“Da kann man nix machen – ich komm’ heut zu spät”, erklärt ein Mann schulterzuckend. In der U-Bahn-Station Schottentor blinkt um kurz nach 6.00 Uhr auf der Anzeigetafel nur der Hinweis auf die Nightline – regulärer Betrieb erst ab 6.30 Uhr. Aufgrund von Betriebsversammlungen haben die Wiener Linien am Mittwoch den Betriebsstart nach hinten verlegt, die Reaktionen der Fahrgäste fielen gemischt aus. “Schlecht, ganz schlecht”, meint ein Wartender am Ring und blickt sich Hilfe suchend um.
“Zuerst kennt man sich nicht aus und jetzt kommt kein Bus.” Die Arbeit muss heute etwas warten, der Ärger über den eingerichteten Notbetrieb ist deutlich zu spüren. Ganz alleine ist der Mann nicht, immer wieder bilden sich vor der U-Bahn-Station kleine Menschengrüppchen, die den nächsten Schritt beratschlagen oder Informationen untereinander austauschen. Vom großen Chaos ist jedoch nichts zu sehen, die meisten nehmen die Verzögerungen recht gelassen hin.
Notbetrieb bei den Wiener Linien
“Überhaupt keine Probleme” hatte etwa eine ältere Dame. Sie hat um 5.30 Uhr bereits den Weg aus dem 22. Bezirk in die Wiener Innenstadt geschafft. “Die mussten was tun, ich gebe den Fahrern völlig Recht, da gehört mehr Schutz”, stellt sie sich auf die Seite des Wiener-Linien-Personals, das mit den Betriebsversammlungen vor allem ein Zeichen gegen Übergriffe auf Fahrer setzen möchte. An manchen Passanten ist die Protestaktion sogar ganz spurlos vorübergegangen: “Das wusste ich gar nicht, ich gehe immer zu Fuß ins Büro”, erklärt ein Mann mit Koffer.
Waren die Busse des Notbetriebs, die seit 4.30 Uhr unterwegs sind, in der ersten Stunde noch ziemlich leer, finden sich jetzt immer mehr Menschen an den Nightline-Haltestellen ein. “Wir haben keine Probleme, die Leute sind sehr zufrieden, dass zumindest der Nachtbus fährt”, berichtet einer der Koordinatoren der APA. Um allen Mitarbeitern der Wiener Linien die Teilnahme an den Versammlungen zu ermöglichen, wurde der Notbetrieb vom privaten Anbieter Dr. Richard übernommen. “Die Menschen sind sehr positiv eingestellt”, meint der Koordinator – seit 5.30 Uhr sind die Busse gut gefüllt, Platzprobleme gebe es dennoch keine.
Reaktionen der Fahrgäste gemischt
“Nicht lustig” findet die Verzögerungen dagegen eine Frau am Weg zur Arbeit: “Man muss eben früher aufstehen und zum Teil lange warten”, kritisiert sie. Immerhin habe sie – dank frühem Start – keine Probleme gehabt und nun auch den richtigen Bus gefunden. Für das Anliegen des Wiener-Linien-Personals hat sie Verständnis: “Jeder hat das Recht zu streiken und wenn es Gefahren gibt, darf man sich auch wehren. Nur für die Menschen, die heute arbeiten, ist es eben unangenehm.”
Kurz nach 6.00 Uhr fahren die Rollbalken der U-Bahnen dann wieder hoch, dankbar bewegen sich viele der Fahrgäste zu den Bahnsteigen – auch wenn sie auf die Züge noch gut eine halbe Stunde warten müssen. Mindestens eine Stunde wird es nach Betriebsbeginn laut Schätzungen der Wiener Linien dauern, bis alle Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse wieder auf Schiene sind. Immer noch regieren Gelassenheit und das Blättern in der Morgenzeitung zum Zeitvertreib: “So ist es eben.” Und wieder Schulterzucken.
(APA)