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Strafvollzug - 358 Senioren derzeit in Österreich inhaftiert

Hohe Anzahl von Senioren hinter Gitter
Hohe Anzahl von Senioren hinter Gitter ©APA (Sujet)
Derzeit befinden sich rund 358 Personen in den insgesamt 27 Gefängnissen Österreichs, die ihren 60. Geburtstag bereits hinter sich haben. Der älteste Häftling ist 85. Jahre alt.
Beamte suspendiert
Psychisch Kranker unversorgt

Der in der Justizanstalt Krems-Stein verwahrloste 74-Jährige ist bei weitem nicht der einzige Häftling im Seniorenalter. Von den 358 Senioren sind 68 jenseits der 70, sieben über 80 Jahre alt. Der älteste Häftling ist 85.

Hohe Anzahl von Senioren hinter Gitter

Die Anzahl der Senioren in den Gefängnissen ist damit deutlich größer als jener der Jugendlichen und in den vergangenen Jahren kontinuierlich angewachsen, bestätigte Christian Timm, stellvertretender Leiter und Mediensprecher der Vollzugsdirektion, am Donnerstag. Während es in Deutschland bereits eine eigene Justizanstalt für “pensionsreife” Häftlinge gibt – sie befindet sich in Singen in Baden-Württemberg und nimmt nur Insassen ab dem 62. Lebensjahr auf -, existiert in Österreich keine vergleichbare Einrichtung und ist laut Timm vorerst auch nicht geplant.

“Das Thema wird im Ausland kontroversiell diskutiert. Ein derartiges Gefängnis hätte Vor-, aber auch Nachteile”, so der ranghohe Vollzugsbeamte im Gespräch mit der APA. Eine zentrale Anstalt für betagte Insassen würde diese etwa ohne Rücksicht auf ihre jeweiligen Herkunftsorte zusammenfassen – die Betroffenen hätten damit oft fernab ihrer Heimat und damit ihrer Familien ihre Strafen zu verbüßen. Ein Seniorengefängnis könne auch eine “Ghettoisierung” bewirken und integrativen Ansätzen entgegenwirken, gab Timm zu bedenken.

Leitung geht auf Bedürfnisse ein

Vor allem aber gebe es Sicherheitsbedenken: “Man kann nicht einfach ältere Leute zusammengeben. Die passen vom Sicherheitsstandard oft nicht zusammen.” Etliche betagte Häftlinge zählen laut Timm zu den sogenannten geistig abnormen Rechtsbrechern und befinden sich damit im Maßnahmenvollzug. Einer gesetzlichen Vorgabe zufolge – dem sogenannten Abstandsgebot – sind diese grundsätzlich von den gesunden Insassen räumlich zu trennen.

Selbstverständlich werde in den Vollzugsanstalten auf die speziellen Bedürfnisse älterer Insassen eingegangen, betonte Timm. Oft sind diese auf eigenen Wunsch in Einzelzellen untergebracht. In jeder Anstalt gibt es mittlerweile eine Krankenpflegerin, die sich um die Senioren kümmern soll. Auch Beschäftigungsmöglichkeiten sind für die über 60-Jährigen vorgesehen: “Viele wollen auf einem niederen Level arbeiten.”

Zahl der Häftlinge ausbauen

Grundsätzlich würde die Vollzugsdirektion die Infrastruktur für die anwachsende Zahl der betagten Häftlinge gern ausbauen – in der Justizanstalt Suben läuft im Moment ein eigens auf diese Gruppe ausgerichtetes Pilotprojekt – , stößt damit allerdings an budgetäre Grenzen. “Wir können schon jetzt aus Kostengründen den Vollzug nicht in der Form durchführen, wie wir uns das vorstellen”, sagte Timm. Während in den Niederlanden pro Häftling und Tag 256 Euro ausgegeben werden, beläuft sich hierzulande der Kostensatz pro Gefangenem auf 108 Euro. Die skandinavischen Länder hätten dafür mehr als 300 Euro zur Verfügung, bemerkte Timm abschließend.

JA Suben “Vorreiter” bei Betreuung

Die Justizanstalt Suben hat eine Vorreiter-Rolle bei der Betreuung älterer Häftlinge übernommen. Unter Anstaltsleiter Oberst Gerd Katzelberger wurde ein Pilotprojekt entwickelt, mit dem seit vergangenem Februar speziell auf die Bedürfnisse der betagten Insassen eingegangen wird.

Wie Katzelberger am Donnerstag im Gespräch mit der APA darlegte, wurde für alle Insassen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, eine gesonderte Abteilung geschaffen, in der auf Senioren abgestimmte bauliche Maßnahmen getroffen wurden. Beispielsweise wurden in den Hafträumen die Toiletten und Betten für diese Altersgruppe adaptiert. Auf freiwilliger Basis können die betagten Insassen – in Suben befinden sich derzeit 15 über 60-Jährige in Haft – in diesen Trakt übersiedeln. Zehn Personen haben dieses Angebot mittlerweile in Anspruch genommen, der Rest zieht es vorerst vor, weiter in ihren bisherigen Hafträumen – jeweils Einzelzellen – zu verbleiben.

Sport- und Betreuungskursen für Senioren

Dagegen nehmen sämtliche Senioren an den Sport- und Betreuungskursen teil, die eigens für sie ins Leben gerufen worden sind. “Darüber hinaus habe ich mich mit den Leuten kurzgeschlossen und sie gefragt, was sie haben möchten”, berichtete Katzelberger. Dass die Anstaltsleitung derart offen an sie herangetreten sei, habe einige Insassen zunächst irritiert, “aber es sind dann sehr gute Ansagen gekommen.” Auf Basis der geäußerten Häftlingswünsche gibt es in Suben nun einen Computerkurs für Senioren, “und wir haben auch jemanden gefunden, der ihnen die modernen Smartphones erklärt. Sie wollen bei ihrer Entlassung nämlich auf diese Technologie vorbereitet sein”, so Katzelberger.

Die betroffenen Häftlinge haben mittlerweile einen Seniorensprecher gewählt, mit dem sich der Anstaltsleiter regelmäßig trifft, um weiter auf diese zahlenmäßig anwachsende Personengruppe eingehen zu können. “Ich bin interessiert an dem, was da an mich herangetragen wird. Der Strafvollzug muss diesen speziellen Bedürfnissen seine Aufmerksamkeit schenken”, sagte Katzelberger abschließend.

(APA)

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