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23-Jährige starb nach OP: Prozess mit vernichtenden Gutachten fortgesetzt

Prozess um tote Patientin mit vernichtenden Gutachten fortgesetzt
Prozess um tote Patientin mit vernichtenden Gutachten fortgesetzt ©Wikimedia Commons/Gugerell
Am Dienstag wurde im Wiener Straflandesgericht ein Prozess um den Tod einer 23-jährige Frau fortgesetzt, die am 29. November 2008 nach einer harmlosen Fußoperation im Krankenhaus Göttlicher Heiland gestorben war.
Prozess gegen Wiener Spital begann
Schuldfrage steht im Raum

Mit für die betroffene Krankenanstalt Göttlicher Heiland vernichtenden Gutachten ist am Dienstag im Wiener Straflandesgericht der Prozess um eine 23-jährige Patientin fortgesetzt worden, die nach einer an sich harmlosen Fuß-Operation am 29. November 2008 in dem Spital an den Folgen einer Überdosis Schmerzmittel gestorben war. Wie der Pharmakologe Gerald Zernig darlegte, hatte die junge Frau den im Schmerzmittel Dipidolor erhaltenen Wirkstoff Piritramid in einem Ausmaß erhalten, das – so der Gutachter – “eindeutig im letal-toxikologischen Bereich lag”.

 Zusätzlich war die Patientin, die nach der Operation über starke Schmerzen klagte, mit Tramadol und Diazepam behandelt worden. Dabei sei es “Standardwissen der Pharmakologie”, dass die Substanzen für sich genommen jeweils eine atemdepressive Wirkung hätten und diese sich “additiv” ergänze, sagte Zernig.

Prozess um tote Patientin mit vernichtenden Gutachten fortgesetzt

Der Gutachter wies ausdrücklich darauf hin, dass die bei Dipidolor empfohlene Dosis nur ein “grober Anhaltspunkt” sei. Der Arzt hat habe sich zusätzlich “nach dem klinischen Eindruck” des Patienten zu richten und “wachsam zu sein”.

Genau das war im Göttlichen Heiland unterlassen worden, wie Sylvia Fitzal, Sachverständige für Anästhesiologie und Intensivmedizin, in ihrem Gutachten unterstrich. Ihren Ausführungen zufolge hätte die Patientin nach dem operativen Eingriff gar nicht vom Aufwachraum auf die Station verlegt werden dürfen, da sie im Aufwachraum innerhalb von einer Stunde bereits 22 Milligramm Dipidolor erhalten hatte und trotz dieser hohen Dosis weiterhin unter Schmerzen litt.

Proozess in Wien

In den folgenden Stunden wurden der 23-Jährigen noch 15 Milligramm Dipidolor verabreicht, “die keine wesentlich schmerzbefreiende Wirkung gehabt haben”. Die Patientin habe also “eine Summe an Opioiden bekommen, die für sich eine toxische Wirkung gehabt haben”, sagte Fitzal.

Die Sachverständige ortete grobe Mängel bei der postoperativen Versorgung der Patientin: “Was ihr im Aufwachraum gegeben wurde und was im Stationsbereich gegeben wurde, ist nicht zusammengeführt worden. Daher kam es zu einer relativ hohen Zufuhr von Dipidolor und anderen Medikamenten, die dasselbe Nebenwirkungsprofil hatten.”

Sorgfaltmangel in Wiener Krankenhaus?

“Insgesamt ist in meinen Augen ein relativ dürftiges Wissen der Ärzte, insbesondere des Turnusarztes in Bezug auf Schmerztherapie gegeben gewesen”, gab die Gutachterin zu Protokoll. Man habe die Patientin einfach immer weiter mit demselben Mittel versorgt, ohne über alternative Möglichkeiten – Schmerzinfusionen oder eine Opioid-Rotation – nachzudenken. Patienten hätten aber “ein Recht auf eine gute Schmerztherapie”.

Aus Sicht der Sachverständigen hatte das Krankenhaus daher einen “Sorgfaltsmangel” zu verantworten, zumal eine Krankenschwester während der Nachtstunden bei der schlafenden 23-Jährigen eine auffallende Atmung beobachtet und dem angeklagten Turnusarzt gemeldet hatte. Dieser hätte dem “nachgehen müssen, weil das nicht der Norm entspricht”. Der Turnusarzt hatte die Patientin allerdings nicht aufgesucht. Um 7.16 Uhr in der Früh wurde die Frau leblos in ihrem Bett vorgefunden.

Mängel im Wissensstand im Spital

Hinsichtlich schmerztherapeutischer Maßnahmen ortete Fitzal – zumindest bezogen auf den Tatzeitraum – generell mangelndes Wissen bei der im Göttlichen Heiland tätigen Ärzteschaft. Die Aus- und Weiterbildung habe “bei einzelnen Personen nicht gegriffen”, es habe an den “notwendigen Kenntnissen gefehlt”. Es reiche nicht aus, sich Wissen “aus Skripten, die nicht mehr aktuell sind” anzueignen. Das sei “zu wenig”, so die mehr als harsche Bilanz der Expertin.

Nach Fitzals Dafürhalten hätte es gar keinen wesentlichen Unterschied gemacht, hätte der Turnusarzt den an sich letztverantwortlichen Oberarzt beigezogen. Im Krankenhaus habe es insgesamt “Mängel im Wissensstand gegeben”.

Prozess in Wien: 23-Jährige gestorben

Laut dem Gerichtsmediziner Christian Reiter war die 23-Jährige letztlich “an einem frischen Herzinfarkt” gestorben, wobei die Frau “überhaupt keine Voraussetzungen hatte, einen Herzinfarkt zu bekommen”. Folglich müsse eine “außerhalb des Körpers vorliegende Störung” vorgelegen haben, die einen “sich langsam entwickelnden Sauerstoffmangel und dann den Tod erklären konnte.”

In diesem Zusammenhang wirft die Staatsanwaltschaft dem Operateur – einem anerkannten Orthopäden – und dem Turnusarzt, die im Wesentlichen die 23-Jährige betreut hatten, fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen vor. Mitangeklagt wurde – erstmals in einem derartigen Fall – mit dem Krankenhaus Göttlicher Heiland GmbH auch der Spitalserhalter, der in Person des ärztlichen Leiters und Geschäftsführers, Johannes Steinhart, auf der Anklagebank sitzt. Der Vorwurf: Das Krankenhaus habe der Patientin keine angemessene postoperative schmerztherapeutische Versorgung zukommen lassen, die Entscheidungsträger hätten damit die ihnen zumutbare Sorgfalt außer achtgelassen.

(APA)

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