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Diplomatisches Geschick könnte Schönborn bei der Papst-Wahl nutzen

Kardinal Christoph Schönborn gilt als einer der Favoriten bei der Papst-Wahl.
Kardinal Christoph Schönborn gilt als einer der Favoriten bei der Papst-Wahl. ©EPA
Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn gilt als einer der Favoriten bei der bevorstehenden Papst-Wahl. Das liegt auch an seinem diplomatischen Geschick, denn er könnte konservative wie liberale Gläubige gleichermaßen zufriedenstellen.
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Nicht nur statuierte er nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle mit der “Opferschutzanwaltschaft” ein Exempel im offensiven Umgang mit dem Thema. Auch mit aufkeimenden rebellischen Tendenzen in der Priesterschaft ist der Dominikaner souverän umgegangen.

Als Schönborn 1995 aufgrund eines Missbrauchs-Vorwurfs gegen Hans-Hermann Groer dessen Amt als Wiener Erzbischof übernahm, konnte er nicht ahnen, dass dieses Thema bis zuletzt seine Amtszeit prägen würde. So beließ er es nicht bei demonstrativem Verständnis und mantrahaft wiederholtem Bedauern, als sich ab 2009 nach und nach weitere Opfer kirchlicher Einrichtungen mit Missbrauchsvorwürfen meldeten. Im März 2010 überraschte er die erboste Öffentlichkeit mit der Einrichtung der “unabhängigen Opferschutzanwaltschaft” unter der Leitung der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic.

Über den Wiener Erzbischof

Freilich gab es an dem Coup, der von Kritikern als bloße Krisen-PR bezeichnet wurde, auch Einiges auszusetzen. So hatte Schönborn zwar darauf bedacht genommen, die Mitglieder der “Klasnic-Kommission” aus unterschiedlichsten beruflichen Feldern und politischen Richtungen zu rekrutieren. Allerdings war es die ehemalige ÖVP-Politikerin selbst, die vielen als zu eng mit der Amtskirche vernetzt schien. Und auch die betonte Unabhängigkeit der Anwaltschaft von der Erzdiözese Wien wurde immer wieder infrage gestellt. Dennoch kann schwer bestritten werden, dass die von der Kirche eingerichtete Stiftung Opferschutz finanzielle Entschädigungen sowie Therapieplätze zugesprochen hat.

Schönborn gilt als Krisenmanager

Seinen Ruf als “Krisenmanager” hatte Schönborn früh etabliert. Seit 1991 Wiener Weihbischof, verdankte er seinen größten Karrieresprung der schwersten Kirchenkrise Österreichs. Nachdem sein Vorgänger Groer wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs von Zöglingen abtreten musste, wurde Schönborn im September 1995 Wiener Erzbischof. Als solcher betrieb er auch die Demontage des streitbaren St. Pöltner Bischofs Kurt Krenn, der im Herbst 2004 über eine Sexaffäre an seinem Priesterseminar stolperte. Dabei gilt Schönborn grundsätzlich als konfliktscheu. So entließ er im Jahr 1999 seinen Generalvikar Helmut Schüller, indem er ihm kurzerhand den “Blauen Brief” unter der Tür durchschob.

Schüller war es auch in weiterer Folge, der Schönborns diplomatisches Geschick an einer weiteren Front herausforderte. Als der Sprecher der reformfreudigen und Vatikan-kritischen “Pfarrer-Initiative” mehr und mehr Geistliche hinter sich sammeln konnte, vergrämte der Wiener Erzbischof weder die Reformer zur Gänze, noch die Kirchenleitung in Rom. Zwar kommunizierte Schönborn keineswegs offensiv mit den unzufriedenen Pfarrern, drastische Strafen – abgesehen von der Nicht-Verlängerung eines Dechantamts für einen “ungehorsamen” Pfarrer – blieben aber bisher aus. Auch die Aberkennung des päpstlichen Titels “Monsignore” für Schüller durch den Vatikan selbst kann lediglich als sanfte Rüge interpretiert werden.

Diplomatisches Geschick häufig unter Beweis gestellt

Auch in einem anderen heiklen Feld hat Schönborn den Spagat zwischen Rom-Treue und Volksnähe gemeistert: Als sich ein Pfarrergemeinderat in Schönborns Erzdiözese Wien zu seiner Homosexualität bekannte, entschied sich Schönborn trotz Proteste des dortigen Pfarrers für den Verbleib des Mannes im Gremium. Zwar betonte der Kardinal, dass die Kirche ihre Haltung gegenüber Homosexuellen nicht ändere. Dennoch sei er nach einem Gespräch mit dem Mann von dessen “gläubiger Haltung, seiner Bescheidenheit und seiner gelebten Dienstbereitschaft sehr beeindruckt” gewesen.

Für internationales Aufsehen sorgte Schönborn im Juli 2005 mit einem evolutionskritischen Text in der “New York Times”, in dem er sich auch für die Theorie des “Intelligent Design” starkmachte. Im “Darwin-Jahr” distanzierte er sich wieder von solchen Aussagen.

Papst-Wahl eine schwierige Aufgabe

Ungewöhnlich offen übte Schönborn zuweilen auch Kritik an der Kirchenleitung in Rom. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz verfasste er nach der letztendlich missglückten Ernennung des erzkonservativen Gerhard Maria Wagner zum Linzer Weihbischof einen geharnischten Hirtenbrief, der vor allem der Nuntiatur in Wien galt. Aufgrund öffentlicher Kritik an Kardinaldekan Angelo Sodano musste Schönborn in Rom vorsprechen.

Als Redakteur des Weltkatechismus und enger Vertrauter des zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. genießt der Geistliche adeliger Abstammung dennoch höchste Anerkennung auch in konservativen Zirkeln Roms. Sollten diese Eigenschaften für den Heiligen Stuhl ausreichen, wird die Suche nach einem geeigneten Nachfolger als Erzbischof von Wien eine ebenso schwierige Aufgabe, wie die Papst-Wahl selbst. (APA)

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