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Slayer rockten den zweiten Tag des Nova Rock

Slayer gaben beim Nova Rock alles.
Slayer gaben beim Nova Rock alles. ©VIENNA.at/David Bitzan
Die Metal-Band Slayer drückte dem zweiten Tag des Nova-Rock-Festivals in Nickelsdorf eindrucksvoll ihren Stempel auf und stellte damit sogar Blink 182 in den Schatten.
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Der Instanz des Thrash-Metals gehörte der Abschluss des zweiten Nova-Rock-Tages 2017 – und Slayer zeigten eindrucksvoll, warum sie diesen Status genießen. Ein Konzert der US-Band sei schon ein bisschen wie gleichzeitig Achter- und Geisterbahn fahren, nickte Gitarrist Gary Holt vor dem Auftritt im Gespräch mit der APA. “Bei Slayer gibt es keinen Quatsch – nur bumm, bumm, bumm.” Stimmt!

Da stand weit nach Mitternacht Tom Araya mit grauem Rauschebart, Abbild eines bösartigen Weihnachtsmannes, auf der Red Stage, grinste über beide Ohren, lachte das schon müde Publikum aus und kündigte ein “Liebeslied” an. Es folgte “Dead Skin Mask”, ein Song über den Serienmörder Ed Gain, der seine Opfer häutete. Willkommen in der Welt von Slayer – “Gott hasst uns alle”, heißt es in “Disciple”, herausgebrüllt über die Pannonia Fields von Araya, der seine Kinder christlich erzogen hat. Wenn er in “The Antichrist” singt, dass er jener Beelzebub sei, glaubt man ihm das trotzdem gerne. Wohliger Schauer wie in einem packenden Horrorfilm zieht auf, wenn Kerry King, der Mann mit der tätowierten Glatze und den Armen eines Möbelpackers, sich mit Holt an den Gitarren duelliert.

“Slayer spielen nie mit 60 oder 70 Prozent”

“Diese Band nimmt ihre Performance extrem ernst”, sagte Holt, der nach dem Tod des Ur-Gitarristen Jeff Hanneman von seinen “Freunden seit dem 17. Lebensjahr”, King und Araya, als fixes Mitglied verpflichtet wurde. “Slayer spielen nie mit 60 oder 70 Prozent, immer mit 100. Dann ist da diese Beharrlichkeit über die Jahre. Ein Konzert von Slayer ist wie ein Fight, man bekommt für 90 Minuten eine über den Kopf gezogen. Das hat sich nie geändert.” Da fegten sie durch Genre-Klassiker wie “War Ensemble”, extrem schnellem Material (“Raining Blood”) wurde groovigeres (“South Of Heaven”) entgegengesetzt – was die Wirkung verstärkte. Neues Material vom Album “Repentless” passte gut dazu. Das umstrittene (und textlich ziemlich dumme) “Angel Of Death” bildete den Abschluss einer Machtdemonstration.

©VIENNA.at/Davit Bitzan

Seit sieben Jahren ist Holt nun bei Slayer. Es wirkte, als wäre er das schon immer. “Ich mach’ mein eigenes Ding”, sagte er über seine Herangehensweise. “Jeff hatte seinen eigenen Stil, der schwer zu kopieren ist. Es wäre nicht ehrlich, wenn ich das versuchen würde. Was ich aber versuche, ist einige seiner Melodien einzubauen und den Vibe seiner Arbeit anklingen zu lassen.” Warum ihn die Slayer-Fans sofort akzeptiert haben? “Wegen meiner Glaubwürdigkeit”, antwortete Holt. “Ich bin einer der Architekten von Thrash-Metal. Ich war von Anfang an dabei. Manche Leute sagen, Exodus waren die erste Thrash-Band. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber wir waren bestimmt nicht die Dritten.”

Das junge Publikum am Nova Rock schien alle Slayer-Songs mitgrölen zu können. “Es kommen 17- bis 24-jährige zu unseren Shows”, sagte der 53-jährige Gitarrist. “Das ist gut, denn wenn man auf die Charts blickt, könnte man glauben, dass es gar keinen Heavy Metal mehr gibt. Uns vergönnt man nicht einmal eine eigene Grammy-Kategorie. Aber es braucht eine neue Generation an Bands, die auch von der Musik leben können. Das ist für junge Metalbands schwierig im Vergleich zu Popstars, die Millionen von Alben an 14-jährige Mädchen verkaufen.”

Nova Rock: Blink 182 im Schatten von Slayer

Ziemlich bieder wirkte die Show des zweiten Headliners: Die Punkband Blink 182 – mittlerweile mit Alkaline-Trio-Sänger Matt Skiba an der Gitarre und dem zweiten Mikrofon – hat zwar schon einige Zeit im Musikzirkus verbracht. Das wurde immer dann besonders deutlich, wenn Songs wie “Dumpweed” oder “What’s My Age Again?” in längst vergangene Zeiten (konkret zum Erfolgsalbum “Enema of the State” von 1999) entführten. Aber das Trio verstand es trotz eines riesigen “Fuck” in brennenden Buchstaben am Bühnenhintergrund nicht wirklich, die berufsjugendliche Agenda zu vermitteln.

“Wir sind Blink 182”, entfuhr es Bassist Mark Hoppus zu Beginn gleich mehrfach. Gar so, als müsse er dem zunächst noch sehr zahlreichen Publikum versichern, dass da eine der erfolgreichsten Punkformationen der späten 90ern spielte. Nur: Das Feuer, das immer wieder aus diversen Öffnung loderte, sprang nicht über. Da nutzten auch ehemalige Hits wie “The Rock Show” oder strukturell interessantere Stücke im Stile von “I Miss You” wenig. Die wenigen Ansätze einer Animation mit Gesangsanleitung oder Einklatsch-Aufforderung ebbten meist recht schnell wieder ab. Man war durchaus bemüht, wie der stets pumpende Travis Barker am Schlagzeug deutlich machte, aber es blieb beim Versuch.

©VIENNA.at/David Bitzan

Besser im Ansatz und der Ausführung waren da wiederum Touche Amore: Die Hardcore-Band, die in den jüngsten Jahren mit hoher Regelmäßigkeit in Österreich anzutreffen war, ist derzeit eine sichere Bank, wenn es um emotionsgeladene Shows, Songwriting abseits der Norm und Tuchfühlung mit den Fans geht. Da stimmten die Breaks, wurde “Home Away From Here” zum wiederholten Male hymnisch dargeboten und gab sich Sänger Jeremy Bolm ohnedies als ein Shouter und Geschichtenerzähler zum Anfassen. Sympathisch und überzeugend auf ganzer Linie.

Gojira und Mastodon: Am Festival geht’s auch progressiv

Das Auffällige am diesjährigen Nova Rock ist das große Interesse an der Musik – und zwar vom frühen Nachmittag an. Neben eingängigen Partybands hatten Acts mit “schwierigeren” Klängen enormen Zulauf. Gojira und Mastodon beispielsweise boten quasi im Doppelpack anspruchsvolle Kost auf der Red Stage. Und sie hatten auch einiges zu sagen.

“Ja, unsere Musik ist komplexer als die von vielen Bands”, betonte Drummer Mario Duplantier, der mit seinem Bruder Joe Gojira 1996 in Frankreich gegründet hat, im Interview mit der APA. “Wir sind langsam gewachsen – ohne Kompromisse. Wir kommen aus der Death-Metal-Szene, die prinzipiell sehr technisch ist, aber wir haben für unsere Musik ein wenig die Regeln geändert. In unseren neuen Songs ist mehr Raum, wir wollten den Schwerpunkt vom Experimentieren auf die Songs verlagern.”

Dass Gojira sich über die Jahre und Alben (aktuelles Werk: “Magma”) weiterentwickeln konnten, führte der Schlagzeuger durchaus auf seine Herkunft zurück: “Die Franzosen pflegen die Kultur und dafür gibt es auch Geld. Künstler bekommen vom Staat Geld, um kreativ zu sein. Das gibt es weder in England noch in Amerika. Amerikanische Bands kommen daher direkt auf den Punkt.”

Die Brüder, die mittlerweile viel Zeit in Amerika verbringen, legen auf ihre Texte großen Wert. “Wenn man keine Botschaft hat, fehlt der Musik die Würze. Für uns ist es sehr wichtig, unsere Gefühle in den Texten wiederzugeben. Es ist immer gut, über Dinge zu reden, die schmerzen, die einen belasten. Manche gehen zu einem Psychiater, wenn sie negative Gedanken haben, und fühlen sich dann besser. Daher ist es nicht schlecht, über Schlechtes zu reden – beziehungsweise Texte darüber zu schreiben.”

“Wir sind in Sorge, wie Menschen miteinander umgehen”, sagte Mario Duplantier. “Die Wahl von Donald Trump hat uns sehr heruntergezogen. Die Energie in Amerika ist derzeit sehr negativ. In Frankreich haben wir natürlich gewählt. Es war uns extrem wichtig, Emmanuel Macron zu unterstützen. Marine Le Pen ist böse, eine Rassistin. Dieser religiöse Konflikt ist natürlich ein Problem. Wir hatten ja in Frankreich einige schreckliche Anschläge. Diese Leute leben geistig im Mittelalter. Aber man darf diese Taten nicht instrumentalisieren für rassistische Gedanken.”

Keine Zeit zum Verschnaufen am Nova Rock 2017

Nachdem die Franzosen ihr Ding durchgezogen haben, ließen Mastodon im Anschluss dem Publikum keine Zeit zum Verschnaufen. Das Quartett ist derzeit mit dem Album “Emperor of Sand” unterwegs, was nicht nur das dazugehörige Cover als überdimensionales Backdrop erkennen ließ, sondern auch die entsprechend in die Setlist eingebauten Songs davon. Der “Sultan’s Curse” machte da den Anfang und stellte gleich klar: Spielwitz und Abwechslungsreichtum sind der Prog-Metal-Institution auch im 17. Bandjahr nicht abhandengekommen. Wobei die Gruppe ganz auf die Musik setzte und ihre Songs für sich sprechen ließ.

“So oft wurde gesagt, dass Rockmusik tot ist. Aber ich glaube das nicht”, hatte Schlagzeuger und Sänger Brann Dailor wenige Stunden davor gegenüber der APA festgehalten. Festivals wie das Nova Rock seien das beste Beispiel dafür. “Tausende Menschen kommen und hören sich unsere Lieder an. Man kann Rock nicht abschreiben. Und wir spielen harte Musik, die oft ziemlich schräg ist”, grinste der US-Amerikaner. Ja: Schlenker und überraschende Wendungen waren schon immer Trademarks von Mastodon. Da heißt es schon mal “The Wolf Is Loose”, preschen die Gitarren nach vorne, während Troy Sanders geradezu stoisch den Bass bearbeitet.

Inhaltlich hat sich die Band früher oft mythischen Themen gewidmet. Der Sandherrscher mag zwar einen ähnlichen Anschein erwecken, hat aber weit persönlichere Erlebnisse zur Basis. Mehrere Bandmitglieder hatten in den vergangenen Monaten mit Schicksalsschlägen zu kämpfen, Tod und Verlust gehört ebenfalls dazu. “Musik ist eine Möglichkeit, das zu verarbeiten”, zeigte sich Dailor nachdenklich. “Ich könnte es mir gar nicht anders vorstellen. Jeder sollte Schlagzeugspielen!”, empfahl er seinen Hörern. “Ich mache das, seit ich ein kleines Kind bin. Alles landet da drinnen, die ganze Wut.”

Als Gruppe mit Ecken und Kanten hat sich Mastodon jedenfalls etabliert, hat die passende Nische gefunden. “Es ist in Ordnung bei uns vier, das ist schön”, sagte Dailor. “Was wir aufgebaut haben, funktioniert immer noch – mit allen Erfolgen wie Misserfolgen. Das gehört dazu, das ist Teil unserer Evolution. Wir sind letztlich vier Typen, die Rockmusik machen. Und so soll es auch weitergehen.” Das wird wohl auch das Publikum herzlich gerne unterschreiben.

(APA, Red.)

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