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Skurriler Prozess in Wien: Müllmänner nahmen zu viel Abfall mit

Die Müllmänner hatten zu viel Abfall entsorgt - und landeten vor Gericht
Die Müllmänner hatten zu viel Abfall entsorgt - und landeten vor Gericht ©Bilderbox (Sujet)
Aus "reiner Gefälligkeit" räumten drei Müllmänner nach eigenen Angaben Abfall weg, für den sie gar nicht zuständig waren - und landeten deshalb in Wien vor Gericht. Der Gemeinde sollen dadurch Gebühren in Höhe von 1.751 Euro. Den "Übeltätern" drohen nun im schlimmsten Fall mehrere Jahre Haft.

Am Dienstag hat ein Schöffenverfahren im Wiener Straflandesgericht den Eindruck bekräftigt, dass Anklagebehörden mitunter mit Kanonen auf Spatzen schießen. Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Korruption (WKStA), die regelmäßig über Arbeitsüberlastung klagt und in zahlreichen Großverfahren teilweise seit Jahren ermittelt, hatte drei Müllmänner von der MA 48 wegen Amtsmissbrauchs zur Anklage gebracht.

Müll mitgenommen, um Zeit zu sparen

Ihr Vergehen: Sie hatten zu viel Abfall mitgenommen und sollen dadurch der Gemeinde Wien einen Schaden von 1.751 Euro verursacht haben. Dieser Betrag wäre laut Anklage fällig geworden, hätten die Männer im Alter zwischen 52 und 61 Jahren die zusätzlichen Container, die sie vor Gasthäusern und Gärtnereien in Wien-Floridsdorf einfach mitnahmen, ihrem Oberaufseher gemeldet und damit ihre nachträgliche Inrechnungstellung ermöglicht. Man habe “aus reiner Gefälligkeit” den gesamten Müll aufgeladen, betonte einer der Angeklagten.

Außerdem habe man sich den Zeitaufwand sparen wollen, die Extra-Container zu melden. “Ich glaube, dass der Großteil der Kollegen so arbeitet”, gab einer der Müllmänner zu bedenken.

Eine Anzeige gegen die Müllmänner

Gegen das Drei-Mann-Team, das auf der sogenannten 018-Tour für den Abtransport von Restmüll zuständig war, ging eines Tages allerdings eine anonyme Anzeige ein. Darin wurde behauptet, die Männer würden sich gegen Trinkgeld und Essenseinladungen auch um den Inhalt von Biomüll-Behältern kümmern, die vor bestimmten Gewerbebetrieben abgestellt waren.

Die Interne Revision der MA 48 rückte aus. Zwischen 1. Dezember 2010 und 24. Jänner 2011 wurde das unter Verdacht geratene Team in professioneller Manier überwacht und heimlich mit einer Kamera gefilmt. Auffälligkeiten wurden penibel schriftlich dokumentiert. Die “Müll-Spione” stellten fest, dass in einer Gärtnerei Kartonagen und Verpackungsmaterial mitgenommen und zum Restmüll geschmissen wurden, wobei die “Spitzel” sich allerdings auf “Müllentsorgungsgeräusche” beriefen, da sie den Abtransport infolge eines geschlossenen Tores nicht mit eigenen Augen verfolgen konnten.

Gärtner lud zu Kaffee ein – “Amtsmissbrauch”

Dafür bekamen sie mit, dass der Gärtner die Müllmänner auf einen Kaffee eingeladen hatte, weshalb sich dieser nun wegen Bestimmung zum Amtsmissbrauch ebenfalls vor dem Kadi zu verantworten hatte.

Auch ein zweiter Floridsdorfer Gärtner fand sich als angeblicher Bestimmungstäter vor dem Kadi wieder. Er hatte die Männer von der MA 48 ersucht, während seines Urlaubs zwei zusätzliche Container mitzunehmen. Der von der WKStA in diesem Fall errechnete Schaden: 15,96 Euro.

Kontrolleure rochen am Müll

Die Kontrolleure von der MA 48 hatten auch nachträgliche Geruchsproben an einigen entleerten Containern vorgenommen und so ihrer Darstellung zufolge festgestellt, dass sich in diesen Restmüll befunden haben musste, weil Altpapier “anders” rieche. Die drei “Übeltäter” sind seit Februar 2011 vom Dienst suspendiert, einer der Müllmänner befindet sich mittlerweile in Pension. Ihnen und den beiden mitangeklagten Gärtnern drohen jeweils bis zu fünf Jahre Haft.

Urteile gegen Müllmänner und Gärtner

Später am Dienstag wurden die drei Müllmänner, die zu viel Abfall mitgenommen und die zusätzlichen Container nicht ihrem Oberaufseher gemeldet hatten, wegen Amtsmissbrauchs schuldig gesprochen. Schuldsprüche als Bestimmungstäter setzte es auch für die beiden Gärntner, die die Bediensteten der MA 48 um die Mitnahme des Mülls gebeten hatten.

Bei der Strafbemessung machte der Schöffensenat jedoch deutlich, dass es sich um keine besonders gravierenden Verfehlungen gehandelt hatte. Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren machte das Gericht vom außerordentlichen Strafmilderungsrecht Gebrauch: Die Müllmänner erhielten je drei Monate bedingt, die Gärtner sechs bzw. vier Wochen auf Bewährung.

Strafen nicht rechtskräftig

“Sechs Monate würden in keiner Relation zu sonstigen Amtsmissbrauchen stehen. Es macht schon einen Unterschied, ob ich etwas aus Gefälligkeit mache oder Geld dafür nehme”, betonte die Vorsitzende Daniela Setz-Hummel in der Urteilsbegründung. Als sie den Akt auf ihren Schreibtisch bekam, “habe ich selbst nicht glauben können, dass das ein Amtsmissbrauch ist. Aber es ist einer. Alle Tatbestandsmerkmale sind erfüllt”, stellte die Richterin fest.

Sowohl die Müllmänner als auch die zwei Gärtner akzeptierten die Urteile. Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna gab vorerst keine Erklärung ab, die Strafen sind daher nicht rechtskräftig.

(apa/red)

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