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Sebastian Kurz (ÖVP): Der neue Bundeskanzler im Portrait

Der neue Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Portrait.
Der neue Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Portrait. ©APA/HANS PUNZ
Sebastian Kurz wird mit 31 Jahren zum jüngsten Bundeskanzler der Zweiten Republik Österreichs. Der ÖVP-Chef im Portrait.
Steckbrief von Kurz

Auch wenn man die Organisationskraft der ÖVP nicht unterschätzen sollte, war der Erfolgslauf des vergangenen Halbjahres im Wesentlichen Kurz persönlich zu verdanken. Ebenso kühl wie er die Machtübernahme in der Volkspartei vorbereitet hatte, orchestrierte er einen fehlerarmen Wahlkampf, der seine Konkurrenz am Wahltag alt aussehen ließ. Auch der Weg zu einer Neuauflage von Schwarz-Blau verlief schnörkellos.

Sebastian Kurz der “klassische Durchschnittsösterreicher”

Dass Kurz ein wohl nicht nur für österreichische Verhältnisse außergewöhnliches Polit-Talent ist, muss angesichts seines Karrierewegs nicht groß diskutiert werden. Was ihn so erfolgreich macht, ist hingegen nicht ganz so leicht zu erklären. Kurz kommt aus keinem politischen Umfeld, hat den Weg durch die als intrigant verschriene Volkspartei ohne alte Seilschaften angetreten, er ist ein guter, aber kein überragender Redner. Große politische Visionen sind von ihm nicht überliefert. Er ist kein Schöngeist wie der letzte schwarze Kanzler Wolfgang Schüssel, sein Auftritt ist nicht glamourös, über sein Privatleben weiß man kaum mehr, als dass er gerne Sport betreibt. Man könnte auch sagen, Kurz stellt auf den ersten Blick den klassischen Durchschnittsösterreicher dar.

Was den 31-jährigen noch unvollenden Jus-Studenten aber fast schon zu einem Unikum in der österreichischen Politik macht, ist seine gnadenlose Zielstrebigkeit. Kurz traut sich alles zu und tut das Nötige, das Gewünschte auch zu erreichen. Fehler macht er selten. Seine Wünsche bringt er durch, ohne jemandem zu fest auf die Füße zu steigen. Auch seine Partei hat in den vergangenen Monaten lernen müssen, dass der junge Mann mit den guten Manieren es durchaus ernst meint, wenn er ausnehmend höflich, aber nicht weniger bestimmt seinen Machtanspruch klarstellt.

Neuausrichtung der ÖVP

Kurz hat die Volkspartei neu aufgestellt. Auch wenn er trotz aller Machtfülle am Papier auf Länder und Bünde Rücksicht nehmen muss, hat der künftige Kanzler nach innen Pflöcke eingeschlagen. Alleine dass das Kernteam bei den Verhandlungen mit der FPÖ durch die Bank aus seinem Umfeld stammte, war eine klare Botschaft nach innen. Kurz will sich anders als viele Vorgänger nicht von der eigenen Partei treiben lassen.

Dass er in der Volkspartei überhaupt jemals nach oben schwimmen konnte, ist letztlich seiner Konsequenz geschuldet. Gerne erzählt Kurz, der als Einzelkind einer Mittelstandsfamilie entstammt und seit sehr jungen Jahren mit einer Ministeriumsangestellten liiert ist, wie er schon als Schüler bei der Jungen ÖVP in seinem Heimatbezirk Meidling andocken wollte, man dort aber mit ihm nichts anzufangen wusste. Kurz versuchte es in einem anderen Bezirk und kletterte dann Schritt für Schritt in der Hierarchie nach oben.

Sein erster wichtiger Förderer war der damalige Wiener ÖVP-Obmann und heutige EU-Kommissar Johannes Hahn, der das Talent von Kurz erkannte und ihn so gut reihte, dass er es in den Wiener Landtag schaffte. Dort fiel Kurz weniger auf als in seiner Rolle als Chef der Jungen Wiener ÖVP, wo er eine “Geilomobil”-Kampagne anführte, die sich mittlerweile in die Kategorie Jugendsünde einreihen lässt.

Der erste Karriereturbo für Sebastian Kurz in der ÖVP

Den wirklich großen Karriereturbo verdankt Kurz Michael Spindelegger, dem eher glücklosen ÖVP-Obmann, der immerhin bei der Personalauswahl durchaus Geschick bewies. Kurz mit 24 zum Integrationsstaatssekretär zu machen, verlangte Mut. Den brauchte auch Kurz selbst. Doch er machte die Not der geringen Erwartung zu seiner Tugend. Der neue Staatssekretär umgab sich nicht nur mit Prominenz sondern auch mit fähigem Personal, versachlichte die Debatte und kletterte in den Politiker-Rankings rasch nach oben.

Als ihm dann 2013 auch noch das Außenministerium überantwortet wurde, war Skepsis zwar noch vorhanden, aber schon geringer. Kurz enttäuschte jene, die hofften, er würde nun stolpern. Rasch war er am internationalen Parkett etabliert, was sich am besten daran ablesen ließ, dass die Iran-Atom-Gespräche ebenso wie eine prominent besetzte Syrien-Friedensrunde in Wien von statten gingen. Zuletzt konnte er auch noch eine erfolgreiche OSZE-Präsidentschaft für sich verbuchen. Sein strategisches Meisterstück schaffte er freilich in der Flüchtlingspolitik. Entgegen dem im Sommer 2015 herrschenden Mainstream schloss er sich nicht der “Refugee Welcome”-Stimmung an, sondern verstand sich vom ersten Augenblick an als Warner. Dies zahlte sich spätestens aus, als die Stimmung zu Ungunsten der Flüchtlinge kippte.

Der Wahlkampf

Vor allem dieses Thema und seine Ablehnung eines türkischen EU-Beitritts trugen Kurz durch den Wahlkampf. Seit er zur Nummer eins gewählt wurde, sind die Töne schon wieder deutlich dezenter – und auch wenn er mit der FPÖ regiert, ist nicht zu erwarten, dass Kurz Österreich in der Migrationspolitik so weit nach rechts driften lässt wie die östlichen Nachbarstaaten. Freilich: offene Grenzen wird es mit seiner Regierung kaum geben und auch sonst dürften sich einige Gewohnheiten ändern. Die Sozialpartnerschaft dürfte härtere Zeiten erleben und Kurz schuldet es schon seinem von ihm gebastelten Ruf, etwas stärker an den Rädern des Staatsgefüges zu drehen, als man das hierzulande bisher gewohnt war.

Kurz als neuer Bundeskanzler Österreichs

Ob Kurz den Erwartungen seiner Wähler gerecht wird, ist nicht seriös vorauszusagen. Die Chancen stehen nicht so schlecht. Die Wirtschaft zieht an und im Gegensatz zum Anfang der 2000er-Jahre ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich der Koalitionspartner FPÖ wieder selbst zerlegt. Sich allzu sehr auf den scheinbar trostlosen Zustand der Sozialdemokraten verlassen, sollte sich Kurz aber nicht. Dies war dereinst schon dem schwarz-blauen Tabubrecher Wolfgang Schüssel auf den Kopf gefallen.

(APA/Red)

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