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Prozessfinale gegen Rotlicht-Boss in Wien: Legale Nachbarschaftshilfe

Richard St. und Mitangeklagte beim Prozess in Wien.
Richard St. und Mitangeklagte beim Prozess in Wien. ©APA
Gegen den Wiener Rotlichtboss Richard St. wurde mehrere Jahre ermittelt, zwei Jahre verbrachte er in U-Haft und bereits 30 Verhandlungstage dauerte der Prozess gegen ihn. Während das Prozessfinale kurz bevor steht, kritisiert sein Verteidiger die Ermittlungsdauer. Außerdem habe sein Mandant kein Schutzgeld erpresst, sondern im Wiener Nachtleben lediglich "eine legale Nachbarschaftshilfe betrieben".
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Prozess wurde vertagt
Prozessfinale am Montag

Ganze fünf Minuten dauerte das Schlussplädoyer der Staatsanwältin am Montag. Sie begnügte sich im Wesentlichen damit, den Polizisten, die seit 2008 gegen Richard St. und dessen Umfeld ermittelt hatten, ein unvoreingenommenes Vorgehen zu bescheinigen. Die Ergebnisse eines Großen Lauschangriffes, umfangreiche Observationen, richterlich genehmigte Telefonüberwachungen und Zeugenaussagen hätten zur Anklage geführt.

Anklage “im vollen Umfang” bestätigt?

Die Belastungszeugen hätten in der Hauptverhandlung “samt und sonders zurückgerudert”, räumte Kerbl-Cortella ein, was sie “auf die Vernehmungsatmosphäre in Anwesenheit der Angeklagten” zurückführte. Sämtliche Beteiligte würden sich “im Rotlicht bewegen”, da falle es schwer, gegenüber der Polizei erhobene Anschuldigungen aufrecht zu erhalten, gab die Staatsanwältin zu bedenken: “Das ist eben das Milieu.” Sie zeigte sich dessen ungeachtet überzeugt, dass das Beweisverfahren die Anklage “im vollen Umfang” bestätigt habe, verlangte dementsprechende Verurteilungen und trat für “unbedingte Freiheitsstrafen” ein.

Verteidiger: Mandant betrieb “Nachbarschaftshilfe”

“Der Beweis für die angebliche kriminelle Vereinigung ist vollkommen fehlgeschlagen”, konterte Christian Werner, der Rechtsbeistand von Richard St. Sein Mandant sei auch von sämtlichen inkriminierten Erpressungen freizusprechen. Der Nokia Club sei keine verbrecherische, sondern vielmehr “eine funktionierende Einrichtung, von der alle profitiert haben” gewesen. Richard St. hätte gegen Entgelt anderen Nachtlokal-Betreibern die Türsteher erspart, sei bei Schwierigkeiten stets zur Stelle gewesen und habe insgesamt für das erhaltene Geld “eine mehr als adäquate Gegenleistung” geboten.

Nach der Festnahme von Richard St. sei es mit dem Frieden im Rotlicht-Milieu vorbei gewesen, hob Werner hervor. Es sei dann wieder zu Sachbeschädigungen und Bauchstichen gekommen.

Kritik an der Verfahrensdauer

In scharfen Worten kritisierte der Verteidiger die aus seiner Sicht überlange Verfahrensdauer. Das Bundeskriminalamt habe seit 2008 ermittelt und auch nach der Inhaftierung seines Mandanten im April 2010 noch Jahre benötigt, um diese abzuschließen – “ein Zeichen, dass man nicht die Ermittlungsergebnisse bekommen hat, die man sich erwartet hat”, so Werner. Richard St. war nach zweijähriger U-Haft vom Wiener Oberlandesgericht (OLG) enthaftet worden, weil Anfang April 2012 noch immer keine Anklageschrift vorlag.

“Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen wurde hier nicht verletzt, sondern ausgeschaltet”, konstatierte Werner. Er geißelte in diesem Zusammenhang auch den Buchsachverständigen, der eineinhalb Jahre für ein Gutachten benötigt habe, was eine in Haftsachen unvertretbar lange Zeit sei. Das Gutachten zur Frage, ob Richard St. mit seinen Geschäften eine betrügerische Krida begangen habe, indem er Gläubiger nicht befriedigte, sei dann auch noch unschlüssig ausgefallen und habe nicht weniger als vier Ergänzungsgutachten nach sich gezogen, gab der Verteidiger zu bedenken.

Geständnis von Richard St.

Werner ersuchte abschließend um ein mildes Urteil, zumal Richard St. zur betrügerischen Krida geständig sei: “Es war aber keine böse Absicht. Er wollte halt das Werkl am Leben erhalten.” Von der inkriminierten Schadenssumme von 1,7 Millionen Euro sei man “meilenweit entfernt”, appellierte der Anwalt an den Schöffensenat (Vorsitz: Stefan Erdei).

Am Dienstag kommen ab 9.30 Uhr noch die Angeklagten kurz zu Wort. Ihnen steht das Recht auf ein abschließendes Statement zu, ehe sich das Gericht zur Beratung über die Schuld- und Straffrage zurückziehen wird. Die Urteile könnten bereits zu Mittag oder am frühen Nachmittag vorliegen. (APA)

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