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Gebaute Pädagogik

Aufgrund des schlechten baulichen Zustands der Schulgebäude aus den 1960er-/70er-Jahren war eine Sanierung notwendig geworden.
Aufgrund des schlechten baulichen Zustands der Schulgebäude aus den 1960er-/70er-Jahren war eine Sanierung notwendig geworden. ©Darko Todorovic
Bürs - Die UNESCO-Schule in Bürs integriert innovative und alternative Lehr- und Lernformen auch in der Architektur. Vielfältige räumliche Situationen sind das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit der Architekten mit Vertretern von Schule und Gemeinde.
Schöner Wohnen in Bürs

Seit 20 Jahren arbeitet die UNESCO Mittelschule in Bürs nach besonderen pädagogischen Grundsätzen mit offenen Lernformen, innerer Differenzierung, alternativer Beurteilung und Integration. „Wir haben schon relativ früh mit einem Prozess begonnen, Schule anders zu sehen, umzugestalten und zu verändern“, erzählt Direktor Bernhard Neyer. Neben der Vermittlung von Fachwissen wird besonders viel Wert darauf gelegt, die Schülerinnen und Schüler mit einem breiten Spektrum an Sozial- und Eigenkompetenzen auszustatten. „Jetzt haben wir auch das Gebäude für diese Pädagogik bekommen“, sagt der Direktor.

Aufgrund des schlechten baulichen Zustands der Schulgebäude aus den 1960er-/70er-Jahren war eine Sanierung notwendig geworden. „Die Gemeinde hatte beschlossen, einen ökologischen und energetischen Schwerpunkt mit der Schule zu setzen“, sagt Bürgermeister Georg Bucher, und so schrieb man einen Architekturwettbewerb aus.

Als erster von drei Bauabschnitten konnte 2013 die Mittelschule fertiggestellt werden. Derzeit in Bau ist die gegenüberliegende Volksschule, die über eine gemeinsame Aula mit der Mittelschule verbunden ist. Abgeschlossen wird die Sanierung und Erweiterung des Ensembles durch den Bau einer freistehenden Turnhalle, die auch Räumlichkeiten für Vereine bietet und unterirdisch mit den Schulbauten verbunden ist.

Städtebaulich betrachtet öffnet sich der Schulkomplex jetzt zum Dorfzentrum. Die Mitte der Anlage bildet einen gemeinsamen Schulhof, von dem aus alle Nutzungen erschlossen werden und eine leichte Orientierung möglich ist. „Nur jene Teile des Bestandes wurden in den Entwurf einbezogen, welche die strukturellen Voraussetzungen für eine ökonomische Sanierung und Nachnutzung besaßen“, erklärt Architekt Gerhard Gruber. Gezielte Eingriffe ergänzen den Bestand und schaffen insgesamt ein schlüssiges Ganzes mit einer wohnlichen Atmosphäre.

Um die speziellen Lehrund Lernformen in der Mittelschule umzusetzen, wirkten die Lehrpersonen intensiv bei der Erstellung des Raumkonzepts mit. Sämtliche Garderoben sind zentral im Untergeschoß untergebracht, sodass die Gangflächen vor den Klassenzimmern in den beiden Obergeschoßen als wertvolle Unterrichtsfläche genutzt werden können. Offene Lernebenen, die wie eine große Wohnung konzipiert sind, erlauben die Zusammenarbeit von Kindern unterschiedlichen Alters und schaffen eine familiäre Atmosphäre. Das Lernen findet nicht nur beim Unterricht im Klassenzimmer statt. Selbststudium und Teamarbeit werden stark gefördert und die Kinder können sich dabei den für sie gerade passenden Ort selbst aussuchen. Aufsichtspersonen müssen nicht mehr eigens zugeteilt werden, weil die Arbeitsbereiche der Lehrenden teilweise in die Lernebenen integriert sind. Die Arbeitsplätze bieten beste Voraussetzungen, um den ganzen Tag in der Schule zu arbeiten. Und das gilt natürlich auch für die 173 Schülerinnen und Schüler: Die Gestaltung der Schule ist darauf ausgelegt, dass eine Ganztagsbetreuung möglich ist, die gerne angenommen wird. „Wenn Kinder den ganzen Tag in der Schule sein müssen, dann sollen sie ein Umfeld haben, in dem sie sich wohlfühlen“, erklärt Direktor Neyer.

„Je weniger Schule, wie Schule ausschaut, umso besser ist es“, meint Architekt Gruber. „Das Projektziel war es, eine wohnliche Schule mit großer Aufenthaltsqualität zu schaffen.“ Dies spiegelt sich unter anderem in der Materialwahl wider: Im gesamten Gebäude verleihen Akustikdecken aus Weißtannenholz den Räumen einen gemütlichen Charakter. Eichenholz findet sich als Bodenmaterial in den Klassen- und Aufenthaltsräumen sowie als Möbeloberflächen. Verschiedenfarbige Flächen aus Filz setzen Farbakzente, dienen einer guten Akustik und können als Pinnwände verwendet werden. Transparenz und natürliches Licht spielen eine wichtige Rolle im gesamten Gebäude. Das Gefälle des Grundstücks wurde ausgenutzt, um auch das Untergeschoß mit Tageslicht zu belichten und freundliche Räume zu schaffen. Hier befinden sich u. a. die Werkstätten für Holz- und Metallverarbeitung sowie Spezialräume für den Physik-, Musikund Kochunterricht.

Durch ein komplexes Energiekonzept mit kontrollierter Be- und Entlüftung konnte Passivhaus- Standard erreicht werden. In der zweiten Bauetappe wird zusätzlich zur Photovoltaikanlage eine Solaranlage errichtet. „Dafür haben wir ein Konzept entwickelt, dass das 250 m entfernte Sozialzentrum im Hochsommer, wenn die Schulen Ferien haben, über die Biomasseheizleitungen mit Warmwasser versorgt werden kann“, erklärt Bauamtsleiter Elmar Matt.

Daten und Fakten

Objekt: Volks- und UNESCO-Mittelschule, Bürs Eigentümer Gemeinde Bürs

Architektur: gruber locher architekten, Bregenz, Architekten Wimmer-Armellini, Bregenz

Fachplaner: Statik: gbd, Dornbirn; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Heizung/Lüftung/ Sanitär-Planung: Häusle SHKPlan, Feldkirch; Elektro-Planung: Gerhard Zimmermann, Stadtwerke Feldkirch; Akustik: Karl Brüstle, Dornbirn

Kunstwerk: Maria Anwander: „united“

Planung: 2010–2013 (Bauabschnitt 1)

Ausführung: 2012–2013 (Bauabschnitt 1)

Grundstücksgröße: 6850 m²

Nutzfläche: 8700 m²

Bauweise: Massivbau (Beton), Außendämmung 24 cm, Unterkonstruktion/Hinterlüftung, Tonplatten (3 cm); alle Innenwandoberflächen verputzt/gespachtelt, im gesamten Gebäude Akustikdecke aus Tannenholz, Böden aus geschliffenem Beton (Gänge EG) und Eiche Massivdielen (Klassen- und Aufenthaltsräume); Heizung: Fernwärmeanschluss, Radiatoren (Klassen, Gänge), Fußbodenheizung (Aula)

Ausführung: Baumeister: Hilti & Jehle; Fassade: Spiegel, Sulz; Fenster: Manahl, Bludenz; Dachdecker/Spengler: Fritz, Bludenz; Innenausbau: Raumbau, Hard; Bautischler: Lenz-Nenning, Dornbirn; Holzböden: Raumart, Bludenz; geschliffene Estriche: Lerbscher, Hard; Maler: Lipert, Bludenz; Möbel/Tischlerarbeiten: Schulmöbel Kufstein, Schrottenbaum Bürs

Energiekennwert: 8,3 kWh/m² im Jahr

Baukosten: 14,7 Mill.

Quelle:

Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der Vorarlberger Nachrichten

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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