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Bundespräsident Van der Bellen ruft zur Wahl und beschwört "Miteinander"

Bundespräsident Van der Bellen wandte sich vor der Nationalratswahl an die Bevölkerung.
Bundespräsident Van der Bellen wandte sich vor der Nationalratswahl an die Bevölkerung. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wandte sich vor der Nationalratswahl an die Bevölkerung. Er rief dazu auf, das Wahlrecht wahrzunehmen. Parteien mahnte er, nicht zu vergessen, dass es nach dem Wahlkampf eine intakte Gesprächsbasis brauche. Außerdem beschwor er in seiner Rede Zusammenhalt.
“Viel wird dieser Tage über Stil und Anstand gesprochen und darüber, wer wem was nachsagt”, erklärte Van der Bellen am 12. September in einer Rede zur Nationalratswahl. Er wolle “in aller Deutlichkeit alle agierenden Personen, aber auch alle Bürgerinnen und Bürger” dazu auffordern, die Augen doch darauf zu richten, was wirklich zähle: “Nämlich die Zukunft unseres Landes. Das Wohlergehen Österreichs. Unser aller Wohlergehen. Darüber und über nichts sonst werden wir bei der kommenden Wahl entscheiden.”

Van der Bellen: Wahltag “einer der höchsten Feiertage”

Dass das Staatsoberhaupt abseits des Nationalfeiertags und Neujahr zum Volk spricht, erklärte Van der Bellen damit, dass der Wahltag “einer der höchsten Feiertage, wenn nicht der höchste Feiertag” sei, “den eine Demokratie zu bieten hat”. “Es ist ein Privileg, das Wahlrecht ausüben zu können”, erinnerte der Bundespräsident, die persönliche Wahl jedes Bürgers werde die Geschicke im Land in der nächsten Zukunft mitbeeinflussen. Er bitte die Bevölkerung daher, “erstens unbedingt von Ihrem Recht Gebrauch zu machen und zweitens genau abzuwägen, bevor Sie Ihre Entscheidung treffen”, was im Interesse Österreichs das Beste sei.
“Nehmen Sie das ernst”, bat er. Bei der Entscheidung solle man daran denken, was insgesamt im Interesse Österreichs sei. “Das Gemeinwohl im Auge zu behalten, ist keine ganz einfache Sache”, räumte Van der Bellen ein. Man lebe in Zeiten des Eigennutzes, die Gesellschaft sei zunehmend fragmentiert. “Was uns zusammenhält, ist die Bereitschaft, füreinander da zu sein”, erklärte das Staatsoberhaupt. “Der Zusammenhalt beginnt dort, wo der Egoismus aufhört.”

Die Zeiten seien geprägt von kurzfristigem Denken. Aber, so Van der Bellen: “Ich halte eine solche Kurzfristigkeit im Denken und Handeln grundsätzlich für problematisch. Und für völlig unangebracht in der Politik.” Man müsse in größeren Zeiträumen denken und “die Auswirkungen unseres Handelns nicht nur auf die nächsten paar Wochen, Monate oder Jahre berücksichtigen, sondern für die nächsten Generationen”. Die Arbeit einer künftigen Regierung werde sich daran messen lassen müssen, “ob ihre Entscheidungen dazu angetan sind, langfristig positive Effekte zu erzielen”.

Van der Bellen beschwor Zusammenhalt und Europa

In seiner Rede beschwor Präsident Van der Bellen auch Zusammenhalt: Er werde nach der Wahl darauf achten, dass die neue Regierung eines nicht aus den Augen verliere: Österreich solle auch künftig ein Land “im Herzen der Europäischen Union” sein, “ein Land, in dem das Miteinander, der gegenseitige Respekt und die in unserer Verfassung verankerten Grundwerte der Kompass unseres Handelns bleiben.”Wien. Auf die Journalistenfrage nach seiner Erklärung, ob er eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung angeloben würde, gab sich Van der Bellen diplomatisch und verwies eben auf die Bedeutung der EU: Er habe immer gesagt, dass er “größten Wert” darauf lege, dass Österreich eine Regierung bekomme, “die sich der Wichtigkeit der europäischen Einheit bewusst ist”.

Bundespräsident mahnt Parteien

Eine Botschaft hatte Van der Bellen aber auch für die Parteien parat, die zuletzt vor allem durch gegenseitiges Anpatzen und eher schmutzige Wahlkampfmethoden aufgefallen sind. “Ich hab schon Verständnis dafür, dass es in der Intensivphase des Wahlkampfs auch zu harten Auseinandersetzungen kommt”, erklärte Van der Bellen. Gerade deswegen wolle er alle kandidierenden Parteien und auch die Kandidaten “ersuchen und auffordern”: “Seien Sie sich im Interesse Österreichs bewusst, dass es nach dem 15. Oktober eine intakte Gesprächsbasis und Verhandlungsbasis zwischen den Parteien braucht.”

Van der Bellen an Parteien: “Diese Narben sollten an der Oberfläche bleiben”

In den Zeitpunkt seiner Erklärung wollte Van der Bellen auf anschließende Journalistenfragen nicht zu viel hineininterpretiert wissen: Er hätte es “eine Woche früher oder eine Woche später” auch machen können, “dahinter steht kein Gebot des Himmels”. Ob er diesen Wahlkampf als schmutziger empfinde als den eigenen langgezogenen Hofburg-Wahlkampf letztes Jahr, kommentierte Van der Bellen lapidar mit: “Es war eh nicht so schlimm.” Plakate aus den 1950er und 1960er Jahren seien “an demagogischen Untergriffen jetzt auch nicht gerade arm”. Er appelliere aber an die Parteien, “es nicht zu Kränkungen kommen zu lassen”, die die Bildung einer Regierung erschweren. “Diese Narben sollten an der Oberfläche bleiben.”

“Längerfristiges Denken” beim Thema Migration

Van der Bellen gab dann auch einige Themen vor, die seiner Ansicht nach relevant sind. So gelte es, am Gelingen des gemeinsamen europäischen Projekts mitzuarbeiten. “Europa braucht uns. Und wir brauchen Europa.” Es gehe nicht nur um die Wirtschaftsmacht, sondern auch um das Friedensprojekt. Die großen Probleme, zu denen sicher auch die Migration gehöre, könne man nur gemeinsam lösen. Das Thema Migration werde auch über eine Legislaturperiode hinaus aktuell sein und werde “mit kurzfristigen, reflexhaften Maßnahmen nicht zu lösen sein”, warnte Van der Bellen. “Auch hier braucht es gemeinschaftliches, verantwortliches, längerfristiges Denken.”

Klimawandel, Digitalisierung, Bildung, Wirtschaftsperspektiven als Herausforderungen

Als Herausforderungen genannt wurden vom Staatsoberhaupt auch Klimawandel, Digitalisierung, Bildung, Wirtschaftsperspektiven und die Kluft zwischen Arm und Reich. “Mein Appell ist: Bevor Sie wählen gehen, denken Sie bitte darüber nach, welcher der wahlwerbenden Parteien Sie am ehesten zutrauen, sich dieser Themen anzunehmen.” Die Bevölkerung solle versuchen, “tiefer hinter die mehr oder weniger interessanten Slogans zu blicken”. Es sei “besser, sich jetzt zu informieren, als nachher zu lamentieren”, befand Van der Bellen. “Lassen Sie uns optimistisch und mutig in die neuen Zeiten gehen.”

APA/Red.

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