“Ich möchte überhaupt nichts sagen”, erklärte er kurz und bündig dem Schwurgericht. Nach rund einstündiger Verhandlung wurde das Verfahren auf kommenden Donnerstag vertagt.
Angeklagter hat paranoide Schizophrenie
Der 52-Jährige leidet laut einem psychiatrischen Gutachten an paranoider Schizophrenie und ist damit weder zurechnungs- noch schuldfähig. Die Staatsanwaltschaft Wien hat folglich keine Anklage wegen versuchten Mordes erhoben, sondern die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Verteidiger Rudolf Mayer hatte dagegen keine Einwände: “Er hofft, dass er dort medizinische Hilfe bekommt.”
Bislang erfolglos behandelt
Bisher hat der seit längerem verhaltensauffällige Mann diese offenbar nicht erhalten. Er wurde zwar einmal kurz im Otto-Wagner-Spital stationär aufgenommen, aber offensichtlich ohne bleibenden Erfolg. Er ließ sich auch von einem Psychiater behandeln – just vom viel beschäftigten Gerichtsgutachter Karl Dantendorfer, der mehrmals wöchentlich bei Verhandlungen im Grauen Haus als Sachverständiger auftritt und Gefährlichkeitsprognosen über psychisch kranke Straftäter präsentiert. Im Fall des 52-Jährigen sah der Experte aber offenbar keine Notwendigkeit, eine engmaschige Überwachung seines Patienten zu veranlassen.
Drohanrufe und Verfolgungswahn
Auch die Wiener Linien hielten den Mann scheinbar nicht für besonders gefährlich, obwohl er seit 2004 mit Drohanrufen auffiel. Da meldete er sich das erste Mal und ließ eine verdutzte Sekretärin wissen, er sei früher als Straßenbahnfahrer tätig gewesen, sei aber 1995 vom Fahrdienst abgezogen worden und habe dann seinen Job verloren. Sie sei Schuld an seiner Entlassung, beschied er der Sekretärin, und die Wiener Linien würden ihn seither “verfolgen”.
Hausverbot bei den Wiener Linien
Als die Mitarbeiterin ihm keine weitere Beachtung schenkte, tauchte der Mann 2006 erstmals persönlich in ihrem Büro auf und wiederholte seine Anschuldigungen. 2007 marschierte er in die Personalabteilung. Ab 2008 kam es zu drei bis vier Anrufen täglich, ehe er im Mai 2008 plötzlich vor der Wohnung der Sekretärin stand, die er zu diesem Zeitpunkt bereits jahrelang bedrängt hatte. In aufgebrachtem Zustand machte er die Frau einmal mehr darauf aufmerksam, sie sei Schuld an seinem gescheiterten Leben. Die Wiener Linien erließen ein Hausverbot. Mehr geschah nicht.
Attacke auf Bim-Fahrer in Floridsdorf
Am 26. Jänner 2014 tauchte der 52-Jährige am Franz-Jonas-Platz auf, wo ein 24-jähriger Tramwayfahrer gerade eine Garnitur der Linie 31 zum Stoppen gebracht hatte und seine Mittagspause antreten wollte. Auf dem Weg zum Pausenraum griff ihn der 52-Jährige von hinten mit einem Stilett an.
Neun Mal stach er dem vom Angriff völlig überraschten Mann in den Hinterkopf, in die Schläfe, ins Gesicht, die Schulter und in die Lenden. “Ich habe versucht, das Messer abzuwehren”, schilderte das Opfer als Zeuge. Dabei wurden mehrere Sehnen seiner linken Hand – der Mann ist Linkshänder – durchtrennt. Der Straßenbahnfahrer rief um Hilfe, konnte sich schließlich aber noch selbst in den Pausenraum retten.
Not-OP für Opfer der Messer-Attacke
Er wurde unverzüglich ins Spital gebracht und vier Stunden lang notoperiert. Mehr als acht Monate war er im Krankenstand. Eine Straßenbahn kann er aus psychischen Gründen derzeit nicht mehr fahren. “Ich bin jetzt in der Leitstelle. Man schaut, dass man eine Arbeit für mich findet”, schilderte er dem Gericht seine aktuelle berufliche Situation.
Der Angreifer war am Tatort von Augenzeugen festgehalten und der Polizei übergeben worden. Dort gab der 52-Jährige laut Aktenvermerk folgendes Statement ab: “Ich möchte keine Aussage machen. Ich möchte in U-Haft eingeliefert werden und mit meinem Verteidiger sprechen.”
“Ich hätte sie alle erschossen”
Es oblag dann auch diesem, den “Grund” für die Messerattacke vorzutragen, wie sich Anwalt Mayer ausdrückte. Der Rechtsvertreter verlas eine kurze Aussage seines Mandanten, in der es unter anderem heiß: “Ich war selbst Straßenbahnfahrer, aber sie haben mich gekündigt. Sie haben mich kaputt gemacht. Seither werde ich von 10.000 Straßenbahnfahrern verfolgt. […] Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, hätte ich sie alle erschossen.”
(apa/red)