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Akademikerball-Randale: Empörte Reaktionen auf Urteil gegen Josef S.

Josef S. beim Prozess in Wien
Josef S. beim Prozess in Wien ©APA
Der nicht rechtskräftige Schuldspruch für den deutschen Akademikerball-Demonstranten hat am Dienstagabend zahlreiche empörte Reaktionen gezeitigt. Die Mutter von Josef S. verlangte zudem wegen eines "Terrorismus"-Vergleichs eine Entschuldigung vom Staatsanwalt.
Urteil: Teilbedingte Haft
"Feigheit" vs. "Friedlichkeit"
Polizisten schildern Randale
Josef S. schweigt vor Gericht
Kritik am Prozess gegen Studenten
Beim Prozess gegen Josef S.
Ausschreitungen bei Demos

Die SPÖ-Jugendorganisationen sahen ebenso wie ÖH und Bundesjugendvertretung einen Skandal im Urteil gegen Josef . SPÖ und Grüne forderten wieder eine justizpolitische Debatte über den Landfriedensbruch-Paragrafen. Zustimmung kam von ÖVP Wien und FPÖ Wien.

Verwunderung über Prozess-Ausgang

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim teilte mit, er sei “gelinde verwundert” über den Prozessausgang. Er übte einmal mehr Kritik an der langen U-Haft für den Angeklagten und bekräftigte seine Forderung, den Tatbestand des Landfriedensbruchs und dessen Anwendung justizpolitisch zu diskutieren.

U-Haft als “gerechte Strafe”?

Vorsichtig, aber doch erhob er den Vorwurf, dass die Behörden eine andere Agenda als bloße Anwendung des Strafrechts verfolgten: Es stelle sich die Frage, ob die Behörden nicht die U-Haft quasi als “gerechte Strafe” betrachtet hätten. “In dem Zusammenhang ist sicherlich zu berücksichtigen, in wie weit die Ausübung des Grundrechtes auf Demonstrationsfreiheit – im gegenständlichen Fall in Bezug auf rechtsextreme Entwicklungen – Vertretern von Sicherheit und Gerichten als unerwünscht und unverständlich erscheinen mag.”

Grüne: Unschuldsvermutung abgeschafft?

Der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser sieht die Unschuldsvermutung abgeschafft. “Mit diesem Verfahren ist der Eindruck entstanden, dass sich Beschuldigte in Österreich frei beweisen müssen, was nie gelingen kann”, kritisierte er. Die Anwendung des Landfriedensbruch-Paragragfen sei eine “massive Gefahr”, der Richter habe sich in seiner Urteilsbegründung einer “Mutmaßung” bedient. “Ein Strafparagraph, der einen derartigen Interpretationsspielraum für die Strafbarkeit zulässt, ist gefährlich”.

Wut über “gezielte Kriminalisierung”

Die SPÖ-Jugendorganisationen SJ, VSStÖ und AKS beklagten “gezielte Kriminalisierung von antifaschistischem Protest”, die Grünen und Alternativen StudentInnen waren “wütend”. Die ÖH sah “katastrophale Auswüchse des (Un-)Rechtsstaates” und Willkür, die Bundesjugendvertretung sprach von einem “traurigen Tag für Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht”.

ÖVP  und FPÖ mit Urteil einverstanden

Applaus kam indes aus der Wiener ÖVP. Juraczka sah das Urteil als “ein positives Zeichen dafür, dass Gewalt nicht toleriert wird und die Verursacher schlussendlich zur Verantwortung gezogen werden”. Den Kritikern schrieb er “ins Stammbuch”, dass der Rechtsstaat für alle gelte. Der Wiener FPÖ-Landessekretär Hans-Jörg Jenewein sprach von einem “Sieg des Rechtsstaates”. Das Gericht habe sich nicht der “linken Meinungshetze” gebeugt, freute er sich. Sowohl Juraczka als auch Jenewein kritisierten die SP-Jugendorganisationen und die ÖH für ihre Unterstützung des Angeklagten.

 Mutter verlangte Entschuldigung von Staatsanwalt

Die Mutter des unter anderem wegen Landfriedensbruchs verurteilten 23-Jährigen hat nach der Verhandlung eine öffentliche Entschuldigung des Staatsanwalts verlangt. Dieser hatte ihren Sohn in seinem Schlussvortrag der Feigheit bezichtigt und in die Nähe zum Terrorismus gerückt.

Diese Wortwahl sei “diffamierend” und habe sie “erschüttert”, sagte die aus Deutschland angereiste Frau. Sie und ihr Mann hätten damit gerechnet, dass ihr Sohn nicht freigesprochen wird, “weil das ganze Verfahren hindurch klar war, dass der Aussage des Belastungszeugen Glauben geschenkt wird”.

Freiheit für Josef S.

Bei der Urteilsverkündung sei ihr schlecht geworden, gestand die Mutter ein: “Ich versuche, mich jetzt erst mal körperlich aufrecht zu halten. Aber ich bin glücklich, wenn ich ihn (ihren Sohn, Anm.) sehe.”

Dieser Wunsch erfüllte sich rund 30 Minuten nach Schluss der Verhandlung, als sich für den 23-Jährigen nach fast sechsmonatiger U-Haft die Gefängnistore öffneten. Ein Taxi, in dem auch seine Mutter und sein Verteidiger Clemens Lahner saßen, chauffierte den Studenten in die Freiheit.

Anwälte mit “lachendem und weinendem Auge”

Die Anwälte des am Dienstag im Akademiker-Ball-Prozess nicht rechtskräftig verurteilten Demonstranten Josef S. sehen das Urteil mit einem “lachenden und weinenden” Auge, wie Anwalt Clemens Lahner bei einer Pressekonferenz am Dienstagabend sagte. Positiv sah er, dass der Anklagepunkt der absichtlich schweren Körperverletzung fallen gelassen wurde.

Die Begründung des Gerichts für das Urteil könne Lahner aber “nicht ganz nachvollziehen”. Grundsätzlich merkte er an, dass er froh sei, dass Josef S. “jetzt aus dem Knast heraußen ist”. Auch die zweite Verteidigerin Kristin Pietrzyk sagte: “Zwei Herzen schlagen in meiner Brust.” Juristisch sei sie aber unzufrieden mit dem Urteil.

Überlegung, ob Urteil akzeptiert wird

Pietrzyk sagte, man habe nun drei Tage Zeit, zu überlegen, ob das Urteil angenommen wird. Eine Entscheidung werde am Freitag veröffentlicht. Bis jetzt hätte es noch keine Gelegenheit gegeben, mit Josef S. die Sache zu besprechen.

Lahner meinte, die kurze Urteilsbegründung des Gerichts habe ihn nicht überzeugt. Im Wesentlichen beruht der Schuldspruch auf einen einzigen Belastungszeugen. Er habe auch den Eindruck, dass sich die Staatsanwaltschaft nicht besonders ins Zeug gelegt habe, den Sachverhalt aufzuklären.

Anderes Risikopotential von Demonstrationen

Pietrzyk sagte auf eine entsprechende Frage, man müsse sich – wenn man sich das Urteil und den Gang der Verhandlung ansieht – auf ein “anderes Risikopotenzial” einstellen als bisher, wenn man auf eine Demonstration geht. Lahner merkte dazu an, sollte das Ziel des Prozesses gewesen sein, abschreckend zu wirken, dann sei dies “ziemlich nach hinten losgegangen”, wenn man sich ansehe, welche Welle der Solidarität es gegeben habe.

(apa/red)

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