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"Wohnungskatastrophe" in Wien befürchtet: Flüchtlingsstrom erhöht Mangel an Wohnungen

Der Flüchtlingsstrom wird den Mangel an Wohnungen in Wien noch verstärken.
Der Flüchtlingsstrom wird den Mangel an Wohnungen in Wien noch verstärken. ©APA (Sujet)
Am Mittwoch warten die Wiener Immobilientreuhänder vor einer bevorstehenden "Wohnungskatastrophe" in Wien. In den kommenden 20 Jahren würde ein Mangel von 100.000 Wohnungen drohen - der Flüchtlingsstrom sei dabei noch nicht miteingerechnet.
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Die Wiener Immobilientreuhänder warnen davor, dass in den kommenden 20 Jahren ein Mangel von 100.000 Wohnungen drohen wird. Die “Flüchtlingsproblematik” sei hier noch nicht eingerechnet und dürfte die Zahl weiter erhöhen.

Das sagte Michael Pisecky, Obmann der Fachgruppe der Wiener Immobilientreuhänder, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. Der Wohnbau hinke der steigenden Nachfrage hinterher, der Flüchtlingszustrom sorge dafür, dass dies wohl rascher sichtbar werde.

Mangel an Wohnungen in Wien befürchtet

Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher der Fachgruppe, sagte zur Wohnungsnot und Flüchtlingen angesprochen, dass hier nicht prinzipiell zwischen den Asylsuchenden und anderen sozial Schwachen unterschieden werden dürfe. Es gehe keineswegs um “Billigsdorfer”-Bauten am Stadtrand. Die günstigsten Wohnungen gebe es im Bestand und hier in erster Linie im Gemeinde- und Genossenschaftsbau.

Pisecky kritisierte, dass die Gemeindebauten für Flüchtlinge verschlossen blieben, obwohl in Sachen “Willkommenskultur” gerade von “Wiener Stadträtinnen” andere Signale kämen, spielte er auf die SPÖ-Politikerinnen Renate Brauner (Vizebürgermeisterin) und Sonja Wehsely (Sozialstadträtin) an.

Überhaupt werde die Gesamtproblematik des Mangels an leistbarem Wohnraums, von dem die Politik plakativ spreche, auf die private Immobilienwirtschaft abgewälzt, so die Vertreter der Wirtschaftskammer.

Immobilien-Treuhänder: Wien fehlen viele günstige, kleine Wohnungen

Es gibt nach den Worten des Obmanns der Fachgruppe der Wiener Immobilientreuhänder bereits einen grundsätzlichen Mangel an Wohnraum in der Bundeshauptstadt. Dieser herrscht demnach vor allem bei günstigen und kleineren Wohneinheiten vor. In Wien gebe es beispielsweise 20.000 bis 40.000 Wohnungen, die leerstehen, obwohl sie vermietet sind – und nicht nur diese Wohnungszahl fehle am Immobilienmarkt. Diese sogenannten Privilegierten-Wohnungen stünden leer, da sie mit sehr günstigen Alt-Mieten ausgestattet seien und zusätzlich ein Eintrittsrecht besteht. Also würden die Wohnungen nicht zurückgegeben, aber auch nur zeitweise benutzt oder überhaupt für Verwandte aufgehoben. “Mit der sukzessiven Erhöhung dieser Mieten kann ein großer Teil der leer stehenden Wohnungen wieder auf den Markt gebracht werden. Diese Regelung soll alle Wohnungen betreffen, in denen niemand hauptgemeldet ist – also auch Gemeindewohnungen.”

Auch das Eintrittsrecht oder die Gründerzeitviertel sind den privaten Wohnbauträgern und Maklern ein Dorn im Auge. Es könne nicht sein, dass Mieten über Generationen hinweg nicht angepasst würden. Allzu oft würden keine kostendeckenden Mieten verrechnet, was nicht helfe, die Wohnungsnot zu bekämpfen.

Neben der Reduktion der Privilegien würden Sanierung und Neubau für neuen – auch leistbaren – Wohnraum sorgen, so Pisecky. Die Wiener Immobilientreuhänder warnen vor einer “Wohnungskatastrophe”.

Gemeindebauwohnungen stehen nur für Wiener zur Verfügung

Man habe zwar nichts gegen Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen. Trotzdem sei der Gemeindebau nur für Wiener da. Man müsse “schon richtig lange in Wien wohnen, um so eine günstige öffentlich finanzierte Wohnung zu erhalten”, kritisierte Pisecky. Bei den geförderten gemeinnützigen Wohnungen sei es nicht viel anders. Weil diese Wohnungen preislich so attraktiv seien, würden im Schnitt nur zwei Prozent der Wohnungen wieder frei. Man wohne dort im Durchschnitt 50 Jahre.

Also seien diese Wohnungen vor allem für jene nicht zugänglich, die wenig Geld hätten. Dafür wohnten dort öfters Menschen, die sich schon teurere leisten könnten, so der Wirtschaftskämmerer, der im Brotberuf Makler ist.

So bleibe der private Wohnungsmarkt “übrig, um die Last zu stemmen”. Ein günstiger Wohnraum könne aber nur funktionieren, wenn ein ausreichendes Angebot geschaffen werde. Und hierzu fordern die privaten “bessere Rahmenbedingungen und einen Gesamtplan”. Es könne gerne mehr Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen geben. In erster Linie gehe es um Nachverdichtungen im bestehenden Wohnungsbestand und auch einen forcierten Neubau. Selbst leide man aber unter einem Investitionsfeindlichen Mietrecht und sei zuletzt durch die Steuerreform belastet worden.

“Wien hat Flächenreserven für die nächsten 50 Jahre”

Pisecky fragte sich auch ob des gestrigen Ministerratbeschlusses zur weiteren Aussetzung der Indexanpassung bei Richtwertmietzinsen, ob die Politik überhaupt private Investitionen in den Wohnbau wolle. Er sagte auch, man dürfe sich nicht blenden lassen durch insgesamt hohe Investments in Immobilien in Wien – “Es sind internationale Investoren unterwegs, die große Deals schließen. Nur durch Käufe entstehen aber keine Wohnungen.”

Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher der Fachgruppe, sagte, dass es ein Problem sei, dass der Flächenwidmungsplan in Wien noch auf einer schrumpfenden Stadt basiere, was aber nicht mehr der Fall ist. “Dabei wächst Wien stark.” Grundstücke habe die Stadt genug. “Wien hat Flächenreserven für die nächsten 50 Jahre.” Würde man nur Baurechte vergeben, konnte man bei Grundkosten sparen. Zum Teil sei aber auch die Bauordnung restriktiv. Bauen an sich werde durch immer neue Auflagen immer teurer. Bildhaft gesprochen sei alles so reguliert, “als würde ein Autofahrer drei Sicherheitsgurte tragen, von denen zwei ihn am fahren hindern und einer reichen würde”.

In Wien gibt es knapp 220.000 Gemeindewohnungen und rund 200.000 Wohnungen genossenschaftlicher Bauträger. Dazu kommen rund 280.000 Wohnungen privater Bauträger.

(APA/Red)

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