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Wiener Prozess um Drogen-Deal mit womöglich "unzulässiger Tatprovokation"

Prozess in Wien: Hauptangeklagter soll von sich aus Speed zum Verkauf angeboten haben
Prozess in Wien: Hauptangeklagter soll von sich aus Speed zum Verkauf angeboten haben ©APA (Sujet)
Im Wiener Straflandesgericht ist am Dienstag gegen einen 46-Jährigen verhandelt worden, der laut Anklage am 11. Dezember 2015 in Wien 37 Kilogramm Speed verkaufen wollte. Bei der geplanten Übergabe in seiner Wohnung in Wien-Landstraße wurden er und zwei mutmaßliche Komplizen festgenommen.

Die hatten sich nun ebenfalls vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Claudia Bandion-Ortner) zu verantworten. Wie sich herausstellte, hatte es sich beim angeblichen Käufer, der für das Suchtgift 81.400 Euro bezahlen sollte, um einen verdeckten Ermittler der Polizei gehandelt. Die Verhandlung im Grauen Haus verlief brisant, weil der Hauptangeklagte behauptete, er wäre Opfer einer “unzulässigen Tatprovokation” seitens der Polizei, die der Oberste Gerichtshof (OGH) vor wenigen Wochen ausdrücklich untersagt hat.

46-Jähriger wollte in Wien 37 Kilogramm Speed verkaufen

Die Höchstrichter haben in ihrer Entscheidung 2 Os 5/16a-10 festgehalten, dass in der Suchtgift-Szene operierende Polizei-Ermittler bestimmte Grenzen nicht mehr überschreiten dürfen. “Unzulässige Tatprovokation liegt dann vor, wenn eine Person durch dem Staat zurechenbares Verhalten zur Begehung von strafbaren Handlungen in einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens widerstreitenden Weise verleitet wird”, heißt es in dem OGH-Beschluss. Verdeckte Ermittler haben sich demnach “auf eine im Wesentlichen passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten zu beschränken”. Ihnen ist untersagt, “einen solchen Einfluss auf die Person auszuüben, dass diese zur Begehung einer Tat verleitet wird, die sie sonst nicht begangen hätte.” Können die Strafverfolgungsbehörden fallbezogen nicht nachweisen, dass die neuen Spielregeln eingehalten wurden, wäre von der strafrechtlichen Verfolgung abzusehen.

Genau das wäre ihm widerfahren, machten nun der 46-Jährige und sein Verteidiger Mirsad Musliu (Kanzlei Nikolaus Rast) geltend. “Drogengeschäfte mache ich nicht. Ich hasse Leute, die Drogen verkaufen. Ich habe vier kleine Kinder”, erklärte der 46-Jährige dem Schöffensenat. Ein V-Mann der Polizei habe ihn in die Sache hineingeritten und geradezu erpresst, das Geschäft mit dem Speed abzuwickeln.

Geldschulden beim V-Mann

Der Darstellung des Angeklagten zufolge, der an sich in der Immobilienbranche tätig ist und seinen Angaben zufolge auch schon mit Frank Stronach Geschäfte gemacht hat, habe er dem V-Mann Geld geschuldet. Indem dieser ihn massiv unter Druck setzte, habe er ihm zunächst insgesamt 60.000 Euro bezahlt. Als er den Restbetrag von 40.000 Euro nicht aufbrachte, habe der V-Mann ihn dazu gebracht, sich mit einem gewissen Luca zu treffen, der sich später als verdeckter Polizeiermittler herausstellte. Der V-Mann habe ihm “befohlen, dem die Droge zu geben”, gab er zu Protokoll.

Um dem 46-Jährigen zu verstehen zu geben, dass er keine andere Wahl hatte, soll der V-Mann sogar ins Krankenhaus gekommen sein, in dem dessen Ehefrau gerade ein Kind zur Welt gebracht hatte. “Er war pünktlich zur Entbindung da. Die Tochter war noch keine 40 Minuten alt, da ist er schon im Erholungsraum gewesen und hat Druck gemacht”, erklärte der Angeklagte. Zuvor hätte der 41 Jahre alte Mann ihn wiederholt eingeschüchtert, indem er ihn beispielsweise mit Benzin übergoss und anzuzünden drohte oder längere Zeit in einen Kofferraum sperrte. Insofern bekenne er sich “schuldig, dass ich nicht gleich zur Polizei gegangen bin”. Die Angst sei allerdings zu groß gewesen. Er habe alles gemacht, was der Mann von ihm verlangte: “Er hat mich definitiv verrückt gemacht. Er hat mir mitgeteilt, dass meine Schulden erlassen sind, wenn ich mich drauf einlasse.”

Die beiden Mitangeklagten versicherten, sie hätten mit dem Speed nichts zu schaffen gehabt. Sie hätten zufällig beim 46-Jährigen übernachtet, als mindestens acht Cobra-Beamte die Wohnung stürmten.

V-Mann will keinen Druck ausgeübt haben

Der V-Mann der Polizei hat in seiner Zeugenaussage die Angaben des 46-Jährigen zurückgewiesen, er hätte diesen unter Druck gesetzt und zum Einstieg in Drogen-Geschäfte gezwungen. Der 41 Jahre alte Mann gab als Berufsbezeichnung Bauarbeiter an. Wesentlich mehr dürfte er allerdings als Vertrauensperson verdient haben, zumal er eigenen Angaben zufolge seit vielen Jahren für die Polizei tätig ist. Fragen nach seiner Motivation und seinem Verdienst beantwortete der V-Mann nicht. “Mein Motiv ist geheim”, erklärte er. Dasselbe gelte für seine Einkünfte. Als sich Verteidiger Philipp Wolm, der einen der beiden Mitangeklagten vertritt, damit nicht zufriedengeben wollte, beschied ihm der V-Mann: “Mit ist egal, wer du bist.” Etwas auskunftsfreudiger gab sich im Anschluss ein langjähriger V-Mann-Führer der Polizei. Die Höhe der Einkünfte der V-Männer bemisst sich demnach im Erfolgsfall nach der Tätergruppe, ob diese nationale oder Länder übergreifend tätig war sowie der beschlagnahmten Suchtgiftmenge. “50.000 Euro pro Amtshandlung ist das Maximalste, was ein V-Mann bekommen kann”, sagte der Beamte.

Im konkreten Fall hatte der V-Mann, der nicht nur für die Wiener Polizei, sondern auch die niederländischen Behörden arbeitet, im Frühjahr 2015 an der Zerschlagung einer Drogen-Bande in Holland mitgewirkt. Mehrere Personen wurden dabei festgenommen, 200 Kilogramm Speed sichergestellt. Wenig später sei der 46-Jährige aus Wien auf ihn zugekommen, den er über Bekannte kennengelernt und getroffen hätte, “um über Drogen-Geschäfte zu sprechen”. Der Angeklagte habe von sich aus gesagt, er könne “aus Deutschland und Holland Kokain, Speed, alles” besorgen, so der Zeuge. Als es um die lieferbaren Mengen ging, landete man dem V-Mann zufolge “gleich bei Kilogramm, nicht Gramm”. Er habe daraufhin den verdeckten Polizeiermittler eingeschaltet und diesen als vorgeblichen Abnehmer dem 46-Jährigen nahe gebracht. Ursprünglich sei es um 50 Kilogramm Speed gegangen, der Angeklagte habe “alles organisiert”.

Einvernahmen bei Prozess in Wien

Nach dem V-Mann wurde der verdeckte Polizeiermittler zeugenschaftlich einvernommen. Während seiner Befragung wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Danach wurde die Verhandlung auf den 12. Oktober vertagt. Bis zum nächsten Termin soll der Kommunikationsverkehr zwischen dem V-Mann und dem Hauptangeklagten im Detail ergründet werden. Den Angaben des 46-Jährigen zufolge soll der Polizei-Spitzel ihn über Monate hinweg 15 bis 20 Mal pro Tag am Handy angerufen haben, obwohl er ihm erklärt hätte, nichts mit Drogen zu tun haben zu wollen. Bisher sind die Mobiltelefone der zwei Männer nicht umfassend ausgewertet worden.

(apa/red)

 

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