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ÖVP fixiert Schelling als Finanzminister

Schelling: Hauptverband-Chef und ÖVAG-Aufsichtsrat mit Liebe zum eigenen Wein.
Schelling: Hauptverband-Chef und ÖVAG-Aufsichtsrat mit Liebe zum eigenen Wein. ©APA
Hans Jörg Schelling wird neuer ÖVP-Finanzminister, Harald Mahrer Staatssekretär im Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium. Das hat der ÖVP-Vorstand auf Vorschlag des neuen Parteichefs Reinhold Mitterlehner am Sonntag in Linz einstimmig beschlossen. Die neuen Regierungsmitglieder werden am Montag angelobt, am Dienstag präsentieren sie sich dem Nationalrat.
Mitterlehner will Finanz nicht
Mitterlehner wird Parteichef
Regierungsteam noch nicht fix
Spindelegger tritt zurück

Keine eineinhalb Stunden dauerte die Vorstandssitzung, danach trat Mitterlehner mit seinem neuen Regierungsteam vor die wartenden Journalisten und sprach von einer “Ansage in Richtung einer bestimmten Erneuerung”. Schelling habe alles zu bieten, was ein Finanzminister brauche. Er habe als Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ein “ganz schwieriges Thema”, nämlich die Gesundheitsreform, mit den Ländern umgesetzt und die Gebietskranken ins Plus gebracht. Zudem sei er ein erfolgreicher Verhandler.

Mahrer wiederum ist für Mitterlehner “ein Querdenker, ein Vordenker”. Gerade im Bereich der Universitäten sei er “das richtige Signal” und insgesamt eine “gute Antwort auf die Herausforderung der Zukunft”.

Schelling zeigte in seiner ersten Stellungnahme selbstbewusst. “Die Probleme sind lösbar”, sagte er mit Blick auf die vor ihm liegende Aufgabe. Mahrer – medial schon als Antwort der ÖVP auf die NEOS dargestellt – hielt sich wie Schelling inhaltlich zurück. Der Konkurrenz der NEOS will er mit programmatischen Überlegungen begegnen. “Die bessere ÖVP ist die ÖVP”, versicherte zu dem Thema Mitterlehner.

Demonstrativ traten nach dem Parteivorstand das gesamte ÖVP-Regierungsteam sowie Generalsekretär Gernot Blümel vor die Kameras. Mitterlehner versprühte ebenso demonstrativ Aufbruchsstimmung: “In Linz beginnt’s” bemühte er den altbekannten Slogan und sprach vom “Durchstarten”.

Kein Thema war laut Mitterlehner im Parteivorstand die neue Dominanz des Wirtschaftsbundes in der ÖVP. Weitere Änderungen im Regierungsteam werde es nicht geben: Angedacht ist bereits eine Regierungsklausur mit der SPÖ, die noch im September stattfinden soll. Wer nach dem Ausscheiden von Finanzstaatssekretär Jochen Danninger – er verabschiedete sich per Aussendung aus der Politik – Regierungskoordinator werden soll, will Mitterlehner am Montag mit der SPÖ besprechen.

Im Vorfeld der Sitzung waren die zuletzt noch kolportierten Widerstände aus Niederösterreich und vom Arbeitnehmerflügel offenbar ausgeräumt worden. Landeshauptmann Erwin Pröll sowie ÖAAB-Chefin Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bestätigten am Sonntag vor der Sitzung, dass sie das Personalpaket unterstützten. Damit war der Weg für Schelling und Mahrer frei. Nach der Sitzung gab es auch von weiteren Landeschefs positive Stellungnahmen.

LH Wallner begrüßt Bestellung Schellings

Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner begrüßt die Entscheidung des Bundesparteivorstandes der ÖVP Hans Jörg Schelling zum designierten Finanzminister zu machen. “Ich habe den neuen Finanzminister Hans Jörg Schelling als kompetenten und robusten Verhandler kennengelernt. Das sind wichtige Voraussetzungen, wenn man bedenkt, was in den nächsten Wochen auf ihn zukommt: Steuerreform, Bürokratieabbau und die Verlängerung des Finanzausgleichs stehen zur Entscheidung an. Dass er Vorarlberger Wurzeln hat, kann sich gerade im Finanzministerium als vorteilhaft erweisen. Jedenfalls ist Vorarlberg auch weiterhin ein verlässlicher und guter Partner, wenn es darum geht, einen vernünftigen Finanzkurs zu fahren – wir bringen hier große Glaubwürdigkeit und Expertise ein”, so der Landeshauptmann in einer ersten Stellungnahme.

Reaktion der Opposition

Die Reaktionen der Opposition reichten von Kritik bis Vertrauensvorschuss. Die FPÖ sah in Schelling einen “Mann des alten Polit-Apparats”, die NEOS gaben sich abwartend. Die Grünen übten wie die ÖH Kritik daran, dass die Regierungsumbildung nicht dafür genutzt wurde, ein eigenes Wissenschaftsressort zu schaffen. Team Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur würdigte Schellings Erfahrungen in der Privatwirtschaft.

Möbelmanager und Sanierer als Finanzminister

Mit Hans Jörg (eigentlich: Johann Georg) Schelling wird eine versierte Führungskraft Chef im Finanzministerium. Als Betriebswirt und Unternehmensberater bringt der 60-Jährige fachliche Qualifikationen mit, und als Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ist er auch bei politischen Verhandlungen Profi. Zu Geld kam der künftige ÖVP-Minister als Geschäftsführer der XXXLutz-Gruppe.

Bereits nach der letzten Nationalratswahl vor knapp einem Jahr war der gebürtige Vorarlberger als Finanzminister im Gespräch. Jetzt hat er den Sprung geschafft. Damals hatte die ÖVP bereits auf sein Verhandlungsgeschick gesetzt und ihn in den Koalitionsverhandlungen für die Partei die Bereiche Finanzen und Pensionen verhandeln lassen. Sein Fachwissen im Bankwesen als Aufsichtsrats-Vorsitzender der Problembank ÖVAG (Volksbanken AG) wird in seiner neuen Funktion als Finanzminister künftig wohl auch gefragt sein. Im Nationalrat saß Schelling vom Februar 2007 bis Oktober 2008 für die ÖVP.

Als Vizepräsident der Wirtschaftskammer kommt der mögliche neue Finanzminister ebenso wie sein neuer Parteichef Reinhold Mitterlehner aus dem Wirtschaftsbund. Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer hat Schellings Geschick bei den Verhandlungen über die Gesundheitsreform zu schätzen gelernt. Ausverhandelt haben sie sie gemeinsam mit Alois Stöger (SPÖ), damals noch Gesundheitsminister, künftig Chef des Infrastrukturressorts.

Verscherzt hat es sich Schelling dagegen mit dem mächtigen niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), weil er Vorschläge für Einsparungen im niederösterreichischen Gesundheitswesen machte. In Sachen Gesundheit und Finanzen kann er als Hauptverbandschef jedenfalls für sich verbuchen, maßgeblich für die Sanierung der Krankenkassen mitverantwortlich zu sein.

In seinem früheren Leben als Möbelmanager hat sich der zweifache Familienvater, der Kochen, Golfen und Segeln als Freizeitbeschäftigungen liebt, einen Zweitwohnsitz am Attersee und ein Weingut gepachtet hat, eine finanzielle Unabhängigkeit geschaffen. Er kann es sich daher leisten, von einer finanziellen Aufwandsentschädigung als Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger von rund 3.000 Euro zwölfmal im Jahr sowie einer Aufsichtsratsentschädigung bei der ÖVAG zu leben. Geld verdient er aber auch noch als selbstständiger Unternehmensberater in Sankt Pölten.

Seine berufliche Laufbahn begann Schelling 1981 bei der Leiner/Kika-Gruppe, 1988 wurde er dort Geschäftsführer. 1992 wurde er Geschäftsführer beim damals noch unbedeutenden Möbel Lutz, 2003 machte er die XXXLutz-Gruppe mit einem Umsatz von 1,25 Milliarden Euro zum größten Möbelhaus Österreichs. 2009 erreichte das Unternehmen einen Umsatz von zwei Milliarden Euro und wurde hinter Ikea zum zweitgrößten Möbelhaus der Welt. Schelling stieg aus und verkaufte seine Anteile.

Schellings Lebensmittelpunkt ist Sankt Pölten, wo er 2001 auch seine politische Laufbahn in der Kommunalpolitik für die ÖVP begann. Große gesellschaftliche Auftritte sind nicht seine Sache. Er kocht stattdessen leidenschaftlich für Freunde auf und serviert seinen eigenen Wein, den er auf dem von ihm gepachteten Weingut von Stift Herzogenburg produziert. Er liefert den Wein auch selbst aus und macht Kellertouren. Als sein Ziel hat er genannt, “für meinen Wein Prämierungen zu bekommen und im Alter ein richtig knorriger Weinbauer zu werden”.

Zur Person: Hans Jörg Schelling

Geboren am 27. Dezember 1953 in Hohenems, verheiratet, zwei Töchter. Studium der Betriebswirtschaft, 1981 Promotion. Ab 1981 bei Kika/Leiner, ab 1988 als Geschäftsführer, 1992 bis 2005 Lutz-Geschäftsführer. Seit 1990 selbstständiger Unternehmensberater. Während seiner Managertätigkeit auch Aufsichtsrat von Palmers (bis 2003), der Telekom Austria (bis 2007) und der Österreichischen Post AG (bis 2007). Von 2007 bis 2008 war er Abgeordneter der ÖVP im Nationalrat. Vizepräsident der Wirtschaftskammer. Von 1.5. bis 16. 12. 2008 AUVA-Obmann, seit 21.1. 2009 Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

(APA)

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