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Volksaufstand und Kasperltheater: Die Verbauung der Steinhofgründe

Ein Teil der beliebten Grünfläche am Wilhelminenberg soll verbaut werden. Die Anrainer laufen Sturm.
Ein Teil der beliebten Grünfläche am Wilhelminenberg soll verbaut werden. Die Anrainer laufen Sturm. ©vienna.at/Paul Frühauf
Jede Menge Bedenken gegen die geplante Verbauung am Ostende der Steinhofgründe haben Grüne, Bürgerinitiativen und auch die Denkmalschützer, die sich Sorgen um das Otto-Wagner-Spital machen.
Naherholungsgebiet Steinhofgründe

Während die geplanten 650 Wohnungen inklusive Schule und Kindergarten im 14. Bezirk (Penzing) liegen, macht sich auch Bezirksvorsteher Franz Prokop von der Ottakringer SPÖ Sorgen: Denn der Verkehr von konservativ geschätzten 1800 zusätzlichen Autos würde wohl zu einem Großteil durch ihren Bezirk fließen. 

Das zweite Projekt am alten Jugendstilspital ist bereits in Bau. Vamed, ein internationaler Konzern, der  Gesundheitseinrichtungen projektiert, konzipiert und baut, errichtet ein Gesundheits- und Wellnesszentrum direkt beim denkmalgeschützten Otto-Wagner-Spital.

Aktion21 gegen die Verbauung der Steinhofgründe

Am 28. September fand in der Busgarage Spetterbrücke eine Bürgerversammlung mit allen Verantwortlichen statt – und beeindruckenden rund 600 Teilnehmern aus dem engeren Umkreis um die geplanten Projekte. Die Bevölkerung, organisiert in der sogenannten ‘Aktion21‘, wollten sich dabei jedoch nicht einfach nur informieren lassen, sondern mitbestimmen. Was naturgemäß zum Konflikt mit den Bauvorhaben führt, denn die kosten auf jeden Fall wertvolle Grünfläche und wohl auch das eine oder andere der denkmalgeschützten Gebäude des Otto-Wagner-Spitals. Dabei ergießt sich der Ärger über die geplante Verbauung gleich aus zwei Bezirken über die Verantwortlichen. Die Penzinger fürchten um ihr Naherholungsgebiet. Und während das natürlich auch auf Ottakring zutrifft, würde der gesamte neu anfallende Verkehr durch den 16. laufen. Verschärft wird die Lage dadurch, dass die nächste Bushaltestelle der Linie 48A derzeit rund 250 Meter entfernt ist.

Gesiba macht Areal an den Steinhofgründen zur Chefsache

Selbstverständlich hat die Gesiba Angestellte, die für die Pressebetreuung zuständig sind. Informationen zum Projekt am Otto-Wagner-Spital gibt es jedoch ausschließlich von Generaldirektor Ewald Kirschner persönlich – ein klares Zeichen, wie ernst man die Bürgerprotest bei der städtischen Gemeinnützigen Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft nimmt. Er geht zuallererst vor allem mit anderen Medien hart ins Gericht: “Kraut und Rüben” würden durcheinandergewürfelt. Das fange schon mit der Bezeichnung des Areals an – die Steinhofgründe seien oben am Berg und ohnehin unantastbar (im täglichen Sprachgebrauch der Wiener heißt jedoch auch der künftige Baugrund Steinhof). 

Keine ‘Bonzenwohnungen’ geplant

Besonderen Wert legt Kirschner auf zwei Feststellungen: Erstens, dass nur rund 15 Prozent des vorhandenen und als Baugrund gewidmeten Areals verbaut würden. Und zweitens, dass es sich keineswegs wie kolportiert um ‘Bonzenwohnungen’ handelt. “Die soziale Durchmischung ist uns wichtig. Daher werden rund ein Drittel frei finanzierte Eigentumswohnungen, ein Drittel geförderte Eigentumswohnungen und ein Drittel geförderte Mietwohnungen errichtet.”Auch für die soziale Infrastruktur soll laut Kirschner gesorgt sein. So ist im alten Pathologie-Pavillon eine neunklassige Volksschule geplant.

Verkehrsprobleme sollen angegangen werden

Laut Anrainern ist der unmittelbar angrenzende Flötzersteig bereits mit Autos zugestopft. Durch die Wohnungen und das Reha-Zentrum sollen laut konservativen Schätzungen noch rund 1800 Fahrten pro Tag dazukommen. Das Verkehrskonzept für die neuen Wohnbauten sieht zwei Garageneinfahrten vor, um den Verkehr von der Reizenpfenninggasse wegzubekommen. Man stehe, so Direktor Kirschner, in intensiven Gesprächen mit den Wiener Linien, damit der Bus der Linie 48 zumindest einen ‘Schlenker’ machen wird. Außerdem, so Kirschner weiter, werde man die bereits in anderen Projekten wie etwa Alt-Erlaa bewährten Kozepte Carsharing und Bike City mit eingeplant. Außerdem wird es voraussichtlich eine Stromtankstelle für E-Bikes geben.

Konfuse Bezirkspolitik: “Sind ja kein Kasperltheater!”

Respekt zollt der Gesiba-General den Penzinger Grünen: “Die waren von Anfang an gegen das Projekt. Das ist nachvollziehbar. Aber wenn ein blauer Gemeinderat bei der Bürgerversammlung aufsteht und sagt, er werde versuchen, das Projekt zu stoppen – dann muss ich mich fragen, ob er weiß, dass seine Partei im Gemeinderat dafür gestimmt hat. Bei uns ist von Anfang an alles transparent gelaufen – die Gesiba hat einen viel zu guten Ruf, um etwas hintenrum zu machen. Und den Rest regelt der Rechtsstaat. Was die Politik mit Hilfe mancher Medien hier aufführt, kostet mich eigentlich nur mehr ein Lachen. Wir sind noch immer ein Rechtsstaat, in dem von unserer Seite beim Projekt Steinhofgründe alles völlig korrekt läuft, und kein Kasperltheater!”

ÖVP fordert Weltkulturerbe

Zu Wort gemeldet hat sich nach einer längeren Nachdenkpause am gestrigen Donnerstag auch die Volkspartei. Die Stadträte Manfred Juraczka und Isabella Leeb forderten im Rahmen einer Pressekonferenz  ein Aufnahmeverfahren einzuleiten, um die Steinhofgründe als Weltkulturerbe zu sichern. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, werde man bei der freitäglichen Gemeinderatssitzung einen entsprechenden Antrag einbringen, so die ÖVP-Mandatare. Die derzeitigen Pläne seien ein “Anschlag auf das denkmalgeschützte Ensemble und die Lebensqualität der AnrainerInnen”, kritisierte Juraczka. Es gelte den “Eingriff” in die städtebauliche und architektonische Identität der Stadt zu verhindern. Selbstverständlich gebe es Bedarf an neuen Wohneinheiten, ob diese auf dem “wunderschönen Areal” entstehen müssten, sei zu hinterfragen. Eine Entscheidung für eine “architektonisch adäquate Weiterentwicklung” könne nur in Rücksprache mit ExpertInnen und nach Kriterien, wie im Umfeld von Weltkulturerbe zu agieren sei, getroffen werden. Auch Lösungen für den Individual- sowie den öffentlichen Verkehr rund um die Steinhofgründe müssten im Vorfeld gefunden werden. 

Zickzackkurs der Rathauskoalition

Die Grünen sind nicht besonders glücklich mit dem Projekt. Die Verbauung sei “keine gute Idee”, befand zuletzt auch Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (G).Gemeinsam mit dem Koalitionspartner, der Wiener SPÖ, wurde zuletzt ein Antrag im Gemeinderat beschlossen, wonach das Areal “schonend und respektvoll” entwickelt werden soll. Versprochen wurde eine Verbesserung der Öffi-Anbindung sowie Verkehrsmaßnahmen, die die kleinen Gassen in der Umgebung der Steinhofgründe  vor Durchzugsverkehr schützen sollen.

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