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Wiener Heime: Zahlungen an die Opfer und rasche Klärung geplant

Die jüngsten Heim-Missbrauchsvorwürfe betreffen das ehemalige Kinderheim am Wilhelminenberg
Die jüngsten Heim-Missbrauchsvorwürfe betreffen das ehemalige Kinderheim am Wilhelminenberg ©DAPD
Schon 2010 stand fest, dass es wegen der Missbrauchsfälle in Wiener Heimen Zahlungen an die Opfer geben werde. Nun ist das Thema wegen der Vorwürfe gegen das Heim am Wilhelminenberg erneut hochaktuell. Auch Stadtrat Christian Oxonitsch drängt auf rasche Aufklärung der Fälle.

Durch die angeblichen Vorfälle im Heim am Wilhelminenberg kommt das unheilvolle Thema “Missbrauch in Kinderheimen” erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Erste Reaktionen auf Missbrauchsfälle in Wiener Heimen gab es bereits im Sommer 2010, als Bürgermeister Häupl von geplanten Entschädigungszahlungen an Betroffene sprach. Häupl bat damals öffentlich um Entschuldigung und gab bekannt, dass Wien als zweites Bundesland nach Tirol Zahlungen an Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch in städtischen Heimen oder Privateinrichtungen unter städtischer Aufsichtspflicht leisten werde.

Das Leid, das in den Heimen geschehen ist, sei nicht mehr gut zu machen, man werde aber alles unternehmen, um den Betroffenen zu helfen und ihnen Gehör zu verschaffen, so Häupl. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft berichtete damals von 84 Personen, die sich daraufhin gemeldet hätten. Das öffentliche Interesse an der Angelegenheit blieb damals vergleichsweise gering.

Viele Heim-Opfer erhielten Zahlungen

Es folgten eine Reihe von Gemeinderatsbeschlüssen zur Entschädigungssumme und zahlreiche weitere Meldungen. Bis Ende vergangener Woche nahmen 343 Personen mit dem Opferschutzverein “Weißer Ring” Kontakt auf. Über den Verein werden die finanziellen Entschädigungen wie auch die therapeutische Betreuung der Opfer abgewickelt. Laut Stadtrat Christian Oxonitsch, der sich am Freitag ebenfalls zum Thema äußerte, haben sich bisher rund 500 Betroffene gemeldet. Mehr als 170 Personen bekamen bisher eine finanzielle Entschädigung. Für die Hilfeleistungen wurden bisher insgesamt 5,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt – und bei Bedarf würden diese Mittel laut Oxonitsch noch aufgestockt werden.

Die betreffenden Gewalttaten passierten zwischen 1944 und 1997, die meisten davon in den 1960er und frühen 1970er Jahren. Fast alle betroffenen Heime sind bereits geschlossen. Noch existierende Einrichtungen wurden, so wurde versichert, nach aktuellen pädagogischen Standards umstrukturiert. Um die Geschichte der Heimerziehung aufzuarbeiten, setzte die Stadt eine Historikerkommission ein.

Heim-Fälle neu aufgerollt

Seit die zwei Betroffenen der angeblichen Übergriffe am Wilhelminenberg sich auch an die Öffentlichkeit gewandt haben, sind weitere Meldungen erfolgt – und plötzlich wurde das Thema auch in der Öffentlichkeit aufgegriffen. Die beiden Frauen schilderten Fälle von Kinderprostitution und Serienvergewaltigungen in dem Heim, das 1977 geschlossen wurde. Wobei es in der darauffolgenden Debatte nicht mehr nur um die konkreten Erzählungen ging und auch nicht um die inzwischen widerlegten kolportierten Todesfälle, sondern generell um die Zustände in den Heimen. Selbst Untersuchungsberichte aus den 1970er Jahren wurden daraufhin wieder gelesen. 

Dass der “Heimskandal” erst jetzt zu einem solchen wurde, hat für Irmtraut Karlsson, die Autorin eines maßgeblichen Berichtes (“Verwaltete Kinder”), aber auch mit den zahlreichen Vorfällen in der katholischen Kirche zu tun. Dadurch sei ein ganz anderes Bewusstsein entstanden: “Viele trauen sich jetzt erst, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Vorher haben sie vielleicht Angst gehabt, nicht gehört zu werden”, so Karlsson zur APA.

Oxonitsch will rasche Aufklärung

Auch den Wiener Gemeinderat beschäftigte das Thema am Freitag. Der zuständige SPÖ-Stadtrat Christian Oxonitsch betonte einmal mehr, dass das Unrecht, dass die Betroffenen erlitten hätten, anzuerkennen sei und man die “Verantwortung für die erlebte Gewalt übernehmen” müsse. Er kündigte eine rasche Aufklärung der Vorfälle im Heim am Wilhelminenberg an. Gleichzeitig erinnerte er aber auch daran, dass damals “Schwarze Pädagogik” an der Tagesordnung stand, bei der Gewaltformen durchaus auch Praxis gewesen seien. Er sprach auch an das erst 1989 erfolgte Verbot der “Watsch’n” in Österreich an. Es sei der Gesellschaft inzwischen jedoch klar, dass Gewalt in der Erziehung nichts verloren habe.

Der Stadtrat informierte auch über die Aufgaben der Kommission “Schloss Wilhelminenberg”, die derzeit zusammengestellt wird. Als Leiterin steht seit Freitag Barbara Helige fest. Die vormalige Präsidentin der Richtervereinigung und derzeitige Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte soll zusammen mit ihrem Team die Geschichte des ehemaligen Heimes im Schloss aufarbeiten und sich mit den nun publik gewordenen schweren Missbrauchsvorwürfen befassen.

Heim-Kommission soll lückenlos aufarbeiten

Dem Gremium müsse in diesem Zusammenhang Einsicht in alle Archive gewährt werden, unterstrich der Stadtrat. Der Forderung der Opposition, dass alle Rathausparteien in der “Wilhelminenberg”-Kommission vertreten sein sollen, erteilte er eine Absage: Das Gremium solle unabhängig eines “Parteienstreites” arbeiten. Die vier im Rathaus vertretenen Parteien forderte er aber auf, in einem eigens einberufenen Gemeinderatsausschuss die Frage- und Aufgabestellungen für die Kommission zu diskutieren und zu formulieren. Den Vorwurf der Vertuschung, dem die FPÖ kürzlich vorbrachte, wies der der Stadtrat zurück. Die Stadt Wien werde alles daran setzen, um die Vorwürfe und Geschehnisse im Heim so lückenlos wie möglich aufzuklären.

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