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Ausstellung "Planen für Hitler" zeigt Wiener Baugeschehen in NS-Zeit

"Planen für Hitler": Architekturzentrum Wien hat Archiv von Klaus Steiner aufgearbeitet
"Planen für Hitler": Architekturzentrum Wien hat Archiv von Klaus Steiner aufgearbeitet ©Hertha Hurnaus
Im Zentrum einer Ausstellung steht nun erstmals das Planungs- und Baugeschehen in Wien in der Zeit des Nationalsozialismus. Am Mittwoch den 18. März wird diese im Architekturzentrum Wien eröffnet.

“‘Wien. Die Perle des Reiches.’ Planen für Hitler” heißt die bis 17. August laufende Ausstellung, die sich auf das 2011 dem Architektur Zentrum Wien (Az W) übergebene Archiv von Klaus Steiner stützt. Die Zeit zwischen 1938 und 1945 sei ein “dunkles Feld”, eine Zeitspanne der heimischen Architekturgeschichte, die man lange ignoriert habe, “als hätte sie nicht stattgefunden”, sagte Az W-Chef Dietmar Steiner. Die Primärquellen seien in den öffentlichen Institutionen häufig verschwunden, “weil die Archive gesäubert wurden”, schilderte Kuratorin Ingrid Holzschuh die Bedeutung jener Materialien, die der 1943 geborene Architekt und Städteplaner Klaus Steiner seit Beginn seines Studiums 1961 in mühevoller Recherche gehoben und gesichert hat. Diese wurden nun erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet sowie via Datenbank zugänglich gemacht.

“Umgebung von alten Nazis durchsetzt”

Er sei bei seinem Aufwachsen im Salzkammergut sowie bei seinem Studium an der TU Wien mit einer Umgebung konfrontiert gewesen, “die von alten Nazis durchsetzt war”, schilderte Klaus Steiner seine Motivation, sich selbst an das Schließen jener Lücke zu machen, die er zwischen dem Roten Wien und dem Wiederaufbau nach 1945 in der Wiener Architekturgeschichte vorgefunden hatte. Dabei seien Gespräche mit Witwen und Kindern der damals Beteiligten deutlich ergiebiger gewesen als mit noch lebenden Beamten und Architekten. “Wenn jemand im Laufe seines Berufslebens ein KZ geplant hat, wollte er das später natürlich nicht an die große Glocke hängen”, so Steiner.

Wiener Baugeschehen der NS-Zeit

An die 455 Projekte wurden in rund 4.000 Einzeldokumenten erfasst – wobei NS-Bauten typologisch nicht zu fassen seien, wie Klaus Steiner erklärte: “Es gibt keine nationalsozialistische Architektur. Das ist eine Schimäre.” Entscheidend sei etwa die Weise, wie Politik, Raum und Architektur zusammenspielten. Die Planungen, eine riesige Entwicklungsachse quer zur Donau durch die vorwiegend von Juden bevölkerte Leopoldstadt zu treiben, seien etwa “Nazi-Architektur vom Feinsten”, merkte er sarkastisch an. Man dürfe die Planungen und Bauten auch nicht per se verdammen. “Sie haben auch qualitativ gute Sachen gemacht.” Ein Beispiel: “Hätten die Nazis bauen können, was sie wollten, hätten wir ein fix und fertiges U-Bahn-System in Wien.”

Planerische Sackgassen

Die bereits sehr frühen umfassenden U-Bahn-Planungen (inklusive großem Umsteige-Bahnhof am Schottentor) sind ein Beispiel für Projekte, an denen sich spätere Kontinuitäten festmachen lassen, Monumentalachsen, mit denen etwa die Ringstraße über die Donau verlängert werden hätte sollen, oder die “Baldur von Schirach-Insel” zwischen Donau und Alter Donau dagegen waren planerische Sackgassen eines in jeder Hinsicht totalitären Regimes.

Walther von der Vogelweide Denkmal

Dass Hitler selbst, dessen Bezeichnung Wiens als “Perle des Reiches” die Initialzündung für eine wahre Planungseuphorie bedeutet hatte, den Anstoß für eine rückseitige Erweiterung des Burgtheaters durch Hinterbühne und Kulissendepots gegeben haben soll, dass das Untere Belvedere zu einem Volkskundemuseum umgestaltet oder auf dem Leopoldsberg ein riesiges Walther von der Vogelweide Denkmal errichtet werden hätte sollen, zählt zu den kuriosen Entdeckungen einer Ausstellung, die keine Bestandserfassung von NS-Bauten und -Planungen in Wien sein, sondern “eine Täterperspektive” zeigen will, wie Kuratorin Monika Platzer erläuterte.

“Planen für Hitler”: Neun Themenkomplexe

Nicht chronologisch, sondern in neun Themenkomplexe ist die Ausstellung gegliedert, die auch die Instrumentalisierung der Architektur bewusst machen möchte. Dabei werden nicht nur zahlreiche Pläne, Dokumente und Fotos, sondern auch Ausschnitte aus historischen Amateur- und Propagandafilmen sowie ein ausführliches Video-Interview mit Klaus Steiner gezeigt.

Groß-Wien mit 26 Bezirken

Von “Rasse und Raum” und der Umsetzung rassistischer Ideologie in Raumplanung über die geostrategische Rolle des auf 26 Bezirke vergrößerten Groß-Wien als Tor zum Osten bis zur Wohnbaupolitik, der Manifestierung von Macht in Architektur und die Auswirkung des Totalen Kriegs auf die Stadt, die etwa heute noch nicht nur in den Flaktürmen, sondern auch in der Rathausgarage nachwirkt, reichen die Themen. Im letzten Ausstellungsabschnitt “Planungsgebiet Ost” gibt es Beispiele für Planungen in Bratislava, Prag und Krakau. Platzer: “Hier weiter zu forschen, wäre ein lohnendes und spannendes Thema.”

(APA/Red.)

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