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Lebensgefährten wegen "Kurschatten" niedergestochen: Wienerin vor Gericht

Die Wienerin ist wegen versuchten Mordes angeklagt.
Die Wienerin ist wegen versuchten Mordes angeklagt. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Am Montag, 23. Oktober, muss sich eine 54-jährige Wienerin vor einem Schwurgericht verantworten, weil sie mit einem Messer auf ihren Lebensgefährten losgegangen ist und diesen mehrmals in Brust und Achsel gestochen hat.
Frau attackiert Lebensgefährten mit Messer

Auf eine Ehe und drei mehrjährige Lebensgemeinschaften hat eine 55-jährige Wienerin am Montag am Landesgericht für Strafsachen zurückgeblickt: “Die letzte Beziehung war die beste, die ich je gehabt habe.” Dennoch versetzte sie dem gleichaltrigen Mann – einem Mitarbeiter der Wiener Linien – am 7. Oktober 2016 15 Messerstiche in Rücken, Gesicht, Brust und Bauch. Der 55-Jährige überlebte.

Hintergrund für die Messerattacke war eine andere Frau, die der Mann vier Monate zuvor während eines Kur-Aufenthalts kennengelernt hatte. In der Beziehung, die er seit acht Jahren führte, hatte es zuletzt zu kriseln begonnen, weil er und seine Partnerin mit dem Ausbau eines Hauses finanziell und arbeitsmäßig belastet waren. Aus der neuen Frau, die zunächst als “Kurschatten” ins Leben des 55-Jährigen trat, wurde seine Geliebte, und am Ende wollte er mit seiner Lebensgefährtin Schluss machen.

55-Jährige wegen versuchten Mordes angeklagt

“Sie wollte ihn nicht kampflos aufgeben”, schilderte Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig einem Schwurgericht (Vorsitz: Ulrich Nachtlberger), vor dem sich die 55-Jährige nun wegen versuchten Mordes verantworten musste. Die Angeklagte hätte zunächst das Handy ihres Partners kontrolliert. Als sie aufgrund dessen feststellen musste, dass sie mehr und mehr aufs Abstellgleis geriet, flüchtete sich die betrogene Frau in verstärkten Alkoholkonsum. Außerdem ließ sie sich Beruhigungs- und Schlafmittel verschreiben.

Als mehr oder weniger klar war, dass die Beziehung vor dem Aus stand, hatte sich das Paar nicht mehr viel zu sagen. Am Abend des 7. Oktobers, nachdem man einander nach der Arbeit kurz im gemeinsamen Stammlokal getroffen hatte, gingen die beiden nach Hause, wo der Mann Penne mit selbst gemachtem Bärlauch-Pesto zubereitete. Nach dem Essen, als sich die 55-Jährige mit einem weiteren Glaserl Wein vor den Fernseher setzte, zog er sich ins Schlafzimmer zurück. Gegen 21.30 Uhr zog sich der Wiener Linien-Mitarbeiter noch einmal um, packte einen Rucksack zusammen und wollte sich auf den Weg zu seiner Geliebten machen.

Frau stach mehrmals auf Lebensgefährten ein

Auf die Frage seiner überraschten Lebensgefährtin, wohin er denn gehe, erwiderte der 55-Jährige: “Das geht dich einen Dreck an.” “Na, bleib da, red’ ma”, bat die Lebensgefährtin. Mit den Worten “Na, i kumm morgen eh wieder” bückte sich der Mann, um sich die Schuhe anzuziehen.

“In dem Moment hab’ ich gespürt, wie sie mir von hinten in den Rücken sticht”, berichtete der 55-Jährige im Zeugenstand. Er sei “total überrascht” gewesen: “Es hat keinen Streit, keine Diskussion gegeben.” Weil sie ihm den Weg zur Haustür versperrte, sei er ins Wohnzimmer geflüchtet: “Dort hab’ ich mich vor Schmerzen am Boden gekrümmt.” Sie habe ihm ins Gesicht gestochen, sich auf ihn gesetzt und weiter zugestochen.

Mann verständigte mit Handy Polizei

Der Mann schilderte gespenstische Szenen. Nach einigen Stichen habe die Frau von ihm abgelassen und sich auf eine Eckbank gesetzt: “Mir hat’s den Eindruck gemacht, sie tut fernschauen und rauchen.” Als er um Hilfe bat und bettelte, sie möge die Rettung rufen, habe sie “Du dreckiger Hund sollst krepieren” von sich gegeben. Dann habe sie wieder ein paar Mal hingestochen. Auf neuerliches Flehen, endlich aufzuhören, habe er “Jetzt hab’ ich dir in die Leber gestochen, jetzt geht es schnell” zu hören bekommen. Er habe keinen Mucks mehr von sich gegeben, um nicht weitere Angriffe zu provozieren.

Am Ende rutschte die Frau – offensichtlich von ausgiebigem Alkoholkonsum beeinträchtigt – von der Bank auf den Boden und war nicht mehr ansprechbar. Diese Situation nutzte der Mann, um mit ihrem Handy die Polizei zu verständigen. Dann robbte er zur Haustür und sperrte noch auf, bevor die Einsatzkräfte eintrafen. Seiner Einschätzung sei “mindestens eine Stunde” vom Beginn bis zum Ende der gegen ihn gerichteten Angriffe verstrichen, bemerkte der Zeuge abschließend.

55-Jährige war stark alkoholisiert

Die Angeklagte bekannte sich nicht schuldig und führte die Tat auf den im Übermaß genossenen Alkohol zurück. Schon nach ihrer Arbeit und vor dem zwischenzeitlichen Besuch eines Nagelstudios habe sie mit dem Trinken begonnen. Ihrer Einschätzung nach hatte sie schon vor dem Abendessen acht Spritzer und vier bis fünf doppelte Wodka intus. Zu Hause habe sie noch zwei oder drei Gläser Weißwein getrunken. Ihr fehle jede Erinnerung, weshalb und wann sie zu den Messern griff – laut Anklage soll die Frau nicht weniger als fünf verschiedene Exemplare benutzt haben: “Es hat ja keinen Streit gegeben. Ich kann’s mir bis jetzt nicht erklären. Ich habe diesen Menschen geliebt. Es ist für mich unvorstellbar. Nach wie vor.”

Fest steht, dass die Frau nach ihrer Festnahme schwer betrunken war. Eine um 00.44 Uhr vorgenommene Untersuchung mit einem Alko-Vortest-Gerät ergab einen Wert von 2,8 Promille. Im Hinblick darauf und verbunden mit dem Umstand, dass die Angeklagte zusätzlich unter dem Einfluss von Pharmazeutika stand, lag für Verteidiger Farid Rifaat mit Sicherheit kein versuchter Mord vor. Seine Mandantin habe im Zustand der vollen Berauschung gehandelt: “Da war eine tief greifende Bewusstseinsstörung, wo die Steuerungsfähigkeit und die Kontrollmechanismen aufgehoben waren”. Um in diesen Zustand zu kommen, “muss man nicht hin in der Marille sein”. Eine Alkoholisierung jenseits von 2,5 Promille bewirke dasselbe, verwies Rifaat auf einschlägige Judikatur.

Geschworenen müssen über Urteil entscheiden

Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann bewertete das inkriminierte Geschehen als “explosionsartigen Ausbruch von Aggressionen”. Ob die Frau vorsätzlich in Tötungsabsicht handelte oder sich rauschbedingt in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hatte, was eine Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren zur Folge hätte, müssen die Geschworenen entscheiden. Die Verhandlung ist bis 18.00 Uhr anberaumt.

Laut psychiatrischem Sachverständiger befand sich 55-Jährige in Ausnahmezustand – Gutachter ging[…]
Partner überlebte 2 –

Angeklagter “brach Lebenskonzept zusammen”

Die bisherige Lebensgeschichte der 55-jährigen Angeklagten zeichnet sich nach Ansicht des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann durch “eine Aneinanderreihung von todunglücklichen Beziehungen” aus. Dass am Ende auch jene scheiterte, die sie als beständig angesehen hatte, habe ihr “den Boden unter den Füßen weggezogen. Ein gesamtes Lebenskonzept ist zusammengebrochen”, sagte Hofmann.

Die vorangegangene Ehe der Frau war am Alkoholismus und Fremdgehen des Mannes gescheitert. Die folgende Lebensgemeinschaft fand ein Ende, weil sie den Kinderwunsch ihres Partners nicht erfüllen konnte. Eine weitere Beziehung folgte, die ebenfalls einen unglücklichen Ausgang nahm. Trotz alldem habe die Angeklagte “ihr Leben hervorragend gemeistert” und “ihre Probleme großartig bewältigt”, gestand ihr Hofmann zu.

Wiener Linien-Mitarbeiter wollte “die nächsten 99 Jahre” mit Frau verbringen

In ihrem letzten Partner vermeinte die Ordinationsgehilfin, spät, aber doch, das Glück ihres Lebens gefunden zu haben. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Mitarbeiter der Wiener Linien ihr versicherte, er wolle “die nächsten 99 Jahre” gemeinsam mit ihr verbringen. Auch eine Hochzeit stand im Raum. Die Illusion platzte, als sich der 55-Jährige während eines Kur-Aufenthalts in eine andere Frau verliebte.

Im Unterschied zu Verteidiger Farid Rifaat war der Gerichtspsychiater nicht davon überzeugt, dass bei der Angeklagten die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit aufgrund einer hochgradigen Berauschung aufgehoben waren, als sie auf den Mann einzustechen begann. Hofmann zweifelte die von der 55-Jährigen behaupteten Alkoholmengen an, die sie ab den Nachmittagsstunden zu sich genommen haben will. Ihren Angaben zufolge wäre sie nach 20.00 Uhr mit drei bis viereinhalb Promille berauscht gewesen.

Zweifel an starker Alkoholisierung der Angeklagten

“Das wäre sofort aufgefallen. Durch Lallen, Nicht-mehr-gehen-Können, Reagieren im Primitivjargon”, sagte Hofmann. Bei einem solchen Wert “bewegen wir uns in Bereichen, die mit Steuerungs- und Handlungsfähigkeit nicht mehr vereinbar sind”. Dem stünden die von der Frau nachweislich gesetzten Handlungen entgegen. Der Sachverständige gelangte deshalb zur Auffassung, dass die Frau vor der Bluttat weit weniger, dafür aber währenddessen und danach, also vor dem Eintreffen der Polizei Alkohol getrunken haben dürfte.

Fest steht, dass die Frau rund eine Stunde nach ihrer Festnahme knapp 2,8 Promille im Blut hatte. Sie behauptet, sich an die Messerattacke nicht mehr erinnern zu können.

Mehrfach lebensgefährliche Verletzungen

Der 55-Jährige erlitt laut Gerichtsmediziner Christian Reiter mehrfach lebensgefährliche Verletzungen. Die Brusthöhle und der Bauchraum wurden eröffnet, der Magen zwei Mal, das Zwerchfell ein Mal durchstochen. Ohne rasche ärztliche Hilfe wäre der Mann verblutet, sagte Reiter. Auf die Frage, ob beim Betroffenen schwere Dauerfolgen gegeben seien, bemerkte Reiter: “Die sind aus medizinischer Sicht nicht eingetreten, auch wenn er nicht schöner ausschaut.” Ob die zahlreichen Narben am Körper des Mannes als auffallende Verunstaltungen zu qualifizieren sind, sei eine Rechtsfrage und obliege nicht seiner Beurteilung, bemerkte Reiter.

Um 15.15 Uhr wurde mit den Schlussvorträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung begonnen. Mit dem Urteil war jedenfalls nicht vor 17.00 Uhr zu rechnen.

APA/Red.

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