Die “Drehscheibe” hat sich mit der Betreuung und Rückführung von bettelnden Kindern in ihre Heimatländer in der Fachwelt einen Namen gemacht.
Hilfe bei Zwangsprostitution
Die Betreuung unbegleiteter minderjährige Flüchtlinge stellt ebenso eine neue Herausforderung dar wie der Umgang mit Teenagern, die mitten in Wien aus der Zwangsprostitution geholt wurden. “Die Mädchen sind 16, 17 Jahre alt und kommen häufig aus Ungarn”, sagte der Leiter der “Drehscheibe”, Norbert Ceipek, im Gespräch mit der APA.
Gelockt, geschleppt, verlassen
Die Betroffenen – allein im vergangenen Jahr wurden in der Einrichtung zehn von ihnen betreut – kamen laut Ceipek überwiegend aus desolaten Verhältnissen und waren deshalb in ihrem Heimatland in Heimen untergebracht. Von dort seien sie mit falschen Versprechungen weggelockt worden: Von Burschen, die ihnen eine gemeinsame Zukunft vorgaukelten, sie nach Wien brachten, sie unter einem Vorwand einem anderen “Freund” anvertrauten und selbst verschwanden.
“Die typische Loverboy-Geschichte”, sagt Ceipek. Die Mädchen landen schließlich in Unterkünften, in denen sie sich so lange an Männer verkaufen müssen, bis sie von der Polizei aus der Zwangsprostitution geholt werden. “Offenbar gibt es da eine Organisation, an deren Hintermänner sehr schwer heranzukommen ist.”
Kinder erzählen Fremden kaum etwas
Von den Mädchen selbst sei nur wenig zu erfahren, berichtete der Leiter der Betreuungseinrichtung. “Es ist für die Betroffenen natürlich sehr schwierig, mit Fremden darüber zu reden. Außerdem steht die Befürchtung dahinter, bei der Rückkehr in das Heim zum allgemeinen Gesprächsthema zu werden”, erläuterte Ceipek. “Die Sozialbehörden in Ungarn legen mittlerweile großes Augenmerk auf diese Problematik.”
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geschleppt
Zum Teil jünger sind Schützlinge der “Drehscheibe”, die als unbegleitete Flüchtlinge aus unsicheren oder kriegsführenden Ländern nach Österreich kamen, häufig mithilfe von Schleppern. “Die Kinder werden immer jünger, anscheinend, weil sie leichter zu schmuggeln sind, oder auch, um der Altersfeststellung zu entgehen”, sagte Ceipek. Diese gesetzliche Maßnahme wird deshalb angewendet, weil sich in der Vergangenheit volljährige Asylwerber oft als Jugendliche ausgegeben haben, um in den Genuss bestimmter rechtlicher Privilegien zu kommen.
Arbeit der Wiener Betreuungseinrichtung
Die Kinder – oft aus Afghanistan, Pakistan und Nordafrika – haben in Österreich eine sichere Unterkunft, Betreuung und gehen in die Schule. Ceipek bescheinigte ihnen außergewöhnlichen Lerneifer. Sie haben zugleich auch Heimweh und das Bewusstsein, dass auf ihnen die Hoffnungen ihrer Familie lasten. Eine Vorstellung, von der die Sozialarbeiter berichten: Im “Westen” kann man pro Monat 700 Euro verdienen – ein kleines Vermögen für eine Familie, die in Afghanistan mit einem 50 bis 80 Euro auskommen muss.
Flüchtlinge skypen mit der Familie
Die jungen Flüchtlinge dürfen auf Wunsch einmal pro Woche – wenn die Familie die Möglichkeit hat – via Skype mit ihren Angehörigen reden. “Wir bemerken dann, dass die Burschen danach ein, zwei Tage lang ‘weg’ sind”, berichtete Ceipek. “Ein 13-Jähriger ist ‘gekippt’, nachdem ihm seine Mutter in Kabul Vorwürfe gemacht hatte, weil er noch kein Geld geschickt hat. Der Bub musste psychiatrisch behandelt werden.”
Auf Unverständnis stoße bei den in Armut lebenden Eltern manchmal auch die Tatsache, dass die Jugendlichen ihr Taschengeld überwiegend in Internet-Cafes ausgeben, um via Facebook Verbindung zu Menschen in ihrer Heimat zu halten. Sie bekommen altersabhängig fünf bis sieben Euro pro Woche.
(apa/red)