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Duma billigt Beitritt der Krim - Westen erhöht Druck auf Russland

Russisches Parlament will heute über Annexion der Krim abstimmen.
Russisches Parlament will heute über Annexion der Krim abstimmen. ©AP
Im Streit um den Anschluss der Halbinsel Krim an Russland treibt der Westen die internationale Isolierung Moskaus voran. Vor dem EU-Gipfel in Brüssel machte die deutsche Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung deutlich, dass sie Moskau derzeit nicht mehr als Mitglied der Staatengemeinschaft G-8 sieht. Ungeachtet dessen machte das russische Parlament den Weg für die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation mit überwältigender Mehrheit frei.

Die Staatsduma ratifizierte am Donnerstag den Beitrittsvertrag, wie die Agentur Interfax meldete.

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Der russische Präsident Wladimir Putin und die moskautreue Führung der von Kiew abtrünnigen Halbinsel hatten das Dokument am Dienstag unterzeichnet. Die neue ukrainische Regierung sowie die EU und die USA kritisieren den Schritt als Verletzung des Völkerrechts. An diesem Freitag soll noch der russische Föderationsrat dem Beitritt zustimmen.

Gegenseitige Sanktionen USA-Russland

Die USA und Russland haben am Donnerstag gegenseitige Sanktionen verhängt. US-Präsident Barack Obama gab Strafmaßnahmen gegen hochrangige Russen bekannt. Zudem machte er mit einem Erlass den Weg für etwaige weitere Maßnahmen gegen zentrale Teile der russischen Wirtschaft frei. Moskau wiederum bedachte die Republikaner John Boehner und John McCain mit Einreiseverboten.

Aus Regierungskreisen in Washington verlautete, betroffen seien zwanzig Personen und die Rossija-Bank, die viele hochrangige russische Vertreter als Kunden habe. Kurz darauf verhängte Russland seinerseits Strafmaßnahmen gegen neun US-Abgeordnete und -Regierungsmitglieder. Man habe die USA gewarnt, dass Sanktionen “wie ein Bumerang” wirken würden, erklärte das Außenministerium in Moskau.

EU-Beratungen – Russland drohen Wirtschaftssanktionen

Merkel drohte bei einer weiteren Eskalation der Lage am Donnerstag mit Wirtschaftssanktionen. Auf ihrem zweitägigen Gipfel wollen die EU-Staats- und Regierungschefs nach Merkels Angaben Reisebeschränkungen und Kontensperren gegen weitere Personen verhängen. Der finnische Ministerpräsident Jyrki Katainen sagte in Brüssel, er hoffe, dass die von der EU angedrohten Wirtschaftssanktionen gegen Russland vermieden werden können. “Die größte Auswirkung auf die Wirtschaft kommt von den Marktkräften”, betonte er.

Merkel: G-8 gibt es vorerst nicht mehr

Für die deutsche Bundeskanzlerin gehört Russland wegen der Krim-Krise vorerst nicht mehr zur Gruppe der acht führenden Industrienationen (G-8). “Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format wie die G-8 nicht gegeben ist, gibt es die G-8 nicht mehr – weder den Gipfel noch die G-8 als solches”, sagte die Regierungschefin am Donnerstag im deutschen Bundestag.

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Die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Kanada sowie Frankreich und Italien haben die Vorbereitungen für das G-8-Treffen im Juni im russischen Sotschi ausgesetzt. Die Gruppe wurde Mitte der Siebziger Jahre als G-7 gegründet, Russland war 1998 als Mitglied aufgenommen worden.

Zweite Stufe im dreistufigen EU-Sanktionsverfahren

Die EU hatte Anfang März die Umsetzung der zweiten Stufe des dreistufigen Sanktionsverfahrens beschlossen und Einreise- und Vermögenssperren gegen 21 Ukrainer und Russen ausgesprochen. Bei einer weiteren Verschärfung der Lage sei die Europäische Union jederzeit bereit, weitere Schritte einzuleiten, sagte Merkel: “Und dabei wird es ganz ohne Zweifel auch um wirtschaftliche Sanktionen gehen.” Offen sei, ob die Ende April geplanten deutsch-russischen Regierungskonsultationen stattfinden.

Sanktionen – der Stufenplan:

STUFE I: Bereits jetzt werden die Verhandlungen der EU mit Russland über Visa-Erleichterungen sowie über das neue Grundlagenabkommen ausgesetzt. Das ist nach Angaben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine “erste aktive Maßnahme”.

STUFE II: Weitere Maßnahmen sollen folgen, wenn die vorgeschlagene Kontaktgruppe zur Lösung des Konflikts nicht in den nächsten Tagen zustande kommt beziehungsweise keine entsprechenden Resultate in einem “überschaubaren Zeitraum” vorliegen. Geplant sind dann Reisebeschränkungen sowie Kontensperrungen bestimmter Personen, die “im Zusammenhang mit Handlungen in der Ukraine bedeutend sind”. Die Aktionen könnten in Kürze auf einem Sondergipfel beschlossen werden. Auch könnte der EU-Russland-Gipfel abgesagt werden.

STUFE III: Sollte Russland weitere Maßnahmen zur Destabilisierung vornehmen – zusätzlich zur Krim etwa in der Ost-Ukraine – oder militärische Aktionen ergreifen, soll es zu einer “weitreichenden Veränderung der Beziehungen zu Russland kommen, die laut Merkel “eine breite Palette wirtschaftliche Maßnahmen beinhalten kann”. Näher spezifiziert wurden diese zunächst nicht. Die Wirkung sei, dass man diese vorher nicht Tage lang diskutiert, so Merkel.

Der EU-Gipfel verurteilte die Verletzung der Souveränität der Ukraine durch Russland. Außerdem hält die EU das vom Krim-Parlament angesetzte Referendum über einen Beitritt der Halbinsel zu Russland für “illegal”, sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Merkel. Dies sei “nicht mit der ukrainischen Verfassung vereinbar”.

Die russische Regierung kritisierte das Vorgehen des Westens. “Einseitige Sanktionen haben nie etwas Gutes gebracht, sie sind illegitim”, sagte Außenminister Sergej Lawrow vor dem Parlament in Moskau.

Zweitägiger EU-Gipfel in Brüssel

Auf dem zweitägigen EU-Gipfel soll der politische Teil des EU-Assoziierungsvertrages über einen Reformdialog mit der Ukraine unterzeichnet werden. Debattiert werden soll auch darüber, wie die EU-Staaten unabhängiger von russischen Gas- und Öllieferungen werden können.

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“Wir müssen mit Nachdruck am europäischen Energiebinnenmarkt arbeiten”, sagte Merkel. Bezugsquellen und Transporte müssten erweitert und Abhängigkeiten weiter verringert werden. Der Wirtschaftsteil des Assoziierungsabkommens mit dem Freihandel im Mittelpunkt soll erst später unterschrieben werden.

Hitzige Wortgefechte im UN-Sicherheitsrat

Im UN-Sicherheitsrat kam es am Mittwoch (Ortszeit) in New York zu hitzigen Wortgefechten zwischen den Botschaftern Russlands und der USA. Die US-Diplomatin Samantha Power warf dem Kreml Diebstahl vor: “Ein Dieb kann Eigentum stehlen, aber damit geht der Besitz nicht automatisch auf den Dieb über.”

Russland beschuldigte die USA daraufhin vor, sich auf “Boulevardzeitungs-Niveau” herabzulassen. Ansonsten zeigte sich Botschafter Witali Tschurkin aber betont gleichgültig: “Wir haben die Reaktionen der westlichen Länder zur Kenntnis genommen.”

Obama: “Keine militärische Intervention”

US-Präsident Barack Obama schloss eine amerikanische Militärintervention in der Krim-Krise aus. “Wir werden uns in der Ukraine nicht auf ein militärisches Eingreifen einlassen”, sagte er dem lokalen TV-Sender NBC 7 San Diego. Stattdessen werde man alle diplomatischen Wege gehen, damit die internationale Gemeinschaft eine “klare Botschaft” an die Adresse Russlands schicke.

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USA und Ukraine halten an “Rapid Trident” fest

Die USA und die Ukraine wollen einem Bericht des britischen “Guardian” zufolge an ihrer für Juli geplanten gemeinsamen Militärübung “Rapid Trident” festhalten. Auch Großbritannien werde Soldaten schicken, habe sich aber noch nicht entschieden wie viele, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Londoner Regierungsquellen. Das Manöver findet seit 2006 jährlich statt. Frankreich will ein großes Rüstungsgeschäft mit Russland vorerst nicht stoppen. Die Frage nach der Lieferung von zwei Hubschrauberträgern der Mistral-Klasse werde sich erst im Oktober stellen, sagte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Donnerstag in einem Interview des Nachrichtensenders BFMTV.

Krim: Russland rüstet weiter auf

Russland kündigte unterdessen einen weiteren Aufbau seiner Streitkräfte auf der Krim an. “Es wird notwendig sein, die militärische Infrastruktur auf der Halbinsel auszubauen, damit die Krim ein würdiger Vertreter der Russischen Förderation sein und gegen alle möglichen Übergriffe geschützt werden kann”, zitierte die Nachrichtenagentur Itar-Tass am Donnerstag Vize-Verteidigungsminister Juri Borisow.

Ukraine ordnet Rückzug aufs Festland an

Nach der Machtübernahme prorussischer Kräfte auf der Krim kündigte die ukrainische Führung inzwischen den Rückzug des eigenen Militärs auf das Festland an. Die Maßnahme sei nur vorübergehend, sagte der Chef des nationalen Sicherheitsrates in Kiew, Andrej Parubij, am Mittwoch nach Angaben der Agentur Unian.

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Prorussische Milizen stürmen Marinebasis auf Krim

Kurz zuvor hatten prorussische Kräfte das Hauptquartier der ukrainischen Flotte in der Hafenstadt Sewastopol gestürmt.

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Der Sicherheitsrat der früheren Sowjetrepublik versetzte das eigene Militär in volle Kampfbereitschaft. Zudem kündigte die prowestliche Führung in Kiew an, eine Visapflicht für Russen einzuführen.

Krim-Referendum: 95,5 Prozent für Angliederung

Auf der Krim hatten die Bewohner am Sonntag bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt.

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Annexion: “Eklatanter Bruch internationalen Rechts”

Die Ukraine, zu der die Halbinsel völkerrechtlich gehört, sowie der Westen werfen Russland einen eklatanten Bruch internationalen Rechts vor. Im UN-Sicherheitsrat gab sich das Land aber erneut unbeeindruckt vom westlichen Protest.

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Erster Kontakt zwischen Moskau und Kiew

Erstmals seit dem umstritten Referendum auf der Krim haben sich Moskau und Kiew auf Ministerebene ausgetauscht. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe bei einem Telefonat mit seinem ukrainischen Kollegen Igor Tenjuch “verschiedene Aspekte der Krise in der Ukraine und Maßnahmen zur Deeskalation der Lage auf der Krim” besprochen, teilte das Ministerium in Moskau am Donnerstag mit. Das Gespräch habe auf Wunsch der ukrainischen Seite stattgefunden. Dabei hätten die Ressortchefs vereinbart, die Kontakte fortzusetzen.

(red/APA)

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