“Für Wien brauchst a G’spür” lautet ein Wahl-Slogan von Bürgermeister Michael Häupl für die bevorstehenden Wien-Wahlen. Oder eben den Boulevard: Denn darauf lassen die Zahlen für die Inseratenvergabe in den Zeitungen wie “Österreich”, “Krone” und “Heute” schließen.
129.450,66 Euro für Fellner-Medien
Alleine im März und April 2015 durfte die Zeitung “Österreich” Inserate in Höhe von 114.529,76 Euro einstreichen. Zusätzliche 14.920,90 Euro gab es für die Regionalausgabe der Fellner Zeitung “Österreich Wien”. Das geht aus einer Erhebung des unabhängigen Medienbeobachtungs-Instituts “Observer.at” heraus. Zur Berechnung wurden die Anzeigenpreise für eine ganzseitige Werbeeinschaltung herangezogen.
Auflage schlägt Qualität
Damit liegt die Boulevard-Zeitung “Österreich” weit vor Qualitätsmedien wie zum Beispiel “Der Standard” (41.589,90 Euro) oder “Die Presse am Sonntag” (12.181,40 Euro). Ähnlich gestaltet sich die Rechnung, wenn man die Inseratekosten für “Kronen Zeitung Wien” (35.720 Euro), “Krone” (8.042,51 Euro) und “Heute” (12.157,32 Euro) summiert. Für die auflagenstarken Blätter ergibt das einen Gesamtbetrag von 55.919,83 Euro. Ähnlich gestaltet sich die Rechnung für Kurier (36.513,75 Euro) und Kurier Wien (15.855,84 Euro). Insgesamt 52.369,59 Euro gab die Öffentliche Hand für Inserate aus.
Das Gesamtvolumen aller Zeitungsinserate hat für den Beobachtungszeitraum (1.3.-26.4.) insgesamt 445.611,16 Euro betragen. Somit flossen rund 30 Prozent aller öffentlichen Ausgaben für Inserate in das Fellner-Medium.
Stadt Wien ist größer Einzelwerber
Wie aus den Meldungen nach dem Medientransparenzgesetz herausgeht ist das Land Wien – mit den ihm nahestehenden Beteiligungen – größter Einzelwerber. Laut Medienbehörde RTR gab die Stadt Wien alleine im Jahr 2014 über 40 Millionen Euro für Inserate und Werbekooperation aus.
50 Millionen Euro für “Boulevard-Blätter”
Insgesamt hat die öffentliche Hand in Österreich seit 2012 rund 500 Millionen Euro an Steuergeldern für Inserate und Werbekampagnen ausgegeben. Alleine im Jahr 2014 sollen Schätzungen zufolge von insgesamt 192 Millionen Euro rund 50 Millionen in Boulevard-Blätter wie “Österreich”, “Heute” und die “Krone” geflossen sein.
Das Verhältnis von Fellner mit Kern und Faymann in Zahlen. #RTR #Medientransparenz pic.twitter.com/n6ttMWeKEM
— Mathias Huter (@mathiashuter) 3. Februar 2015
Häupl: “Wir machen, was wir wollen!”
Während sich Kanzler Faymann bereits für eine Reduktion der Gelder ausgesprochen hat, ließ Bürgermeister Michael Häupl wissen: “Er macht, was er will, wir machen, was wir wollen”.
Wann immer Werner Faymann das Amt wechselt, eine Konstante bleibt: Der Faymann-Effekt http://t.co/DEX3ck6j2s pic.twitter.com/pya0biXO3l — Sahel Zarinfard (@Sahelzone) 9. September 2014
Kabarettist Florian Scheuba beim ADGAR zur Inseratenvergabe in Österreich
Die Vergabe von Inseraten, vor allem in Wien, ruft immer wieder Kritiker auf den Plan und hat über die Landesgrenzen hinweg für Schlagzeilen gesorgt. “Inserate für Hofberichterstattung?” lautete der markante Titel einer NDR-Reportage, die sich mit dem speziellen Naheverhältnis von Politik und Boulevard-Blättern und dessen offensichtlichen Auswirkungen (Stichwort: “Freundliche Schlagzeilen”, Anm. d. Red.) befasste.
Unterberger-Blog auf VIENNA.AT
Auch Dr. Andreas Unterberger befasst sich äußerst kritisch mit der Praxis der Inseratenvergabe. Er selbst war lange Zeit im Journalismus tätig, darunter jahrelang als Chefredakteur der Zeitung “die Presse” und der “Wiener Zeitung”. Nun betreibt er einen journalistischen Blog und veröffentlicht seine Kommentare auch auf VIENNA.at. Sein Urteil über die Inserate ist klar: Es handle sich hierbei schlicht um “Medienkorruption”. Unterberger schreibt sich dabei gerne in Rage, spricht von “Sumpf” und “Bestechung”. “Mindestens zwei Zeitungen hätten ohne diese Inserate längst den Konkurs anmelden müssen”, so das Urteil Unterbergers.