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TV-"Elefantenrunde" zur Wien-Wahl 2015: Viel Hick-Hack, wenig Sachlichkeit

Da lächeln sie noch: Die fünf Spitzenkandidaten kurz vor der Sendung.
Da lächeln sie noch: Die fünf Spitzenkandidaten kurz vor der Sendung. ©APA/Georg Hochmuth
Am Montagabend versammelten sich die fünf Spitzenkandidaten der Wiener Landtagswahl, um live vor laufender Kamera über ihre Zukunftskonzepte für die Bundeshauptstadt zu diskutieren. Oder so zumindest die Idee. Die Runde glich allerdings mehr einem Boxring als einer sachlichen politischen Diskussion - nicht zuletzt dank der Inszenierung der beiden Kooperationsender ORF und Puls4.
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Der Begriff “TV-Konfrontation” beinhaltet natürlich, dass es sich auch mal zuspitzen darf – was die fünf Spitzenkandidaten um die Wien-Wahl, Heinz-Christian Strache (FPÖ), Maria Vassilakou (Grüne), Beate Meinl-Reisinger (NEOS), Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Manfred Juraczka (ÖVP) am Montag aber vor laufender Kamera in den Wiener Sofiensälen präsentierten, war ein verbales Aufeinanderdreschen, wie man es wohl schon lange nicht mehr sehen durfte. Dazu gab es jede Menge Taferl und Items (fraglich natürlich, wie man dieses Mittel nach #taferlgate noch als wirksam erachten kann), ein gemeinsames Einhacken auf die FPÖ und ein Moderatorenteam, das keinen Hehl daraus machte, wer in dieser Runde bevorzugt wurde – und wer nicht.

Wer hat Angst vorm bösen Strache?

Gestartet wurde mit der Frage nach der Flüchtlingskrise – die ab und an auch gerne mit dem Thema “Integration” vermischt wurde, obwohl das Eine mit dem Anderen per se nichts zu tun hat. Wie dem auch sei: FPÖ-Chef Strache hätte sich wohl keinen besseren Einstieg wünschen können. Nicht zuletzt deshalb, weil die anderen vier Spitzenkandidaten sich sofort die verbalen Boxhandschuhe überzogen und auf Strache einhämmerten – scheinbar unwissend, dass sie den blauen Spitzenkandidaten damit sofort ins Rampenlicht rückten. Er selbst musste dafür gar nicht viel tun. Während Vizebürgermeistern Vassilakou Strache prophezeite, dass er sich nach der Wahl “mit Nikotinpflaster zupicken und nach Ibiza abfliegen” würde, lässt sich Bürgermeister Häupl nach anfänglicher Schweigsamkeit (mit immer tiefer werdenden Stirnfalten) schließlich auf ein hitziges Wortgefecht zum Reizwort “Wirtschaftsflüchtling” ein: Und schon wird ein Taferl hochgehalten, das FPÖ-Demonstranten vor der Asylaufnahmestelle in Erdberg zeigt, während Häupl lospoltert: “Sagen’s ned zu mir, ich wäre charakterlos, Herr Strache!”

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) hielt mit Vorwürfen gegen den FPÖ-Chef ebenfalls nicht hinter dem Berg: “Sie sind immer beim Hetzen Erster, beim Helfen Letzter,” so die Grüne Spitzekandidatin, die sich auch darüber empörte, dass die FPÖ dazu aufgerufen habe, Handelsketten zu boykottieren, die Flüchtlinge mit Nahrungsspenden unterstützten.

Flüchtlingsthema sorgte für verbalen Schlagabtausch

Dem schloss sich NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger an, jedoch mit zugehöriger Retoukutsche an die Grünen: Sie  ärgerte sich darüber, dass das Thema überhaupt zwecks Wahlkampf missbraucht werde. Humanitäre Hilfe leisten Ja, aber “wir werden nicht alle aufnehmen können”, so die pinke Spitzenkandidatin- der Moderator Paul Tesarek (ORF), nachdem er sie kurzfristig auf “Reindl-Meisinger” umtaufte, auch deutlich weniger Redezeit einräumte als allen anderen.

ÖVP-Frontmann Manfred Juraczka versuchte es mit smart-sachlichem Auftreten und appellierte, “Vernunft und Anstand” zu zeigen – bevor er ebenfalls auf die “massiven Versäumnisse” von Rot-Grün hinwies. Man müsse zwischen Flüchtlingen, die an Leib und Leben bedroht seien, und solchen, die aus wirtschaftlichen Gründen kämen, unterscheiden. Diese Linie sehe er bei der FPÖ, deren Funktionäre Flüchtende als “Erd- und Höhlenmenschen” bezeichneten, nicht. Wobei der schwarze Spitzenkandidat auch die grüne Position, möglichst alle Menschen aufzunehmen, ablehnte – und sich damit geschickt in eine Zwischenposition manövrierte.

Strache seinerseits betonte, dass zu viele Millionen Euro an türkische Vereine fließen würden, und dass sich in der Stadt zunehmend Parallelgesellschaften bilden. Bürgermeister Häupl meinte dazu, dass das Deutschlernen “das Primäre” sei, das es zu fördern gilt – neben der Einhaltung hiesiger Gesetze: “Zwangsehe ist ein No-Go. Die Töchter nicht in die Schule gehen lassen – das geht gar nicht. Ich selbst wohne in Ottakring, ich sehe auch Fälle von starkem Macho-Gehabe – geht gar nicht.”

Immer wieder: Das “Duell” Rot-Blau

Bereits im Vorfeld der Konfrontation wurde es immer wieder betont, dass sich alles um das “rot-blaue Duell” um Wien drehe – was bei den übrigen drei Spitzenkandidaten zurecht für sichtlichen Frust sorgte. Kam man aber mal von dem Flüchtlingsthema weg, stand Strache zumindest nicht mehr gar so stark im Rampenlicht.

Beim Schuldenstand der Stadt präsentierten sich Rot-Grün etwas stärker als Team. Häupl und Vassilakou verteidigten den negativen Saldo und versprachen weitere Investitionen, um Jobs zu sichern. Angesichts des Hypo-Debakels empfahl die Grünen-Chefin Strache, doch besser still zu sein bei diesem Thema. Dieser hatte zuvor von der “schlechtesten Entwicklung in Wien seit Jahren” gesprochen. Die pinke Spitzenkandidatin wiederum geißelte die “Prügel”, mit denen man den Unternehmern in der Stadt begegne – und verwies auf Freunderlwirtschaft, Bürokratie und die U-Bahn-Steuer.

Vassilakou punktete bei Verkehrsthema

Stichwort U-Bahn: Das Verkehrsthema bekam gegen Ende der Debatte doch noch ein bisschen Aufmerksamkeit. Ressortchefin Vassilakou konnte bei der “Blitzumfrage”, die mithilfe von OGM während der Sendung durchgefürt wurde, hier durchaus “punkten” – auch wenn sie selbst eingestand, dass ihr Ressort nicht für “höchste Popularitätswerte” sorge. “Aber darum geht es nicht”, unterstrich sie. Vielmehr sollten Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, eine günstige Alternative erhalten – darum gebe es etwa die 365-Euro-Jahreskarte. Statt eines Taferls hielt sie diesmal eine Ein-Euro-Münze in die Kamera – soviel, wie eben die Öffi-Dauerkarte pro Tag kostet.

Juraczka zückte ebenfalls die Geldbörse und veranschaulichte mit 400 Euro jene Summe, welche jeder Wiener auf dem Weg des Steuergelds “an Zuschüssen für die Wiener Linien” leisten müsse. Strache prangerte vor allem die wiederholten Ringsperren an (“warum können die nicht mal im Prater demonstrieren?”) – was den Bürgermeister gelinde erstaunte: Strache wolle offenbar das Demonstrationsrecht in Frage stellen, mutmaßte er.

Wer denn jetzt mit wem für Wien?

Auf die Schlussfrage, welche Koalitionswünsche denn nun im Raum stünden, gaben die Spitzenkandidaten keine Festlegungen preis – freilich auch nicht in Hinsicht auf eine etwaige “Homo-Ehe” zwischen Häupl und Strache, die Tesarek in den Raum stellte.

Fazit: Die TV-Konfrontation war vieles, aber bestimmt keine Diskussion auf Augenhöhe. Die Kandidaten verrieten weder zukunftsweisende Konzepte noch konkrete Pläne für die kommenden fünf Jahre in der Wiener Stadtregierung –  zu beschäftig waren sie nämlich damit, sich gegenseitig zu deffamieren und die Kernpunkte ihres Wahlprogramms einzustreuen. Auf welches sich die mündigen Wählerinnen und Wähler am 11. Oktober wohl auch stützten werden müssen, um ihre Entscheidung zu treffen  – denn menschlich oder fachlich überzeugte keiner der Spitzenkandidaten am Montag im TV.

Red./(ABE)/APA

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