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Skinhead-Reportage: Ermittler geraten unter Druck

Skinheads warfen Ermittlern vor, Druck auf sie ausgeübt zu haben
Skinheads warfen Ermittlern vor, Druck auf sie ausgeübt zu haben ©ORF
Im politischen Geplänkel um eine "Am Schauplatz"-Reportage des ORF über die rechte Szene sind am Wochenende weitere Hauptfiguren hinzugekommen: Die in der Sendung vorkommenden Skinheads warfen den ermittelnden Beamten in Interviews vor, Druck auf sie ausgeübt zu haben, um "Sieg Heil"-Rufe bei einer Kundgebung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Wiener Neustadt zu gestehen.
Interview mit Skinhead Philipp
Skinheads für ORF unglaubwürdig

Die FPÖ, allen voran Parteichef Heinz-Christian Strache, wirft dem ORF und dem “Am Schauplatz”-Redakteur Eduard Moschitz vor, für eine Milieu-Studie “bezahlte Statisten” bei einer Wahlkampfveranstaltung eingeschleust zu haben, um dort als Neonazis Unruhe zu stiften. Der Bericht hatte auch zur Folge, dass die Protagonisten vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in Niederösterreich verhört wurden. Einer der beiden, Kevin, gestand schließlich den “Sieg Heil”-Sager, den auch Strache gehört haben will – allerdings auf Druck, wie er nun sagt.

In einem Interview mit dem “Kurier” distanzierte er sich Kevin wieder von seinem Geständnis: “Ich habe den beiden Polizisten vierzigmal erklärt, dass es nicht so war. (…) Wir können das Spiel gern weiterspielen, haben sie gemeint, aber wenn ihr nicht kooperiert, dann werdet’s euch anschauen. Also hab’ ich halt gesagt, was sie hören wollten.” Auch Kevins Freund Philipp sprach im APA-Interview von Druck der Ermittler. “Mir wollten sie Sachen unterjubeln, die nicht stimmen. Ich sollte etwas aussagen, was nicht stimmt. Das haben sie beim Kevin gemacht und bei meiner Freundin auch.” Die Sicherheitsdirektion Niederösterreich wollte die Aussagen nicht kommentieren. Der zuständige Staatsanwalt war trotz mehrmaliger Versuche seit Freitag für die APA nicht erreichbar.

Empörung wegen der Aussagen der Skinheads kam zu allererst aus der SPÖ. Justizsprecher Johannes Jarolim forderte die Einsetzung einer Kommission, die sich mit den Ermittlungsmethoden auseinandersetzen soll. Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz kündigte eine Anzeige gegen die Ermittler an und erhob schwere Vorwürfe. Es bestehe der konkrete Verdacht, “dass die beiden (Skinheads, Anm.) von Polizisten im Interesse von Strache und der FPÖ zu Falschaussagen gezwungen worden sind”. Alles korrekt scheint für FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl abgelaufen zu sein, der die Beamten in Schutz nahm und von einer “Täter-Opfer-Umkehr” sprach.

Aber auch die Frage, ob die beiden jugendlichen Hauptfiguren in der Reportage von der Redaktion für ihren Einsatz bezahlt worden sind, beschäftigte am Wochenende die Politik weiter. In den Interviews gaben beide Protagonisten an, nun doch mehr als lediglich 100 Euro für die Abgeltung der Persönlichkeitsrechte bekommen zu haben. Für Kevin waren es “insgesamt 700 Euro”, an “drei, vier hundert” will sich Philipp erinnern, der auch “immer was unterschrieben ” habe. Auch Essen und Kleidung soll es gegeben haben, der ORF bestreitet das.

Am Küniglberg wies man die Vorwürfe nach Honorierung der Skinheads entschieden zurück. Kommunikationschef Pius Strobl stellte zum Einen die Glaubwürdigkeit der beiden Skinheads infrage, und verwies zum Anderen auf die interne Buchhaltung: “Der ORF hat keine schwarzen Kassen, dementsprechend hat er keine schwarzen Zahlungen.” Strobl sieht auch die strafrechtlichen Vorwürfe durch die FPÖ – nämlich Anstiftung zur Wiederbetätigung – nach den öffentlichen Aussagen der Jugendlichen in sich zusammenbrechen. Beide wussten nichts davon, dass ihnen 80 Euro für “Sieg Heil”-Sager angeboten worden sein soll.

Vorwürfe und Klagsdrohungen gab es unterdessen auch von ORF-Seite: Der Sendungsverantwortliche für die ORF-Reportagereihe “Am Schauplatz”, Christian Schüller, will Anzeige gegen Strache wegen “übler Nachrede, falscher Zeugenaussage und Anstiftung zum Amtsmissbrauch” erstatten. Eine weitere Anzeige wegen Anzeige will er einbringen, weil offenbar Polizei und Staatsanwaltschaft die FPÖ “im Stundentakt über alle ihre Amtshandlungen in dieser Causa” informiert hätten. Der von der FPÖ wiederholt vorgebrachte Vorwurf, dass jenes Band, das der Staatsanwaltschaft ausgefolgt wurde, manipuliert worden sei, soll nun von einem Sachverständigen geklärt werden.

Geklärt wissen will die Angelegenheit auch die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien – und pocht weiterhin auf die Herausgabe des Videobandes durch den ORF. OStA-Leiter Werner Pleischl zeigte sich davon “überzeugt, dass man eine Lösung finden wird, die von beiden (dem ORF und der Justiz, Anm.) akzeptiert wird”. Sollte das scheitern, “werden wir die zwangsweise Durchsetzung bei Gericht beantragen”. Der ORF will die Herausgabe “mit allen juristischen Mitteln bekämpfen”, erklärte Generaldirektor Alexander Wrabetz.

Als einziger Gewinner des Zwists dürfte sich die Reportage mit dem Titel “Am rechten Rand” herausstellen. Die triste Milieustudie verzeichnete Donnerstagabend Rekordquoten. Trotz des späten Sendeplatzes um 22.30 Uhr gab es mit durchschnittlich 458.000 Zusehern laut ORF eine absolute Spitzenreichweite. Die Sonderausgabe des “Club 2” erreichte mit im Schnitt 378.000 Zuschauer und 39 Prozent KaSat-Marktanteil auch die bisher höchsten Marktanteile.

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