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Primaballerina der Wiener Staatsoper: Olga Esina im Interview

Olga Esina sprach im Interview über Schmerzen und Hierarchien im Ballett.
Olga Esina sprach im Interview über Schmerzen und Hierarchien im Ballett. ©APA
"Wir haben keine Zeit, neidisch zu sein", so Olga Esina im Interview. Die Pimaballerina trägt seit dem Antritt von Manuel Legris als Ballett-Direktor den Titel "Erste Solotänzerin" und ist für viele Ballett-Fans das Gesicht der Wiener Staatsopern-Compagnie.
Olga Esina im Interview
Ballett in der Wiener Staatsoper

Olga Esina begeistert das Publikum in ihren Hauptrollen in der Staats- wie in der Volksoper regelmäßig mit ihrer Anmut, Natürlichkeit und ihrer technischen Brillanz – das nächste Mal in der “Nurejew-Gala”, die am kommenden Samstag den traditionellen Saisonabschluss bildet. Im Interview spricht die 26-Jährige über die Bedeutung von Hierarchien, das Überspielen von Schmerzen und über den Ansporn durch neues Repertoire.

Olga Esina im Interview

Am Samstag findet die Ballettsaison ihren Höhepunkt wieder in der Nurejew-Gala. Welche Rollen haben Sie dafür einstudiert?

Olga Esina: Ich tanze in Balanchines “Apollo”, das ist für mich eine große Ehre. Es war hier schon sehr lange nicht im Repertoire und ich freue mich wahnsinnig darauf. Außerdem zeigen wir zum Abschluss gemeinsam einen Akt aus “Raymonda”. In der Nurejew-Gala bekommen wir jedes Jahr tolle Auftrittsmöglichkeiten. Für die Proben ist allerdings meist eher wenig Zeit. Man könnte das monatelang vorbereiten, wir machen es in zwei Wochen. Es ist schön, wenn die Saison zum Abschluss noch einen Höhepunkt hat. Diesmal ist es aber anders – statt in die Ferien fahren wir zum Gastspiel nach Paris.

Sie sind mit drei Produktionen dort, für einen ganzen Monat…

Esina: Das ist sehr wichtig für uns – nicht viele Compagnien bekommen diese Möglichkeit. Durch die lange Dauer hat man auch die Gelegenheit, sich an den neuen Rahmen zu gewöhnen. Am Anfang wird der Druck sicher sehr hoch sein. Wir müssen dort unser Allerbestes zeigen.

Sie waren eine der ersten, die von Manuel Legris in den neu eingeführten Rang der Ersten Solotänzerin erhoben wurden. Wie wichtig sind solche Hierarchien für eine Compagnie?

Esina: Sehr wichtig. Früher hatten wir nur drei verschiedene Ränge, das war das erste, was Manuel geändert hat. Der Prinzipal ist der Kopf der Compagnie, das ist die Person, der die anderen folgen und auch folgen möchten. Für die jüngeren ist das auch ein wichtiger Ansporn – so ging es auch mir, als ich im Mariinski-Ensemble getanzt habe. Wenn man selbst Prinzipal ist, bedeutet das natürlich, dass man immer in Topform sein muss. Man steht viel allein auf der Bühne – da darf man keine schlechte Stimmung und keine Schmerzen sehen.

Wie macht der Körper da mit?

Esina: Mit viel Disziplin, mit viel Schlaf, mit gesunder Ernährung. Vor einer Vorstellung gehe ich nicht aus, trinke natürlich keinen Alkohol, konzentriere mich ganz auf die Arbeit. Wir proben derzeit etwa acht Stunden am Tag. Da macht der Körper nicht immer mit, aber meistens regeneriert er sich in der Nacht. So wie andere in der Früh einen Kaffee trinken, machen wir ein Training – da tut alles weh. Dann im Laufe des Vormittags geht es wieder – und man probt weiter. Die Schmerzen gehören einfach dazu.

Sie wirken auf der Bühne immer so fröhlich. Da würde man gar nicht an Schmerzen denken.

Esina: (lacht) Ja, das ist das schwierigste an unserem Beruf.

In der Wiener Compagnie haben Sie bereits die höchste Stufe erklommen. Was spornt Sie an?

Esina: Dass ich noch nicht alles getanzt habe, was ich tanzen möchte. Manuel ermöglicht mir, auch in anderen Theatern als Prinzipal-Gast eingeladen zu werden. Das ist sehr wichtig für meine Entwicklung und für die Erweiterung meines Repertoires.

In Wien wagt man sich nun doch langsam ins moderne Repertoire vor. Was bevorzugen Sie?

Esina: Das Wiener Publikum ändert seinen Geschmack – wir tanzen jetzt schon viele moderne Stücke. Für mich ist beides wichtig. Ich mag Neues sehr, weil man da die Möglichkeit hat, mit dem Choreografen zu arbeiten. Aber die Klassiker sind einfach die Basis des Balletts, das ist die Schule und daher ist es für jeden Tänzer wichtig, sich durch dieses Repertoire gearbeitet zu haben. Wichtig ist die Balance. Unter Manuel haben wir pro Saison mehr Auftritte und ein größeres Repertoire. Das ist einerseits schwieriger – andererseits leichter. Man bleibt im Rhythmus, statt nach zwei Monaten Pause plötzlich wieder auf der Bühne zu stehen.

In letzter Zeit stand die Ballettwelt unter anderem wegen der Säureattacke auf den Ballettchef des Bolschoi im Rampenlicht – der Täter soll einer der Solisten gewesen sein…

Esina: Das ist absolut schockierend für uns alle. So etwas ist noch nie passiert, niemand hätte gedacht, dass so etwas in der Kunstwelt vorkommen kann.

Ist für Sie irgendwie nachvollziehbar, wie sich die Dynamik von Neid und Konkurrenz so weit hochschaukeln kann?

Esina: Nein, nicht so hoch! Natürlich gibt es Neid und Konkurrenz, das gibt es überall. Beim Ballett vielleicht ein bisschen mehr – aber es ist nicht so extrem, wie das momentan den Anschein hat und wie es etwa auch in dem erfolgreichen Kinofilm “Black Swan” dargestellt wurde. Bei uns in der Compagnie haben wir eine sehr gute Atmosphäre. Jeder bekommt genug zu tun, man hat gar keine Zeit, neidisch zu sein (lacht). Jeder geht seinen eigenen Weg. Bei uns ersten Solotänzerinnen ist auch jeder ein ganz eigener Typ, da kommt man sich nicht in die Quere. (APA)

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