

Der psychiatrische Gutachter sah sich durch das zurückgekehrte Erinnerungsvermögen von Juan A. vor eine neue Situation gestellt. Er schloss aber eine Begehung im Affekt nicht zuletzt wegen der Tatausführung und des langen Tatablaufs mit mehr als zwölf Stichen sowie einem Biss ins Ohr und dem Würgen mit einem Seil aus. Er bescheinigte dem Angeklagten auch Empathiedefizite gegenüber dem Opfer.

Die Verhandlung wird am kommenden Mittwoch, dem 15. Mai, um 9.30 Uhr im Saal 303 des Wiener Landesgerichts fortgesetzt. Geplant ist die Einvernahme weiterer Zeugen und die Expertisen weitere Gutachter, bevor das Urteil in dem Verfahren gesprochen werden soll.

(apa/red)

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