Primadonna Rose, bekannt für späte Auftritte, ließ sein Publikum bis knapp 22.30 Uhr warten, um dann mit einem musikalischen Durcheinander namens “Chinese Democracy” zu starten. Besser als der Titelsong vom lauwarmen Album-Comeback kam das folgende “Welcome To The Jungle” an, obwohl es hinten und vorne dröhnte und schepperte und jeder Ansatz einer Melodie in Lärm erstickt wurde. Musikalisches Chaos war zwar immer schon Bestandteil der Gunners-Show, aber früher versprühte das den Geruch von Exzess, diesmal bloß von Tragik.
Tarnen und Täuschen gehört im Showgeschäft dazu. Wenn etwa Kiss neue Musiker in die Masken der ausgedienten Mitglieder stecken oder Queen sich als Musical wiederbeleben. Damit der Schmäh bei GN’R funktioniert, hat man einem der Gitarristen einen Zylinder ähnlichen Hut aufgesetzt und eine Zigarette beim Solieren zwischen die Zähne gesteckt. Die Kopie ist trotz dieser Accessoires und Beingrätsche kein Slash. Der tourt längst weit weg von Axl und hat ohne den Namen Guns N’ Roses weniger Publikum, aber proportional mehr Glaubwürdigkeit.
“Mr. Brownstone” und “You Could Be Mine” in Heavy-Metal-Haudrauf-Arrangements mögen Fans der ersten Stunde erschreckt haben, waren jedoch trotz allem Songs mit Struktur. Was man von den jüngeren Stücken nicht behaupten konnte: viel Krach, brüllende Gitarren, Migräneanfälle auslösende Bässe und einen Sänger, der sich selbst niederzuschreien versuchte, galt es zu ertragen.
Dass Herr Rose eine der markantesten Stimmen des Rock hat, blitzte später doch durch: etwa beim Wings-Cover “Live And Let Die” oder bei der großartig größenwahnsinnigen Pathos-Ballade “November Rain” (eingeleitet von einer ordentlichen “Another Brick In The Wall”-Version). Und gelegentlich zündeten die Hits wirklich – etwa bei der letzten Zugabe “Paradise City”. Wirklich gut war das Konzert trotzdem nie. Bei der katastrophalen Interpretation von AC/DCs “Whole Lotta Rosie” gegen Ende war die Schmerzgrenze ganz überschritten.