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Kurz bespricht Flüchtlingskrise in Montenegro

Kurz zu Besuch beim montenegrinischen Außenminister Luksic
Kurz zu Besuch beim montenegrinischen Außenminister Luksic
Montenegro sieht einer möglichen Umleitung des Flüchtlingsstroms nach der Schließung der mazedonisch-griechischen Grenze gelassen entgegen. "Wir haben bereits vor einem halben Jahr einen entsprechenden Plan vorbereitet", sagte Außenminister Igor Luksic am Mittwoch nach einem Treffen mit seinem österreichischen Kollegen Sebastian Kurz (ÖVP) in Podgorica.


Luksic sprach sich für eine regionale Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise aus, wies aber darauf hin, dass sein Land bisher an den einschlägigen Gesprächen nicht beteiligt worden sei. “Um die negativen Effekte einzudämmen, muss die Politik von allen Ländern abgesprochen werden”, betonte der Außenminister.

Um sich an der Akkordierung der Maßnahmen beteiligen zu können, müsse Podgorica in die Gespräche eingebunden werden, so Luksic auf die Frage, ob das Land auch Flüchtlinge im Rahmen des geplanten europäischen Quotensystems aufnehmen würde.

Wie schon zuvor in Sarajevo und Belgrad betonte Kurz auch in Podgorica, es sei ihm ein Anliegen gewesen, seine Gesprächspartner davon zu informieren, “dass der Zeitpunkt eintreten wird, wo wir die Flüchtlinge an der österreichischen Grenze stoppen müssen”. Dies werde “natürlich auch Auswirkungen in der gesamten Region” haben. “Es ist durchaus denkbar, auch wenn es nicht die realistischste Variante ist, dass sich die Route dahingehend verändert, dass sie durch Montenegro führt”, sagte der Außenminister.

Im Rahmen des Besuchs wurde ein bilaterales Kulturarbeitsprogramm für die Jahre 2015 bis 2019 unterzeichnet. Luksic und Kurz stellten auch ein Aktionsprogramm vor, das konkrete Maßnahmen für die EU-Annäherung Montenegro enthält. Damit soll heuer die Eröffnung von fünf Kapiteln in den EU-Beitrittsverhandlungen erreicht werden. Schon jetzt ist der kleinste Westbalkan-Staat der EU-Vorreiter in der Region, 22 der 35 Verhandlungskapitel wurden eröffnet, zwei vorläufig geschlossen.

Kurz sagte, dass Österreich ein “starker Unterstützer” für die EU-Annäherung Montenegros sei. Zugleich pochte er aber auf die “notwendigen Reformen, um das Land fit zu machen für den europäischen Weg”. “Ich möchte hier besonders die Bereiche Medienfreiheit und Kampf gegen Korruption erwähnen”, sagte der Außenminister mit Blick auf internationale Kritik an der politischen Lage im Land.

Kritikern gilt Montenegro politisch als zu festgefahren. Ministerpräsident Milo Djukanovic dominiert das politische Leben der Republik seit einem Vierteljahrhundert, die Opposition fühlt sich unterdrückt. Auf internationalen und heimischen Druck musste der Regierungschef jüngst Gesprächen über eine Machtteilung zustimmen. Luksic sagte, dass ein “parlamentarischer Dialog” im Gange sei, um die Opposition an der Regierung zu beteiligen. Konkret sollen vor der Parlamentswahl im Herbst “Unklarheiten” im Wahlrecht beseitigt werden, sagte der Außenminister mit Blick auf Manipulationsvorwürfe.

Der Regierung wird die Unterdrückung von Medien vorgeworfen, außerdem wird sie wegen Korruption und angeblichen Verbindungen zum organisierten Verbrechen kritisiert. “Djukanovic ist der Erfinder jener Politik, gleichzeitig mit Europa zu kooperieren und daheim ein anti-europäisches Klima zu schaffen”, sagte der Direktor der unabhängigen Zeitung “Vijesti”, Mihailo Jovovic, am Mittwoch im Gespräch mit österreichischen Journalisten in Podgorica.

Jovovic lobte das Engagement des Außenministers für die Medienfreiheit in Montenegro. “Früher ist nie ein Außenminister nach Montenegro gekommen, Kurz besucht uns alle sechs Monate – und er übt klare Kritik”, sagte der “Vijesti”-Direktor.

Luksic äußerte sich in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kurz nicht zur Menschenrechtslage, versprach aber eine Fortsetzung der Wirtschaftsreformen. Das Inkrafttreten des Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich solle ein unternehmerfreundlicheres Klima schaffen. “Es gibt noch mehr zu tun für die Beseitigung von Barrieren von Investoren”, sagte der Minister. Mit einem Gesamtvolumen von 370 Millionen Euro zählt Österreich zu den wichtigsten Investoren in Montenegro, die bilateralen Handelsbeziehungen entwickelten sich jedoch in jüngster Zeit rückläufig. Kurz traf bereits am Dienstagabend mit österreichischen Unternehmern in Montenegro zusammen.

Während seiner Westbalkan-Reise vernahm Außenminister Kurz auch die Nachricht, dass die zerstrittenen bosnischen Parteien sich am gestrigen Dienstag nach langem Tauziehen auf einen Koordinierungsmechanismus zur Abstimmung ihrer Haltung im EU-Beitrittsprozess einigten. “Ich bin sehr froh, dass Bosnien diesen Schritt gesetzt hat”, sagte Kurz der APA. “Es ist wesentlich, dass er vor der Abgabe des Beitrittsantrages stattgefunden hat.” Bosnien-Herzegowina war am Montag die erste Station der Westbalkan-Tour des Außenministers. Kurz berichtete, dass er die Annahme des Koordinierungsmechanismus in Sarajevo “mit Nachdruck eingefordert” habe.

Bosnien-Herzegowina will nächsten Montag offiziell seinen EU-Beitrittsantrag in Brüssel übergeben. Das Land war bereits im September 2003 offiziell dazu eingeladen worden, wegen des Streits zwischen den drei Volksgruppen verlor das Land aber mehr als ein Jahrzehnt auf dem Weg in die Europäische Union. Erst im Vorjahr ist das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Bosnien in Kraft getreten, die Voraussetzung für formelle EU-Beitrittsgespräche.

Kurz betonte, dass die Beitrittsverhandlungen “ein extrem langer Prozess” seien, sie können aber auch ein “Reformmotor” sein. Die Basis dafür sei, “dass es einen Modus gibt, wie das Land und die Europäische Union miteinander kooperieren und kommunizieren”, sagte er mit Blick auf den nun akkordierten internen Mechanismus.

Der Außenminister reist am Nachmittag nach Albanien weiter, wo er mit seinem Amtskollegen Ditmir Bushati zusammentreffen wird. In Tirana soll ein Memorandum of Understanding zum Tourismus unterzeichnet werden. Außerdem ist ein Wirtschaftsempfang mit wichtigen Vertretern österreichischer und internationaler Unternehmen geplant.

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