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Tödliche Messer-Attacke in Simmering: Frau erlitt länger massive Gewalt

Am Tatort in Simmering
Am Tatort in Simmering ©APA
Wie nun bekannt wurde, war die Donnerstagfrüh in Wien-Simmering auf offener Straße erstochene 34 Jahre alte Frau offenbar fortgesetzter massiver Gewalt durch ihren Ehemann ausgesetzt. Sie hatte sich erstmals im September vergangenen Jahres an die Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie gewandt. Sie lebte laut einer Mitarbeiterin in großer Angst vor dem Mann.
Vier bis fünf Messerstiche
Tatort in Wien-Simmering
Opfer lebte im Frauenhaus
Mord-Alarm in Simmering

“Die Frau wurde offenbar unter Druck gesetzt und hatte sehr große Angst”, sagte Rosa Logar von der Interventionsstelle nach der Bluttat in Simmering. Ihr Mann habe als äußerst aggressiv gegolten, darüber hinaus habe es bei ihm Hinweise auf psychische Probleme gegeben, welche die Gefährlichkeit eines Gewalttäters noch erhöhen, sagte die Expertin.

Ehemann war gefährlich: Viele Indizien

Gegen den 53-Jährigen sei zwar ein Betretungsverbot verhängt worden, der Mann habe sich jedoch darüber hinweggesetzt. “Auch das ist ein Indiz für die Gefährlichkeit des Täters”, erläuterte Logar. “Dass jemals ein Haftantrag gestellt wurde, kann ich aus unseren Akten allerdings nicht erkennen.” Dabei wäre ein solcher nach Einschätzung der Gewaltschutzexpertin sehr wohl vorgelegen.

“Es handelte sich offenbar um einen Fall von fortgesetzter Gewaltausübung. Genau dafür wurde im Strafgesetzbuch der Paragraf 107 b geschaffen und so gestaltet, dass man einen Haftgrund hat”, erläuterte Logar.

Opfer verstecken hilft nicht

Wegweisungen und Betretungsverbote wirken nach Erfahrung der Expertin zwar in leichten oder “durchschnittlichen” Fällen von Gewalt, nicht aber in Fällen von fortgesetzter massiver Gewalt. “Die Gefährlichkeit eines Täters bleibt bestehen, die verschwindet ja nicht. Es reicht nicht, das Opfer zu verstecken – was ja ohnehin nicht wirkt, wie man heute gesehen hat -, während sich der Täter frei bewegen kann. Da ist nicht zuletzt im Sinn der Prävention auch die Strafjustiz gefordert”, erklärte Logar.

Betroffenheit über Bluttat in Simmering

Der Fall der 34-Jährigen, die neben dem zweijährigen Sohn zwei weitere Kinder hat, die in ihrem Heimatland Mazedonien leben, war laut Interventionsstelle auch Thema bei speziellen Sitzungen der Fachleute, nämlich der sogenannten Multi-Agency Risk Assessment Conference (MARAC). Bei dieser 2003 in Großbritannien entwickelten Methode führen Institutionen, die mit der Prävention von Gewalt in der Familie befasst sind, in regelmäßigen Abständen Fachkonferenzen durch, um gemeinsam effektive Maßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Opfer zu entwickeln und durchzuführen.

“Auch deshalb macht uns der Tod der Frau persönlich sehr betroffen”, sagte Logar, “die nächste Konferenz ist für heute Nachmittag angesetzt, wir werden sicher noch über den Fall reden.”

MARAC würde Unterstützung durch Strafjustiz brauchen

“Leider ist die Strafjustiz bei den MARACs nicht im Boot”, erklärte Logar. “Wir würden sie aber dringend in der Steuerungsgruppe brauchen. Es macht einen Unterschied, ob man einen Fall nur aus den Akten beurteilt oder aus der persönlichen Schilderung kennt.” Die Expertin ortet – neben mangelnden personellen Ressourcen bei Staatsanwaltschaften – die Tendenz, bei der Beurteilung von Gewaltdelikten zweierlei Maßstäbe anzulegen: “Wenn ein Spitzenpolitiker bedroht und Gewalt ausgesetzt wäre, würde der Täter sofort in Haft genommen werden. Gewalt in der Familie wird anscheinend eher zugelassen.”

(apa/red)

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