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Prostituierte angezündet: Für Anwälte kein Mordversuch

Im Wiener Straflandesgericht hat am Dienstag der Schwurprozess gegen den aus Rumänien stammenden Zuhälter Bogdan N. alias "Cretu" begonnen, der am 16. Mai 2010 in einer Disco in Wien-Favoriten eine Prostituierte angezündet haben soll, nachdem einer seiner Handlanger die Frau mit Benzin übergossen haben soll.
Angezündete Prostituierte: Der Angeklagte
Cousin auch in Haft
Feuer-Attacke: "Cretu" verhaftet
"Cretu" vor Gericht

“Aufgrund der Brutalität der Tat würde man eigentlich erwarten, diese Geschichte in einem Roman zu lesen. Aber sie hat sich wirklich zugetragen”, stellte Staatsanwalt Michael Radasztics fest, der dem 31-Jährigen und zwei mitangeklagten Komplizen versuchten Mord vorwarf. Die Urteile werden für Donnerstag erwartet.

Der in der Rotlicht-Szene für seine gewalttätigen Aktionen gefürchtete “Cretu” kassierte von Prostituierten, die im Bereich der Linzer Straße ihrem Geschäft nachgingen, regelmäßig sogenanntes “Standgeld”. Eine 36-jährige Rumänin weigerte sich jedoch beharrlich, ihm Schutzgeld zu bezahlen. Sie ließ sich auch nicht einschüchtern, als sie “Cretu” zufällig in der Disco traf und dieser zunächst handgreiflich wurde, um seine Forderung zu untermauern.

Prostituierte in Flammen gesetzt

Nachdem der Zuhälter seinen Cousin, der ihn stets als eine Art Leibwächter begleitet haben soll, aufgefordert hatte, mit einem Feuerzeug das Haar der Frau anzuzünden, schickte er seinen Chauffeur zum Auto, um Benzin zu holen. Dieser kam mit einer Flasche zurück. “Cretus” Cousin soll damit ein Whiskeyglas gefüllt und den Inhalt der Frau ins Gesicht geschüttet haben. Danach soll “Cretu” persönlich die Frau in Flammen gesetzt haben.

“Sie hatte das Gefühl, ihr Fleisch rinnt ihr aus dem Gesicht. Sie wird die Folgen der Tat ein Leben lang mit sich tragen. Sie ist entstellt und wird es bleiben”, berichtete der Staatsanwalt den Geschworenen. Die Frau dürfte 30 bis 60 Sekunden in Flammen gestanden sein, ehe es ihr gelang, die Flammen einzudämmen, indem sie sich ihre Jacke über den Kopf warf, sich hinfallen ließ und am Boden wälzte. 13 Prozent ihrer Körperoberfläche verbrannten. Zweieinhalb Wochen musste die Frau auf der Intensivstation behandelt werden.

“Denkzettel im Rotlich-Milieu”

Die Staatsanwaltschaft hatte das Trio ursprünglich wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen angeklagt. Beim ersten Prozess im vergangenen März fällte ein Schöffensenat allerdings ein Unzuständigkeitsurteil und begründete damit die Zuständigkeit eines Schwurgerichts. “Aus unserer Sicht hat das bisherige Beweisverfahren ergeben, dass der dringende Verdacht in Richtung versuchten Mordes gegeben ist”, hieß es damals in der Begründung.

“Cretus” Verteidiger Rudolf Mayer und auch die Anwälte der beiden Mitangeklagten betonten einhellig, die ursprüngliche Anklage wäre zutreffend gewesen. Den Angeklagten sei es niemals darum gegangen, die Prostituierte zu töten. Sein Mandant sei “kein Guter”, die Tat “abscheulich, brutal und total verwerflich”, räumte Mayer ein. Wenn es diesem aber darum gegangen wäre, die Frau zu ermorden, “hätte er sie komplett mit dem gesamten Benzin angeschüttet und verbrannt und die Leiche verscharrt. Oder man hätte sie gefesselt, wäre mit ihr in einen Wald gefahren und hätte sie erschossen”.

Die Angeklagten hätten “das typische Denkzettel-Denken in diesem Milieu” umgesetzt, bemerkte Mayer.

Cousin: “Wusste nicht, dass er Frauen anzündet”

Sein Cousin, der 24 Jahre alte Nicolae N., habe sich mit dem Feuerzeug “gespielt, ohne dass jemand was gesagt hätte”, behauptete der bullige Hauptangeklagte. Er selbst habe sich mit der Frau nur deshalb unterhalten, weil ihr Bruder ihm 3.000 Euro geschuldet hätte. “Cretu” stritt ab, von der Prostituierten “Schutzgeld” verlangt zu haben. Er sei schließlich gar kein Zuhälter, sondern arbeite nur als Bodyguard für solche: “Ich habe nicht gewusst, was die mit Frauen machen.”

Die Frau habe Angst bekommen, als sie das Feuerzeug sah: “Ich habe dann gesehen, dass sie brennt.” Er habe das Opfer mit seiner Jacke gelöscht und dann dafür gesorgt, dass die Frau ins Spital kam, stilisierte sich “Cretu” geradezu als Schutzengel.

Diese Aussage stand in diametralem Gegensatz zu den Angaben der Mitangeklagten. “Cretus” Chauffeur gab zu Protokoll, sein Chef habe ihn ersucht, die Flasche mit dem Benzin zu holen. Er sei dem nachgekommen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wozu dieser Benzin in der Disco benötigt wurde. Von der brennenden Frau will der Chauffeur nichts mitbekommen haben. 

Todesdrohungen an Cousin?

Nicolae N. wiederum erklärte, er sei von “Cretu” aufgefordert worden, das Opfer mit der brennbaren Flüssigkeit zu übergießen. “Cretu” habe sie dann angezündet. Nicolae N. machte während der Verhandlung den Eindruck, als würde er sich von “Cretu” fürchten. Dieser soll ihm im Gefängnis Kassiber zukommen haben lassen, in denen er seinen Verwandten unter wüsten Drohungen angeblich bedrängte, die inkriminierte Tat auf sich zu nehmen. Im Zuge der ersten Verhandlung im vergangenen März soll es laut Aussage von Justizwachebeamten auch zu eindeutigen Gesten “Cretus” in Richtung des Cousins gekommen sein, die zumindest von den Beamten als Todesdrohungen interpretiert wurden.

Dass “Cretu” möglicherweise noch im Gefängnis in der Lage ist, Angst und Schrecken zu verbreiten, zeigte sich auch, als Zeugen des Geschehens befragt werden sollten. Zwei frühere Kolleginnen des Opfers – diese selbst ist mittlerweile nach Rumänien zurückkehrt, ihre kontradiktorische Einvernahme wurde im Vorfeld des Prozesses auf DVD gebrannt und wird im Zuge der Hauptverhandlung den Geschworenen vorgespielt – kamen ihrer Zeugenladung ohne Angabe von Gründen nicht nach. Eine junge Frau, die damals ebenfalls in der Disco anwesend war und ursprünglich “Cretu” belastet hatte, erklärte nun im Zeugenstand, diesen an jenem Abend gar nicht wahrgenommen zu haben.

Die Verhandlung wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt. Den Angeklagten drohen jeweils zehn bis 20 Jahre Haft oder lebenslang, sollte die Anklage von den Geschworenen bestätigt werden.

“Cretu” vor dem Richter

 

(apa)

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