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Wiener Popfest 2015: Gemüse, 5/8erln und ein Soundbrei als Auftaktmenü

The Vegetable Orchestra bei der Popfest-Eröffnung
The Vegetable Orchestra bei der Popfest-Eröffnung ©APA
Wenn Gemüse gut klingt: Davon konnten sich am Donnerstagabend die Besucher des 6. Wiener Popfestes überzeugen. Denn der Auftakt zum fast schon traditionellen Karlsplatz-Musikgeschehen wurde vom Vegetable Orchestra bestritten. Der veganen Eröffnung folgten auf der Seebühne im Teich wienerische und elektronische Klänge.
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Diese strapazierten den Popbegriff relativ weit  – und die Tonanlage gleich mit dazu.

Perfektes Wetter bei Popfest-Opening

Bei perfektestem Wetter – die ganz große Hitze hatte sich zuvor verabschiedet – fand der erste Festabend erwartungsgemäß großen Zuspruch beim Publikum. Dieses erlebte jedenfalls ein Programm abseits des Mainstreams. Auf die ganz großen Namen war verzichtet worden, auch das naheliegende Konzept “(Indie-)Band spielt Popmusik” stand zumindest am Donnerstag nicht auf der Seebühnen-Speisekarte.

Gleich zu Beginn präsentierte das Vegetable Orchestra sein Können. Wer einmal Selleriegitarren, Karottenflöten, ein Gurkophon oder Auberginenrasseln live erleben wollte, der wurde bestens bedient. Musikalisch reichte das Spektrum von eher sphärischen Klängen bis zum Krautrock – was durchaus wörtlich zu nehmen war. Ja, dem gemeinen Krauthappel kann durchaus Lärm entlockt werden.

Originelles Gemüse-Kolletiv eröffnete

Als besonders nette Geste erklärte das Gemüse-Kollektiv immer wieder die Funktionsweise ihres Instrumentariums, das nur von wenigen nicht essbaren Utensilien wie Akkuschrauber und Kochlöffel unterstützt wurde. Jene Lebensmittel, die nicht im Rahmen des Gigs zerkleinert, zermanscht oder sonst wie zerstört wurden, wanderten in den Suppentopf und wurden in weiterer Folge an die Popfest-Crowd verfüttert.

Nach diesen durchaus schmackhaften Festival-Horsd’oeuvres sollte es so richtig locker werden. Immerhin kredenzten die diesjährigen Kuratoren Susanne Kirchmayr (Electric Indigo) und Stefan Trischler (FM4) 5/8erl in Ehr’n. Die beiden sonnenbebrillten Frontherren Max Gaier und Bobby Slivovsky gefielen sich freilich von Anfang an in der gewaltig entspannten Strandsesselpose: Brust rein, Bauch raus, Füße – in Ermangelung weißen Sandes – auf den Monitorboxen, Fächerwedelei. So demonstrierte man dem nun durchaus dicht vor dem Wasserbecken – in selbigem zu baden lediglich der gelben Riesenquietschente gestattet war – zusammengerotteten Publikum: Ab jetzt bitte Sundowner-Stimmung.

“Sounddesaster” am Wiener Karlsplatz

Es hätte auch wirklich fein werden können, denn die Zutaten waren so schlecht nicht. Wienerisch interpretierter Soul, der zwischendurch gerne jazzelt, und Harmonie-Gesang über das schöne Leben – “live by the sun and love by the moon” -, weiche Drogen (“Siasse Tschik”) und “Nackabatzerl”. Gewürzt wurde zwischendurch mit einem guten Schuss Politik – etwa im Hit “Alaba – How do you do?”, der einerseits von den legendär gewordenen Smalltalkversuchen des Tiroler Landeshauptmanns mit dem – des Deutschen mehr als mächtigen – Fußballheroen inspiriert ist und andererseits so etwas wie eine Bestandsaufnahme Österreichs versucht (“I kumm aus am Land, wo Asylanten an Wechselkurs ham, ned da Schweizer Franken”).

Offenbar angesteckt von der expressiven Gelassenheit auf der Bühne nahm auch der Tontechniker die Angelegenheit ziemlich gechillt. Ein Sounddesaster war die Folge, das vor allem Stimmen und Kontrabass zuweilen als nahe an der Schmerzgrenze vibrierendes Brummen in die Gehörgänge schickte. Vielleicht die Erklärung dafür, dass die anfängliche Begeisterung im Publikum bald in Ernüchterung umschlug, obwohl sich Sender (“Wir bleiben in Stimmung!”) und Empfänger (fast trotzig anmutendes Gejohle) gleichermaßen Mühe gaben, sich von der Technik nicht die Stimmung versauen zu lassen.

Highlights beim Popfest 2015

Soundbastler Dorian Concept alias Oliver Johnson fungierte quasi als Dessert des Abends, wobei er seine Kreationen gemeinsam mit Clemens Bacher aka Cid Rim an den Drums und Paul Movahedi alias The Clonious – alle drei im übrigen ehemalige Bandkollegen, ihre gemeinsame Funk-Formation nannte sich JSBL – zubereitete. Die elektronischen Gustostücke an der Schwelle zum Jazz sorgten jedoch rasch für Sättigung.

Denn auch den Elektronikern machte die Technik zu schaffen: Der über weite Strecken brummige Klangbrei ließ der ohne Zweifel ambitionierten Darbietung keine Chance. Vor der – noch dazu eingerüsteten – Karlskirche entfaltete sich nur wenig Stimmung. Zwar wurde freundlich mitgewippt, intensives Plaudern und Smartphone-Studium waren aber ebenfalls beliebte Beschäftigungen während des Auftritts, der in intimeren Rahmen wohl besser funktioniert hätte.

Mehr oder weniger intim, aber jedenfalls indoor ging es dann in diversen Lokalitäten weiter zur Sache. Im Wien-Museum sorgten Monochord – bestehend zwei Drittel von Elektro Guzzi – für Ambientklänge, das Damen-Duo Pasajera Oscura bot dort anschließend Sounderlebnisse der eher düsteren Art. Im TU-Prechtlsaal war zunächst die Combo Kompost 3 zu hören, gefolgt von Aiko Aiko und Kimyan Law alias Nico Mpunga – der als Kind mit seinen vor dem kongolesischen Bürgerkrieg geflohenen Eltern nach Wien gekommen ist.

Weitere Programm-Höhepunkte

Das Popfest, zu dem ausschließlich Austro-Musikanten geladen sind, dauert bis Sonntagabend. Bis dahin werden 57 Live-Acts zehn unterschiedliche In- und Outdoor-Locations beehrt haben. Mit dabei sind noch unter anderem: Yasmo, Fijuka, Clara Luzia, der Nino aus Wien (mit der Formation Krixi Kraxi & die Kroxn), die Comeback-Punker Chuzpe, Attwenger oder die jamaikanische Dub-Größe Lee “Scratch” Perry.

Zum Abschluss am Sonntag wird Elektronik-Pionier Christian Fennesz seine Popfest-Premiere (20.30 Uhr) in der Karlskirche absolvieren. Auch Chra (alias Christina Nemec, die auch bei Pasajera Oscura werkt) und Squalloscope werden das Gotteshaus bespielen. Für die Karlskirchen-Konzerte werden kostenlose Zählkarten aufgelegt, wobei das Fennesz-Konzert auf den Platz übertragen wird.

(apa/red)

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