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Raubmord-Prozess gegen Wiener Putzfrau: Gutachter verstörte

Beim Prozess in Wien
Beim Prozess in Wien ©APA
Im Prozess um die gewaltsam ums Leben gebrachte Maria E. belastete die angeklagte Putzfrau am Dienstag ihren Ex-Freund massiv. Weiters verstörte im Prozessverlauf der Gerichtsmediziner Johann Missliwetz bei der Präsentation seines Gutachtens, das nicht nur durch drastische Nahaufnahme-Bilder der blutigen Leiche schockierte.
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Missliwetz projizierte im Gerichtssaal nicht nur Fotos vom geschundenen Körper und blutüberströmten Kopf der Leiche in Großaufnahme auf eine Leinwand – der Gutachter zeigte auch wesentlich irritierendere Bilder der nackten Leiche her.

Umstrittene Schock-Aufnahmen der Leiche

So bekamen die Geschworenen und die Zuschauer Fotos zu Gesicht, die offenbar die Tatortarbeit aus medizinischer Sicht veranschaulichen sollten: Zwei Bilder zeigten die Leiche bei der “Messung der Rektaltemperatur im Bereich der Gesäßfalte”. Unmittelbar darauf folgte ein Foto, das in Nahaufnahme die komplett entkleidete Leiche auf dem Obduktionstisch des Gerichtsmediziners zeigte.

Zur-Schau-Stellung bei Prozess notwendig?

Spätestens da stellte sich die Frage, ob und inwieweit diese Zur-Schau-Stellung zur Erfüllung des Gutachter-Auftrags wirklich nötig war. Fest steht, dass allgemein gerichtlich beeidete und zertifizierte Sachverständige ihren Standesregeln zufolge bei ihrer Tätigkeit den Schutz der Privat- und Intimsphäre zu wahren haben. “Dies gilt insbesondere für Bild-, Film- und Tonaufnahmen. Im Zweifel ist das Einverständnis der davon betroffenen Personen einzuholen”, heißt es in 2.10.9 der Standesregeln. Ob bei Kapitalverbrechen diese Bestimmung beim Ableben des Opfers außer Kraft gesetzt wird, ließ sich zunächst für die APA nicht klären.

Umstrittene Fotos mit Richter abgesprochen

Die irritierenden Fotos, die ein Gerichtsmediziner in einem Raubmordprozess um eine erstochene 85-Jährige am Dienstag im Wiener Straflandesgericht auf eine Leinwand projiziert hat, hatte der Gutachter nach vorangegangener Absprache mit dem vorsitzenden Richter präsentiert. Das ergaben Recherchen der APA.

Die Lichtbilder, die unter anderem die vollständig entkleidete Leiche der 85-Jährigen auf dem Obduktionstisch zeigten, waren in der sogenannten Tatortmappe enthalten und damit Teil des Gerichtsakts. “Jeder Bestandteil des Akts muss in die Verhandlung eingebracht werden”, erklärte Richter Andreas Böhm dazu auf APA-Anfrage.

“Das gehört zur Wahrheitsfindung”

Die verstörenden Fotos herzuzeigen, sei aus rechtlicher Sicht geboten gewesen: “Das gehört zur Wahrheitsfindung.”

Unumstößliche Richtlinien, welche Fotos Sachverständige in einer Hauptverhandlung herzeigen dürfen, gibt es nicht. Grundsätzlich obliegt die Entscheidung, ob und in welchem Ausmaß Bild- oder Videoaufnahmen für die Gutachtenerstattung zugelassen werden, dem Verhandlungsleiter. Der Richter ist Herr des Verfahrens, er hat abzuwägen, wie die Hauptverhandlung zu gestalten ist.

Bereits bei Estibaliz C. im Einsatz

Die Vorgangsweise des betreffenden Gerichtsmediziners, der bereits im Doppelmord-Prozess gegen die rechtskräftig verurteilte Eissalon-Besitzerin Estibaliz C. das Publikum geschockt hatte, indem er in Großaufnahme die bildlich festgehaltenen Köpfe der getöteten beiden Männer präsentierte, ist im Kollegenkreis nicht unumstritten. Im Gespräch mit der APA stellten mehrere erfahrene Sachverständige unter der Zusicherung, ihre Namen nicht zu nennen, klar, dass sie von besonders drastischen Powerpoint-Präsentationen nicht viel halten.

Putzfrau belastete Ex-Partner

Die Angeklagte hatte in ihrer Einvernahme wie schon zuletzt ihren Ex-Freund belastet. Dieser habe sie “überredet”, zu Maria E. zu fahren. Sie sei “leider so naiv und dumm” gewesen, dem Mann vom Geld zu erzählen, das die 85-Jährige besaß. Ihre Aufgabe sei es gewesen, die alte Frau abzulenken, nachdem sie diese in die Wohnung gelassen hatte. Plötzlich habe ihr Freund die 85-Jährige angegriffen: “Auf einmal zischt der mit einer Krücke ins Wohnzimmer und auf die Frau drauf”, schilderte die Putzfrau.

Sie habe dann mitangesehen bzw. mitansehen müssen, wie ihr damaliger Partner mit den Worten “Jetzt muss ich das zu End’ bringen, was ich ang’fangen habe” die Pensionistin tötete. Er habe ihr Befehle erteilt, die Wohnung zu durchwühlen (“Such’ im Schlafzimmer!”).

Angeklagte: “Kann kein Blut sehen”

Sie sei “perplex” und “in Panik” da gestanden und habe ihm gehorcht, behauptete die 41-Jährige. Dabei könne sie kein Blut sehen.

Die Staatsanwältin zeigte sich überzeugt, dass all dies Schutzbehauptungen waren und die Frau die Bluttat allein und ohne Komplizen begangen hatte. “Der Lebensgefährte war an dieser Tat nicht beteiligt”, hielt die Anklägerin fest.

Prozess wird fortgesetzt

Die Verhandlung wird am kommenden Donnerstag mit Zeugenbefragungen fortgesetzt. Geladen sind unter anderem der Ex-Freund der Putzfrau, mehrere Kunden der 41-Jährigen, die von dieser bestohlen worden sein sollen, sowie der Sohn von Maria E. Der 41-Jährigen drohen bei einem anklagekonformen Schuldspruch zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

(apa/red)

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