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Messie-Tagung widmet sich Forschung und Behandlung

Zeitungsberge, leere Milchpackerl und Joghurtbecher stapeln sich in den Zimmern. Einzelne Räume sind nicht begehbar, statt dem eigenen Klo wird die Toilette vom Wirt im Erdgeschoß benutzt.

Messies leben einen Alltag, den sich selbst die schlampigsten Chaoten nicht vorstellen können. Eine Tagung an der Wiener Sigmund Freud Privatuni (SFU) widmet sich kommenden Freitag und Samstag zum dritten Mal dem krankhaften Syndrom, das mit verschiedenen therapeutischen Behandlungen bekämpft werden kann.

“Sie sind Schauspieler draußen – und drinnen in der Wohnung bricht das Chaos aus”, erklärte Therapeutin Elisabeth Vykoukal am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die meisten hätten eine unauffälligen Beruf, seien sehr freundlich, durchaus auf körperliche Hygiene bedacht und sensibel. Vor allem Männer und zwischen 40- und 60-Jährige würden Hilfe suchen. Die Gier nach dem Wunsch “Es muss alles zur Verfügung stehen!” beherrsche Messies. Viele könnten ihre Erinnerungen nicht gut wahrnehmen und würden daher versuchen die Vergangenheit durch Gegenständen – Fotos und Zeitungen – festzuhalten.

“Das Messie-Syndrom ist an und für sich eine Störung, die es schon sehr lange gibt”, betonte Uni-Rektor Alfred Pritz. In der Literatur existiere der “pathologische Sammler” schon seit Jahrzehnten – auch in anderen Ländern wie China, in Städten aber auch am Land in Bauernhäusern gebe es Messies. “Wir vermuten das es überall vorkommt”, so Pritz. Genauere Aussagen über die “junge” Erkrankung traut sich der Rektor allerdings nicht zu, viel zu wenig erforscht sei die Störung. Weltweit gebe es nur zwei wissenschaftliche Zentren – jenes in Wien sowie eines in den USA. Die Zahl der Betroffenen könne in Österreich nur geschätzt werden, rund 30.000 sollen es sein. Häufig sei das Vermüllen der eigenen Wohnung eine Begleiterscheinung von Depression oder Demenz.

Feststellen, wer davon betroffen oder einfach nur ein Privat-Archivar ist, lässt sich allerdings relativ einfach. Beim Betrachten von Räumen kann ein sogenannter Messie House Index (MHI) erstellt werden, der widerspiegelt wie viele Quadratmeter der Wohnfläche benützbar sind und ob essenzielle Einrichtungen – wie Klo, Bett oder Herd – erreichbar sind. Zusätzlich sei der Leidensdruck ein wichtiger Faktor, erklärte Vykoukal.

Ist das Leben in den vollgeräumten Zimmern eine Qual, der Gedanke ans Entrümpeln gleichzeitig aber eine Horrorvorstellung, sei dies typisch für die ambivalente Situation eines Messies. Betroffene würden sogar mehrere Lagerabteile oder Wohnungen mieten, um keinen ihrer “Schätze” vernichten zu müssen. Erstrecken würde sich die Sammelleidenschaft auch auf virtuelle Sphären – das Horten von SMS oder E-Mails.

Bei der Tagung in Wien sollen bisherige Forschungserkenntnisse vorgestellt werden. Der Kino-Film “Sieben Mulden und eine Leiche”, die Vorstellung des Buches “Das Messie-Syndrom” aber vor allem Vorträge über Behandlungsmöglichkeiten stehen auf dem Programm. Ganz wegtherapieren könne man die Erkrankung allerdings nicht, so Vykoukal. Vielmehr gehe es darum, einen Weg zu finden, den Alltag erträglich zu gestalten.

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