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Tote am Golan: Blauhelme standen bei Kampfhandlungen unter Beschuss

Laut eines Sprechers des Verteidigungsministeriums standen die Soldaten öfters unter Beschuss.
Laut eines Sprechers des Verteidigungsministeriums standen die Soldaten öfters unter Beschuss. ©APA
Jene Bundesheer-Soldaten, gegen die schwere Vorwürfe rund um den Vorfall auf den Golan-Höhen erhoben werden, seien laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums "oft unter Beschuss" gewesen. Vier Tage vor dem im Video aufgezeichneten Vorfall hätten sich Rebellen mit der syrischen Armee Kampfhandlungen geliefert.
Schwere Vorwürfe
UNO meldet sich zu Wort
Bericht bis Ende Mai
Mord durch Unterlassung?

Die österreichischen Blauhelme auf den Golan-Höhen sind rund um jenen Vorfall, bei dem sie offenbar neun Syrer in den Tod fahren ließen, mehrmals Beschuss von Streitparteien im Syrien-Konflikt ausgesetzt gewesen. Die Soldaten seien “oft unter Beschuss” gewesen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Michael Bauer, der Tageszeitung “Der Standard” (Mittwochsausgabe).

Blauhelme laut Bundesheer “oft unter Beschuss”

Am 25. September 2012, vier Tage vor dem Vorfall, hätten sich in der Früh Rebellen mit der syrischen Armee Kampfhandlungen geliefert. Fünf verletzte Rebellen hätten damals um Erste Hilfe bei den Blauhelmen gebeten. In der Nacht hätten syrische Kampfpanzer und die Fliegerabwehr in die entmilitarisierte Zone geschossen. Am 1. Oktober hätten die Blauhelme in der Früh Einsatz von Streumunition registriert.

Die Zeitung zitiert auch einen damaligen Spitzenpolitiker, “nun Privatmann”, der einen Konnex zwischen der sich zuspitzenden Sicherheitslage und dem im Juni 2013 verkündeten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan zog. “Wenn man jeden Tag eine DIN-A4-Seite voll mit solchen Vorfällen am Schreibtisch hat, konnte man nicht anders, als die Reißleine zu ziehen”, sagte der Politiker. Von den Details der Vorkommnisse Ende September 2012 habe er bis vor wenigen Tagen “keine Kenntnis” gehabt, fügte er hinzu.

Blauhelme “hätten wahrscheinlich mehr tun müssen”

Der Innsbrucker Völkerrechtler Peter Hilpold betonte indes in einem Gastkommentar für die “Wiener Zeitung” (Mittwochausgabe), die Blauhelme hätten bei dem Vorfall “wahrscheinlich mehr tun müssen”, die syrischen Polizeikräfte an der Weiterfahrt hindern, sie im Detail auf die Gefahr aufmerksam machen “und nötigenfalls sich sogar über den Befehl des Kommandanten hinwegsetzen”. Hilpold wies aber zugleich auf das “völlig ungenügende” UNO-Mandat und die “Extremsituation” für die jungen Blauhelme hin. Dass diesen die moralische Verantwortung “sehr bewusst ist und jeden Tag an ihnen nagt, dürfte allein schon der Umstand belegen, dass dieses Video angefertigt und schließlich auch verbreitet worden ist”.

Ein am Freitag von der Wiener Stadtzeitung “Falter” veröffentlichtes Video zeigt, wie die Blauhelme zunächst den Bau eines Hinterhaltes durch mutmaßliche Kriminelle filmten und später ihren Kontakt mit dem Auto der syrischen Geheimpolizei. Die Syrer blieben auf ihrer Fahrt in den Tod an einem österreichischen Checkpoint stehen, wurden von den Blauhelmen aber offenbar ohne Warnung in Richtung des Hinterhalts weitergewunken.

Anklage wegen Beihilfe zum Mord könnte drohen

Verteidigungsminister Mario Kunasek setzte eine Untersuchungskommission ein, die ihre Tätigkeit am Samstag aufnahm. Die UNO sprach von einem “verstörenden Video” und pochte auf die Erfüllung höchster professioneller und ethischer Standards durch Blauhelme. Der Völkerrechtsexperte Manfred Nowak sagte, dass den Blauhelmen schlimmstenfalls eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen könnte. Die Staatsanwaltschaft Wien nahm Ermittlungen auf.

Ein Kamerad der belasteten Blauhelme betonte, dass sich diese richtig verhalten hätten. Man habe den Befehl gehabt, sich zurückzuhalten, sagte er den “Salzburger Nachrichten”. Außerdem wären sie selbst auf die Abschussliste geraten, wenn die Rebellen festgestellt hätten, dass sie die syrischen Sicherheitskräfte gewarnt hätten.

Ministerium wusste nicht von Rolle der Österreicher

Im Fall der am Golan erschossenen syrischen Geheimpolizisten hat das Verteidigungsministerium in Wien nur von der Schießerei an sich gewusst, nicht jedoch von der Involvierung der Österreicher. Das sagte Ministeriumssprecher Oberst Michael Bauer der APA am Mittwoch auf Anfrage. Dass österreichische UNO-Soldaten betroffen waren, war aus dem damals vorgelegten Bericht nicht ersichtlich, erzählte Bauer. “Das war wohl auch der Grund, warum die UN keine Untersuchung eingeleitet hat.” Der Sprecher erläuterte, dass die Österreicher als Blauhelmsoldaten nicht mehr dem nationalen, sondern ausschließlich dem UNO-Kommando unterstellt waren.

Bauer gab außerdem bekannt, dass die vom Verteidigungsministerium eingesetzte Untersuchungskommission am morgigen Donnerstag mit den Befragungen zu dem Vorfall beginnen werde. Die Auskunftspersonen der Kommission würden nur Einheimische sein: “Wir können nur Österreicher befragen.” Allerdings habe die UNO ihre Zusammenarbeit erklärt. “Auch die UN werden Interesse haben, das aufzuklären.”

Die Wiener Stadtzeitung “Falter” hatte vergangenen Freitag ein im September 2012 in der Region der Golan-Höhen aufgenommenes Video veröffentlicht. Aus diesen geht hervor, dass österreichische Blauhelm-Soldaten offenbar die Einfahrt von syrischen Geheimpolizisten in einen Hinterhalt nicht verhindert hatten. Bei der darauffolgenden Schießerei wurden nach Angaben Bauers neun Polizisten und ein Angreifer getötet.

Österreichische Bundesheer-Soldaten waren von 1974 bis 2013 am Golan im Einsatz, um im Rahmen der UNO-Mission UNDOF eine entmilitarisierte Zone zwischen Syrien und den später von Israel annektierten, völkerrechtlich zu Syrien gehörenden Golan-Höhen zu überwachen.

Hofer nimmt Soldaten in Schutz

Regierungskoordinator Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) hat in der Debatte um die erschossenen syrischen Geheimpolizisten am Golan die österreichischen UNO-Soldaten in Schutz genommen. Es sei für Außenstehende schwierig, solche Situationen zu beurteilen. Das wisse er aus eigener Erfahrung als Soldat im Grenzschutzeinsatz, sagte Hofer im Pressefoyer am Mittwoch. Er könne jedenfalls nicht beurteilen, ob sich die österreichischen UNO-Soldaten schuldhaft verhalten haben. In der Causa gebe es jedenfalls eine Kommission, die das prüfen werde.

Die Wiener Wochenzeitung “Falter” hatte in der Vorwoche ein in der Golan-Region im Jahr 2012 aufgenommenes Video veröffentlicht. Aus diesem geht hervor, dass österreichische Blauhelm-Soldaten die Einfahrt syrischer Geheimpolizisten in einen tödlichen Hinterhalt nicht verhindert hatten.

Auf den Golan-Höhen sorgt seit dem Jahr 1974 eine Truppe von Blauhelm-Soldaten für die Einhaltung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Syrien, indem eine Pufferzone beaufsichtigt wird. Die UNO-Soldaten sind zu strikter Zurückhaltung verpflichtet und dürfen etwa ihre Waffen nur zur Selbstverteidigung einsetzen. Österreich nahm von 1974 bis 2013 an der UNDOF-Mission teil.

(APA/Red)

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